Huff, Tanya – Blutzoll (Blood Ties 1)

Bis vor acht Monaten war Vicki Nelson noch eine der erfolgreichsten Ermittlerinnen in der Mordkommission von Toronto. Dann jedoch wurde bei ihr eine fortschreitende Augenkrankheit festgestellt, die sie für den Außendienst untauglich machte. Einen Bürojob wollte sie jedoch auf keinen Fall, und so kündigte sie lieber bei der Polizei und machte sich als Privatdetektivin selbstständig. Ihr ehemaliger Partner und unregelmäßiger Bettgenosse Mike Celluci hat ihr diesen Schritt allerdings übel genommen. Seit ihrer Kündigung haben sie kein Wort mehr miteinander gewechselt. Dumm nur, dass Vicki gleich am Anfang von Tanya Huffs „Blutzoll“ auf Mike stoßen wird, da sie zufällig Zeugin eines brutalen Mordes wird.

Als sie nach einem missglückten Date mit der U-Bahn nach Hause fahren will, wird auf den Gleisen ein junger Mann getötet. Die Leiche bleibt zurück, mit herausgerissener Kehle und völlig blutleer. Die herbeigerufene Polizei – und vor allem ihr Ex-Partner Celluci – stehen vor einem Rätsel. Bald stellt sich jedoch heraus, dass es sich um eine Mordserie handel muss. Weitere Opfer werden gefunden, die alle auf die gleiche Weise ermordet wurden. Zwischen den Opfern besteht keine Verbindung und die Polizei tappt völlig im Dunkeln. Es fehlen sowohl Tatverdächtige als auch ein Motiv. Die lokale Presse hat allerdings kein Problem damit, die Morde zu erklären: Mit großen Aufmachern behauptet das städtische Revolverblatt, dass die Morde von einem Vampir begangen wurden.

Das wiederum gefällt Henry Fitzroy gar nicht, denn Henry ist tatsächlich ein Vampir. Er befürchtet, dass die reißerische Berichterstattung sein unauffälliges Leben als Autor billiger Liebesschnulzen gefährdet. Er vermutet, dass die Morde tatsächlich von einem wild gewordenen Vampir verübt wurden, und macht sich auf, diesen Vampir zu finden und zu vernichten.

Vicki dagegen wird von der Freundin des ersten Opfers angeheuert, um den Mörder zu finden. Logisch, dass sich Vickis und Henrys Wege im Verlauf der Ermittlungen kreuzen werden. Und natürlich braucht es sowohl die Privatdetektivin als auch den Vampir, um den eigentlichen Bösewicht zu finden und unschädlich zu machen.

„Blutzoll“ ist der Auftakt zu Tany Huffs fünfteiliger Blood-Serie. Bereits 1991 auf Englisch erschienen, brachte der kleine Fantasyverlag |Feder & Schwert| die Serie 2004 auf den deutschen Markt. Nachdem dann die TV-Adaption „Blood Ties“ auf |RTL 2| anlief, übernahm |Egmont LYX| die Romanserie.

„Blutzoll“ ist ein wirklich unterhaltsamer Pageturner mit einem übernatürlich angehauchten Mordfall und überzeugend gezeichneten Charakteren. Natürlich lebt der Roman vor allem von der Protagonistin Vicki Nelson. Mit ihr präsentiert Huff ihren Lesern eine taffe und kompetente Frau, die mitten im Leben steht und sich auch von ihrer Nachtblindheit und von ihrem nicht vorhandenen peripheren Sehvermögen nicht in der Verbrecherjagd einschränken lässt. Vicki ist Realistin und völlig unromantisch. Als Mike wieder in ihr Leben stolpert, macht es beiden nichts aus, mal hier und da die Nacht miteinander zu verbringen, ohne dass große Gefühlsbekundungen folgen würden.

Vicki hält nichts von großen Gefühlen, das muss auch Vampir Henry Fitzroy bald feststellen. Eigentlich ist er der klassische romantische Held – gutaussehend, verführerisch, loyal und auch bereit, für die Dame seines Herzens den Kragen zu riskieren. Doch bei Vicki beißt er damit auf Granit. Zwar findet sie ihn anziehend und es werden in „Blutzoll“ auch schon erste Körperflüssigkeiten ausgetauscht (Blut, die Rede ist selbstverständlich von Blut!), doch viel weiter kommt der arme Henry mit seinen Avancen nicht.

