Isau, Ralf – König im König, Der (Die Chroniken von Mirad 2)

Band 1: „Das gespiegelte Herz“
Band 2: „Der König im König“

Nachdem Twikus und Ergil in [„Das gespiegelte Herz“ 1807 ihren Onkel Wikander besiegen und Mirad von seiner Tyrannei befreien konnten, sollte eigentlich alles in schönster Ordnung sein. Aber ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht. Die beiden Brüder sind noch jung, die Bevölkerung scheint sie als Könige nicht ganz ernst zu nehmen, und einige Könige des Sechserbundes nutzen offenbar die Gelegenheit, ihr eigenes Süppchen zu kochen …

Doch all diese Schwierigkeiten verblassen, als eines Tages das Sirilim-Schwert der Brüder unvermittelt das Zittern anfängt. In der folgenden Nacht träumt Ergil, Wikanders finsteres Schwert Schmerz, das geborsten ins Meer gestürzt war, tauche wieder auf! Als noch dazu ein Bote Múrias die Nachricht von einem seltsamen, schwarz gekleideten Mann namens Kaguan überbringt, der sich sehr eigenartig verhalten habe, beschließen die Zwillinge, zusammen mit Múria und Falgon zum Festland zu reiten.

Sie kommen zu spät, Kaguan ist verschwunden. Um herauszufinden, wer dieser geheimnisvolle Mann war und was er eigentlich wollte, benutzen die jungen Könige ihre Sirilim-Fähigkeiten. Das Ergebnis ist erschreckend! Kaguan ist ein Chamäleone, ein Diener des finsteren Gottes Magos, und er hat die Bruchstücke von Schmerz aus dem Meer geborgen, um sie seinem Herrn zurückzubringen, damit dieser Mirad erneut seiner Knechtschaft unterwerfen kann.

Zuerst jedoch muss das Schwert neu geschmiedet werden, und nur eine Familie in Mirad beherrscht diese Kunst. Eine verbissene Hetzjagd durch den halben Kontinent beginnt …

Der zweite Band der Mirad-Trilogie hat mir fast noch besser gefallen als der erste. Während im ersten Teil die Handlung sich noch ganz allmählich an die eigentliche Aufgabe, nämlich den Sieg über Wikander, herantastete, ist im zweiten Band von Anfang an klar, um was es geht. Die Jagd nach dem schwarzen Schwert bildet dabei den roten Faden, der sich durch das ganze Buch zieht, was diesen Band einheitlicher und zusammenhängender erscheinen lässt als den ersten.

Trotzdem geht hier bei weitem nicht alles glatt, im Gegenteil. Jedes Mal, wenn die Gefährten glauben, sie könnten Kaguan endlich fassen, macht ihnen irgendetwas einen Strich durch die Rechnung. Nicht nur die Tatsache, dass der Chamäleone sich durch die Anpassung seines Körpers an seine Umgebung nahezu unsichtbar machen kann, sondern auch, dass er die Brüder sehen kann, wenn sie ihre Sirilim-Gabe benutzen, macht ein Überlisten der Kreatur äußerst schwierig. Dazu kommt, dass das Schwert Schmerz, das Kaguan bei sich trägt, eine für die Zwillinge schier unerträgliche Ausstrahlung besitzt und ihnen die Sinne verwirrt. Außerdem hat Kaguan auch noch einige Helfer, die der Gemeinschaft schwer zu schaffen machen, und sein Meister hat ihm zusätzlich noch Macht über die Elemente verliehen. Das Repertoire umfasst aber auch so prosaische Tätigkeiten wie Geiselnahmen …

Die vielen verschiedenen Kniffe, durch die Kaguan seinen Verfolgern immer wieder entkommt, sorgen dafür, dass die Jagd durch Mirad abwechslungsreich, interessant und spannend bleibt. Und ehe sich aufgrund der ständigen Fehlschläge beim Leser Frustration einstellen kann, biegt Isau die Verfolgung in eine andere Richtung um …

Hilfreich für Kaguan waren aber nicht nur seine eigenen Fähigkeiten, sondern gelegentlich auch seine Verfolger. Ergil und Twikus haben sich zwar inzwischen ein gutes Stück zusammengerauft, gelegentlich aber flackern die alten Rivalitäten doch noch auf, in der Regel natürlich in kritischen Situationen, sprich: genau dann, wenn man es eigentlich gar nicht gebrauchen könnte! So kann Kaguan zumindest ein- oder zweimal nur deshalb in letzter Sekunde entkommen, weil die Zwillinge sich gerade nicht auf ihre Vorgehensweise einigen können und so kostbare Sekunden vergeuden.

