Jeschke, Wolfgang; Aldiss, Brian W. (Hrsg.) – Titan-18

_Der Aufstieg junger Sternenreiche, vielfältig beleuchtet_

In der vorliegenden Ausgabe des Auswahlbandes Nr. 18 von „Titan“ sind nicht Beiträge zur „Science Fiction Hall of Fame“ gesammelt, sondern klassische SF-Erzählungen der 1950er Jahre – Thema sind „Galaktische Imperien“. Dies ist der erste von 4 TITAN-Bänden zu diesem Thema.

Die Kriterien der deutschen Bände waren nicht Novität um jeden Preis, sondern vielmehr Qualität und bibliophile Rarität, denn TITAN sollte in der Heyne-Reihe „Science Fiction Classics“ erscheinen. Folglich konnten Erzählungen enthalten sein, die schon einmal in Deutschland woanders erschienen waren, aber zumeist nicht mehr greifbar waren. TITAN sollte nach dem Willen des deutschen Herausgebers Wolfgang Jeschke ausschließlich Erzählungen in ungekürzter Fassung und sorgfältiger Neuübersetzung enthalten. Mithin war TITAN von vornherein etwas für Sammler und Kenner, aber auch für alle, die Spaß an einer gut erzählten phantastischen Geschichte haben.

_Die Herausgeber _

1) Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Sciencefiction-Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

2) Brian W. Aldiss (*1925) ist nach James Graham Ballard und vor Michael Moorcock der wichtigste und experimentierfreudigste britische SF-Schriftsteller. Während Ballard nicht so thematisch und stilistisch vielseitig ist, hat er auch nicht Aldiss‘ ironischen Humor.

Aldiss wurde bei uns am bekanntesten mit seiner Helliconia-Trilogie, die einen Standard in Sachen Weltenbau in der modernen SF setzte. Das elegische Standardthema von Aldiss ist die Fruchtbarkeit des Lebens und die Sterilität des Todes. Für „Hothouse“ bekam Aldiss den HUGO Award. Er hat auch Theaterstücke, Erotik, Lyrik und vieles mehr geschrieben.

_Die Erzählungen_

_1) R. A. Lafferty: „Eine Sekunde der Ewigkeit“_

Sobald die Schöpfung aus der Spaltung einer Schote entstanden ist, begeben sich Erzengel Michael und seine Kollegen auf die eine Seite und Belel, sein Widersacher, mit seinen Heerscharen auf die andere Seite. Doch Boshel kann sich nicht entscheiden und verharrt mittendrin. Er wartet. Lange Zeit. Bis er Michaels Kollegen auffällt, der seinem Chef Bescheid sagt. Michael erkennt Boshels Problem und geht zu seinem eigenen Chef, bekommt aber Bescheid, Boshel müsse für sein Nichtbekenntnis zur richtigen Seite der ganzen Angelegenheit bestraft werden.

Eine angemessene Strafe für das Zögern und Warten Boshels zu erfinden, erweist sich nicht ganz einfach angesichts der Ewigkeit der Schöpfung. Da entdeckt an einem Kiosk in Los Angeles in einem Comic die genial einfache Lösung: Man setze sechs Schimpansen vor sechs Schreibmaschinen und lasse sie blindlings so lange tippen, bis Shakespeares gesammelte Werke hervorgebracht haben. Das sei dann Ewigkeit, geholfen vom Zufall. Perfekt für Boshel!

Aber was sind Schimpansen, was Schreibmaschinen, wer Shakespeare? Wie sich bald zeigt, liegt in der Feinheit der Definition die Größe der Hoffnung begründet, die Boshel hegen darf …

|Mein Eindruck|

Die amüsante und höchst ironische Story soll mehrere Dinge anschaulich zeigen. Erstens natürlich, wie lang eine Ewigkeit ist, wenn ein Vogel alle tausend Jahre kommt, um an einem Felswürfel von mehr als einem Lichtjahr Kantenlänge seinen Schnabel zu wetzen. Verdammt lange jedenfalls. Inzwischen gehen mehrere Milliarden Imperien, so viel ist klar.

