Hulick, Douglas – Unter Dieben (A Tale of the Kin 1)

Drothe ist ein Gangster, allerdings keiner der Sorte „Schläger“ oder „Killer“. Sein Job ist die Beschaffung von Informationen. Mit dem Reliquiendeal wollte er eigentlich nur ein wenig Geld dazuverdienen. Aber die Umstände, unter denen der beteiligte Schmuggler offenbar versucht hat, ihn anzuschmieren, haben ihn hellhörig gemacht. Außerdem ist er von Natur aus neugierig. In diesem besonderen Fall ist das allerdings eine ziemlich ungesunde Eigenschaft …

Für einen Gangster ist Drothe ein recht anständiger Kerl. Er ist zwar nicht zimperlich – manche Informanten rücken eben erst mit Antworten heraus, wenn man ein wenig nachhilft -, aber er ist loyal und verlässlich. Zumindest versucht er es, allerdings mit schwindendem Erfolg. Zum Glück ist er ein passabler Kämpfer, ausgesprochen zäh und vor allem schlau!

Sein Boss Nicco dagegen ist ein misstrauischer, paranoider Brutalo, der sich aus purem Neid mit seinem einstmals besten Freund Kells überworfen hat, weil der mit Gerissenheit und guter Planung bessere Ergebnisse erzielte als Nicco mit purer Gewalt. Jelem der Verschlagene wiederum ist ein ganz anderes Kaliber. Der Djanese gehört keiner Organisation an, ist aber einer der gefährlichsten Gangster der Stadt, und das nicht nur, weil er sich mit Magie auskennt. Und dann ist da noch Baldesar, der Schreiber, ein hagerer, faltiger Kerl, der mehr Fälschungen anfertigt als legale Kopien.

Dazu noch ein paar kleinere Gauner wie Diebe und Hehler, ein paar Attentäter und Männer fürs Grobe sowie ein paar geheimnisvolle Unterweltgrößen, und fertig ist das Milieu. Jede einzelne Figur ist dabei lebendig und interessant geraten, selbst wenn die meisten nicht wichtig genug waren, um ihnen echte Tiefe zu verleihen.

Die Welt, in der Douglas Hulick seine Geschichte angesiedelt hat, ist ziemlich alt. Schon seit Jahrhunderten ist ein und derselbe Kaiser an der Macht. In drei verschiedenen Inkarnationen, die sich in der Regierung abwechseln, wird er regelmäßig wiedergeboren. Und er hütet seine Macht eifersüchtig. Außer geringfügiger Alltagsmagie – Glücksbringer, kleine Heilzauber und Segenssprüche – ist jegliche Magie illegal. Einen charismatischen Kerl, dem es gelang, sämtliche Verbrecher vom kleinsten Licht bis zum dicksten Fisch hinter sich zu bringen und sich zum absoluten König der Unterwelt zu machen, hat er zusammen mit fast allen Anhängern und deren Familien gnadenlos ausradieren lassen.

Dabei ist ein unmittelbarer Einfluss des Kaisers auf das tägliche Leben der Menschen kaum zu spüren. Seine Polizisten sind so bestechlich wie alle Ordnungshüter im Umfeld organisierter Kriminalität, und Soldaten treten offenbar nur bei offenen Revolten oder exzessiven Bandenkriegen in Erscheinung. Leute wie Seelsorger, Beamte oder Spione des Kaisers tauchen überhaupt nicht auf. Der Autor hat sich nahezu ausschließlich auf die Ausarbeitung der Unterwelt beschränkt.

Die ist dafür ungemein stimmig und plastisch geraten. Das liegt nicht nur an den gelungenen Charakteren, sondern auch am Jargon, den der Autor eigener Aussage nach teils selbst erstellt, teils der Realität entliehen und sowohl in unveränderter als auch modifizierter Form verwendet hat. Ich persönlich kenne mich mit Gaunerslang überhaupt nicht aus, empfand das Gesamtbild aber wie aus einem Guss, völlig locker und unbemüht, und auch deshalb als besonders angenehm, weil Douglas Hulick es verstanden hat, seine Begriffe so in den Kontext einzubauen, dass der Leser ihre Bedeutung verstehen konnte, ohne in einem Glossar nachschlagen zu müssen.

In dieser Welt aus zwielichtigen Gesellen, rivalisierenden Banden und einer gnadenlos ihren Machtanspruch verteidigenden Regierung ist Drothe auf der Suche nach einem Buch und der Antwort auf die Frage, warum in aller Welt das Teil so wichtig ist, dass jemand dafür tötet! Und obwohl eine ganze Menge unterschiedlicher Parteien völlig verschiedener Meinung sind, was mit dem Buch geschehen sollte, sind sich die meisten zumindest in dem Punkt einig, dass diese ganze Sache Drothe überhaupt nichts angeht!

Kein Wunder also, dass Drothe auf seiner Suche ständig über Leute stolpert, die ihm auf jegliche erdenkliche Weise ans Leder wollen. Das führt zu einer Menge Duellszenen, die den größten Teil der Action in diesem Buch bestreiten. Hier kommt es dem Autor zugute, dass das Fechten zu seinen Hobbys gehört, was sich spürbar in den Kampfbeschreibungen niederschlägt, und das in Formulierungen, die frei von Fachbegriffen und damit auch für Normalsterbliche verständlich sind. Dabei kommen nicht nur Schwerter und Dolche zum Zug, sondern auch magische Waffen, die für interessante Abwechslung sorgen.

_Aus all dem hat_ Douglas Hulick eine temporeiche Schnitzeljagd gestaltet, die den Leser von der ersten bis zur letzten Zeile fesselt und trotz aller Verwicklungen und Geheimnisse niemals über sich selbst stolpert. Ein rundum gelungener Wurf. Ich bin jetzt schon gespannt auf die Fortsetzung.

_Douglas Hulick_ stammt aus den USA und hat nach einem technisch-naturwissenschaftlichen Studium gleich noch ein sprach- und geisteswissenschaftliches drangehängt. Zum Schreiben kam er nach einer wahren Odyssee durch die unterschiedlichsten Berufe. „Unter Dieben“ ist sein erster Roman und der Auftakt zum Mehrteiler |A Tale of the Kin|. Der zweite Band „Sworn in Steel“ soll im Juni dieses Jahres in den USA erscheinen.

|Broschiert 575 Seiten
Originaltitel: A Tale of the Kin 1 – Among Thieves
Deutsch von Norbert Stöbe
ISBN-13: 978-3453528628|
http://www.douglashulick.com

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