Es ist gerade Vickis spröde Art, die den Reiz der Geschichte ausmacht. Da hat sie zwei Männer, die an ihr interessiert sind, und keinen von beiden mag sie erwählen. Mit Mike verbindet sie eher eine klassische Kumpelfreundschaft und mit Henry eine Art schwebende Romanze, bei der aber nie Fakten geschaffen werden. Es wird geflirtet, aber jeder legt sich in seinem eigenen Bett zur Ruhe.

Tanya Huffs Vampir ist natürlich von anderen Romanen beeinflusst. So bedient sich Huff bei einschlägigen Quellen, reinterpretiert diese aber originell und mit einem Augenzwinkern. So wird Henry beispielsweise in einem Club Rotwein angeboten. „Nur ein stärkerer Mann als Henry Fitzroy hätte dieser Vorlage widerstehen können,“ heißt es daraufhin. Und so lehnt Henry das Getränk mit den Worten, „ich trinke niemals … Wein“, ab. Ebenfalls interessant ist Henrys Einstellung zur Religion. Tanya Huff macht hier eindeutig einen Gegenentwurf zu Anne Rices vom Christentum enttäuschten Vampiren auf. Ihr Henry Fitzroy, vor 450 Jahren als unehelicher Sohn Henry VIII. geboren, ist ein guter Katholik. Während die bodenständige Vicki in brenzligen Situationen lieber Fäuste sprechen lässt, ist Henry nicht abgeneigt, auch mal himmlischen Beistand anzurufen. Dieses friedliche Nebeneinander von Vampirismus und Religion ist erfrischend. Es trägt auch dazu bei, Henry unproblematisch zu gestalten: Ja, er ist faszinierend, geheimnisvoll und attraktiv. Er hat allerdings kaum etwas von der Düsternis, von denen Vampire in der Regel umgeben sind. Er hadert nicht mit seinem Schicksal, sondern stattdessen wie jeder Schriftsteller mit der leeren Seite, denn wenn er seine Abgabetermine nicht einhält, kann er seine Miete nicht zahlen. Wie prosaisch, wie menschlich!

Hinter den kurzweiligen und durchweg sympathischen Hauptfiguren droht der Krimiplot von Zeit zu Zeit etwas zu verblassen, vor allem dann, wenn Huff sich eigentlich kaum Mühe gibt, den wahren Mörder zu verheimlichen. Sie erzählt aus verschiedenen Perspektiven, unter anderem eben auch aus der des Mörders (bzw. Mordsgehilfen). Das nimmt relativ schnell die Spannung aus den Ermittlungen – man wartet hauptsächlich darauf, dass Vicki und Henry dem Bösewicht endlich auf die Schliche kommen statt selbst zu knobeln, was denn des Rätsels Lösung sein könnte.

„Blutzoll“ überzeugt trotzdem. Die Handlung wird nie langweilig und mit den Hauptfiguren identifiziert man sich als Leser mehr als gern. Huff erzählt mit gekonnter Leichtigkeit: Ihre Personen gelingen ihr mühelos, und auch das Setting wirkt plastisch und real – wohl auch, weil die Autorin viele Jahre in Toronto gelebt hat. Diese Stadt, die auf der Karte der Fantasy wohl eher ein weißer Fleck ist, avanciert bei ihr selbst zum Protagonisten. Toronto lebt, brodelt und die Charaktere bewegen sich entlang der Lebensadern dieser Stadt – um Blut zu trinken, Mörder dingfest zu machen und Dämonen aufzuspüren. Ein lesenswerter Krimi mit fantastischem Einschlag.

|Originaltitel: Blood Ties
Ins Deutsche übertragen von Claudia Wittemund
351 Seiten
ISBN-13: 978-3-8025-3648-9|
http://www.Egmont-Lyx.de
http://www.bloodtiestv.com

_Tanya Huff auf |Buchwurm.info|:_

[„Blutzoll“ 123 (frühere Ausgabe)
[„Blutlinien“ 407
[„Hotel Elysium“ 1481 (Die Chroniken der Hüter I)
[„Auf Teufel komm raus“ 1995 (Die Chroniken der Hüter II)
[„Hüte sich wer kann“ 2545 (Die Chroniken der Hüter III)