Aber es gibt Hoffnung für Boshels Erlösung von der Strafe: Er darf seine Schimpansen intelligent machen und ausbilden, sodass sie tatsächlich in der Lage sind, alle 39 Bände von Shakespeares Gesammelten Werken fehlerfrei zu produzieren. Fehlerfrei? Boshels hätte mit Mikes Kollegen und ihrer akribischen Durchsicht des Mammutwerkes rechnen sollen. Und mit der Ungeduld seines intelligentesten Schimpansen. Zu diesem Zeitpunkt hat der Vogel erst die Hälfte des Felswürfels durchgewetzt. Es ist also noch ein wenig Zeit …

_2) Arthur C. Clarke: „Die Besessenen“_

Der Schwarm kommt von einem fernen Stern, vor dessen katastrophalem Ende er fliehen musste, und nun sucht er eine neue Heimat. Auf dem dritten Planeten einer unbedeutenden Sonne am äußeren Spiralarm einer Galaxis findet sich diese Heimat. Der Schwarm teilt sich in Elter und Kind, als wären es Zwillinge. Das Elter zieht weiter, mit dem Versprechen, nach dem Finden einer besseren Heimat zurückzukehren und das Kind nachzuholen.

Dieser Fall wird nie eintreten. Dennoch vererbt sich das Wissen um dieses Versprechen durch Zillionen von Wirtskörpern, die das Rassegedächtnis im Lauf der Evolution weitertragen, von den Echsen über die Wirbeltiere. Immer wieder sammeln sich die Abkömmlinge des Schwarms in einem Tal, das leider im Laufe der Jahrmillionen unter Wasser gesetzt worden ist …

Als Nils und Christine auf ihrem Dampfer in den norwegischen Fjord einfahren, bemerken sie zu ihrem Erstaunen, wie sich Millionen von kleinen Tieren über die Hänge ergießen und herab zum Wasser ziehen, als würde sie dort etwas magnetisch anziehen …

|Mein Eindruck|

Nun, so kann man die Wanderung der Lemminge natürlich auch erklären. Indem er den Impuls zu geheimnisvollen Wanderung der Nager auf einen kosmischen Ursprung der irdischen Evolution zurückführt, bewirkt der Autor von „2001 – Odyssee im Weltraum“ zwei Dinge. Erstens knüpft er bereits 1953 ein Band zwischen dem Kosmos und dem irdischen Leben bzw. dem Menschen, der wieder zu seinen Ursprüngen zurückkehren wird. Nur dass im Film bzw. Roman dieses Band eine sehr konkrete Gestalt annimmt: die eines schwarzen Monolithen, der innen unendlich ist.

Zweitens setzt Clarke die Theorie der Panspermie literarisch um, welche, grob vereinfacht, besagt, dass es durchaus fremdem Leben von fernen Gestirnen gelungen sein könne, die Urform der Erde vor Milliarden Jahren zu erreichen und zu „befruchten“, ähnlich wie Spermien eine Eizelle. Das Vehikel für den Transfer dieses Lebens könnten Kometen aus dem Kuiper-Gürtel sein, der tatsächlich unser Sonnensystem wie eine Wolke umgibt, aber natürlich auch Himmelskörper, die von anderen Sonnen stammen. Als diese Sterne explodierten, schleuderten sie Materie, also Bausteine des Lebens, in die kosmische Umgebung und schickten sie auf eine äonenlange Reise.

_3) H.B. Fyfe: „Tierschutz“ („Protected Species“)_

Jerry Otis kommt als Inspektor der Obersten Kolonialbehörde nach Torang, wo von Finchley, seinem Mann vor Ort, eine neue Kolonie aufgebaut werden soll. Allerdings entdeckt Otis zu seiner Beunruhigung, dass es hier große Lebewesen gibt, die als „Affen“ bezeichnet und zum Vergnügen der Bauarbeiter am Staudamm gejagt werden. Das will er sich mal aus der Nähe ansehen.