Sogar die mangelnde Unterstützung der Brüder durch die Könige ihres Bundes weiß Kaguan auszunutzen, ebenso wie die Schwäche des Herrschers von Susan für seine Tochter Nishigo. Diese Vielfältigkeit, nicht nur in seinen körperlichen Fähigkeiten, sondern auch in seinem Denken, machen Kaguan zu dem interessantesten neuen Charakter dieses Bandes. Sein Gott wirkt dagegen fast ein wenig mickrig und einfallslos, aber gut, er kam ja auch kaum vor.

Außer den übrigen, bereits bekannten Charakteren Múria, Falgon, Dormund und Kira, die unverändert bleiben, ist noch Popi erwähnenswert, den Ergil zu seinem Knappen gemacht hat. Popi ist eigentlich ein Hasenfuß, der schon vor der geringsten Kleinigkeit am liebsten davonläuft. Aber nur, wenn es nicht um seine Könige geht! Ergil ist er so treu ergeben, dass er für ihn sogar solche Dinge tut, die er sonst niemals auch nur in Erwägung ziehen würde! Dass er dabei geradezu über sich selbst hinauswächst, fällt ihm überhaupt nicht auf.

Eine besonders angegehme Eigenschaft ist Isaus unaufdringliche Art und Weise, Dinge zu schreiben. So bleibt die Romanze zwischen Twikus und Nishigo ein zwar sichtbarer aber erfreulich dezenter Bestandteil der Geschichte. Die Zwillinge bleiben trotz ihrer Macht und Twikus‘ Hang zum Heldentum jederzeit menschlich und unperfekt, was auch für Falgon und Múria gilt. Und auch aus Popi wird kein strahlender Überheld, nachdem er seine Angst überwunden hat, sondern er ist immer noch ein fast zu bescheidener und ängstlicher Junge, der vorerst lediglich entdeckt hat, dass Mut durchaus nicht außerhalb seiner Reichweite liegt.

Zwei Fragen allerdings stellten sich mir bei der Lektüre: Wie konnte es passieren, dass die Wachposten im Palast von Susan so leicht auf den Chamäleonen hereingefallen sind? Hat sie denn niemand davor gewarnt, dass das „Gespenst aus der Schmiede“ seine Gestalt verändern konnte? Wenn ja, was für ein Versäumnis! – Und wie ist Kaguan aus der toten Meerschlange entkommen?

Aber gut, im Hinblick auf den gelungenen Rest des Buches kann man darüber hinwegsehen. Der Kampf gegen ein übermächtiges Böses ist zwar schon so alt wie die Fantasy selbst, aber vielleicht eben deshalb aus dieser auch nicht mehr wegzudenken. Und Ralf Isau hat das Thema mit einigen neuen und guten Ideen angereichert. Wie auch schon der erste Band für Jugendliche uneingeschränkt empfehlenswert, und für Erwachsene ebenfalls durchaus interessant, sofern man nicht besonderen Wert auf große Detailliertheit und komplexe Handlung mit mehreren Parallelsträngen legt.

Ralf Isau, gebürtiger Berliner, war nach seinem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung zunächst als Programmierer tätig, ehe er 1988 zu Schreiben anfing. Aus seiner Feder stammen außer der Neschan-Trilogie und dem Kreis der Dämmerung unter anderem „Der Herr der Unruhe“, „Der silberne Sinn“, „Das Netz der Schattenspiele“ und „Das Museum der gestohlenen Erinnerungen“. In der Reihe Die Legenden von Phantásien ist von ihm „Die geheime Bibliothek des Thaddäus Tillmann Trutz“ erschienen. Der dritte Band der Chroniken von Mirad soll im Herbst dieses Jahres erscheinen.

Gebundene Ausgabe: 544 Seiten
ISBN-13: 978-3-522-17746-7

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