Finchley und ein Pilot bringen ihn zu einem Ruinengelände, wo diese „Torang“-Affen besonders häufig auftreten. Man hat einige sogar eingefangen und einen ausgestopft. Während seiner Erkundung der Ruinen stößt Otis unerwartet direkt auf einen der Torang. Das Wesen geht aufrecht auf zwei Beinen, hat zwei Augen und so weiter, sagt aber nichts. Im Gegenteil: Es wirft einen Stein in Richtung auf Otis, der sich nur durch einen Sprung durch eine Türöffnung in Sicherheit bringen kann.

Dieser Wurf war ein Akt der Intelligenz, entscheidet er und lässt sich von seiner Behörde per Funk die Genehmigung schicken, die Torang unter besonderen Schutz zu stellen. Als er sich erneut dem Ruinengelände nähert, um einen der Torang zu sehen, trifft er wieder einen – es ist sogar der gleiche – und er spricht terranisch! Nicht nur diese Tatsache versetzt Otis in erhebliches Erstaunen, sondern auch das, was ihm das Wesen, das keineswegs auf Torang heimisch ist, über die Erbauer der Ruinen zu enthüllen weiß …

|Mein Eindruck|

Bei der Inbesitznahme einer Welt kann es mitunter zu fatalen und tragischen Irrtümern kommen, vor allem dann, wenn man einfach drauflos baut, ohne zu fragen, was hier los ist. Das muss auch der Kolonisator Otis zu seinem Leidwesen erfahren. Hätte er eben mal vorher recherchieren lassen!

_4) Michael Shaara: „Da Capo“_

Cohn und Jansen sind als Erkunder seit 300 Erdenjahren unterwegs, um neue bewohnbare Planeten zu suchen. Der Kälteschlaf hilft ihnen, die subjektiv erlebte Zeit zu verkürzen, sodass sie bereits mehrere Dutzend Sternsysteme haben abklappern können, ohne ihre eigene Lebenszeit zu überschreiten. Doch das Ergebnis ist niederschmetternd: Es gibt keine bewohnbaren Welten im Umkreis von etlichen Lichtjahren. Es ist, als läge die Erde in einer kosmischen Wüste.

Deshalb fallen ihnen vor Entzücken fast die Augen aus dem Kopf, als sie eine Welt mit einer erdähnlichen Atmosphäre, einem Ozean und grüner Vegetation entdecken. Nach einer ersten Erkundung wollen sie landen und die völlig unbewohnte Welt für die Erde beanspruchen. Ein wenig beunruhigt haben sie allerdings die zahlreichen Kraterseen, die sie ein wenig an Bombenkrater erinnern …

Cohn bereitet gerade den ersten Bericht an die Erde vor, als Jansen dringend nach ihm ruft. Sein Kamerad richtet seinen Hitzestrahler aufgeregt auf zwei Gestalten, die auf dem nächsten Hügel erschienen sind. Aber was könnte ein alter Mann an einem Stock schon gegen ihre Strahler ausrichten, fragt sich Cohn gerade, als in seinem Kopf eine Stimme ertönt: „Bitte nicht schießen. Danke!“ Erstaunt lässt er die Waffe sinken, denn ein beruhigendes Gefühl erfasst zudem seinen Geist.

Sobald sich die beiden Humanoiden gesetzt haben, um ihm zuzuhören, beginnt Roymer, der Alte, zu erzählen, während sein Kollege Trian die telepathische Botschaft überträgt. „Es gab einmal vor 30.000 Jahren einen Krieg der Galaktischen Föderation gegen eine kriegerischen Rasse, die sich als Antha bezeichnete und eine Föderationswelt nach der anderen eroberte und zerstörte. Wie sollte man diese aggressive Rasse davon abhalten, auch den Rest der Föderation der Welten zu unterjochen? Das Urteil lautete einstimmig auf Tod, und als die ultimative Waffe entwickelt worden war, wurden die Sterne der Antha einen nach der anderen zum Explodieren gebracht. Jedenfalls alle, die man finden konnte …“

Cohn ist von einem Detail besonders fasziniert und erinnert sich daran, wie Julius Caesar einst mit seinen gallischen Gegnern verfahren war: Er ließ ihnen die rechte Hand abschlagen. Diese Antha klingen auf fatale Weise genau wie Julius Caesar. Aber das würde bedeuten, dass … Wenige Augenblicke später sind die beiden Antha-Späher tot. Aber plötzlich macht sich Roymer große Sorgen: Was, wenn diese Gefriertechnik der Antha verschleiert hat, dass die Invasion bereits längst begonnen hat?

|Mein Eindruck|

Was für eine schaurige Geschichte! Sie erklärt auf schlagende Weise, die dem Leser kalte Schauder über den Rücken jagt, warum die Galaktiker in keinster Weise darauf erpicht sind, mit den Menschen Kontakt aufzunehmen, selbst wenn die Kommunikationsmöglichkeiten dies bestens erlauben würden. Der Grund ist der, dass die Menschen alias Antha nach 30 Jahrtausenden den Krieg vergessen haben, der ihre kosmische Umgebung in eine Wüste verwandelt hat.

Geschrieben sechs Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, warnt die Erzählung des amerikanischen Pulitzer-Preisträgers Shaara eindringlich vor einer Wiederholung der Aggressionen und vor allem des erneuten atomaren Infernos, das Hiroshima und Nagasaki verschlungen hat.

_5) Poul Anderson: „Der Sternenplünderer“_

Das demokratische Sternenreich der Menschen ist dem Ansturm der barbarischen Eroberer von Baldic nicht gewachsen und stürzt in rauchenden Trümmern zusammen. Marineleutnant John Henry Reeves, ein Nuklearingenieur, und seine Verlobte, die Technikerin Kathryn O’Donnell, werden gefangengenommen und an Bord eines Gorzuni-Schiffs mit anderen menschlichen Sklaven zusammengepfercht. John befürchtet, dass sie alle in den Minen von Gorzun, eines der Hauptplaneten der Baldic-Allianz, schuften sollen, bis sie tot umfallen.

Als er einen menschlichen Weißen unter den Sklavenhaltern erblickt, verflucht er ihn „dreckigen Bastard“, doch dieser Bastard stellt sich wenig später als seine und Kathryns Rettung heraus. Denn der Ingenieur Manuel Argos schuftet nur zum Schein unter den Gorzuni, um bei bester Gelegenheit eine Revolte anzuführen und das Schiff in seine Gewalt zu bringen. John und seine Verlobte sind widerwillig dabei, denn so bekommen sie wenigstens eine Faden Kleidung auf den nackten Leib, besseres Essen und eine Aufgabe, die sie durchs ganze Schiff führt.

Argos erweist sich als kalt wie eine Hundeschnauze, während er ihren Aufstand vorbereitet. Doch als es endlich soweit ist, hat er jeden Handgriff geplant. Die ersten der Unterdrücker gehen tot zu Boden und liefern so die ersten Waffen. Die Schwerkraft fällt ebenso aus wie die Beleuchtung, was gewisse Vorteile verschafft. Nach harten Kämpfen sind noch 300 Überlebende übrig, um das Schiff zu steuern – nein, nicht zurück zur Erde, sondern zum nichtsahnenden Planeten Gorzun.

Doch Argos hält nicht nur für den Feind eine böse Überraschung bereit, sondern auch für John Henry Reeves …

|Mein Eindruck|

Drei Staatssysteme treffen hier aufeinander, sodass sich eine Betrachtung innerhalb der Theorie der Staatssysteme lohnen würde. Das Sternenreich der Menschen ist eine republikanische Demokratie, die aber laut Manuel Argos (= Andersons advocatus diaboli) unter einer „verknöcherten Bürokratie“ erstarrt ist. Sie bricht wie das überalterte West-Rom unter dem Ansturm von Barbaren zusammen, die als Könige feudalistisch und absolut regieren, sich aber durch eine Allianz genügend Schlagkraft erworben haben, um das Blatt zu wenden.

Nach Zerstörung der Hauptwelten des Feindes ist auch dieses Modell Geschichte und die Frage stellt sich, was danach kommt – erneut eine Republik? Doch nein, winkt Manuel Argos ab, dieses Versagermodell hatten wir ja schon, nicht wahr? Nein, es wird ein neues, starkes Imperium der Menschen geben, ein Kaiserreich von Argos‘ Gnaden, das von seiner Dynastie geführt werden wird. Ob es mit der Republik noch mal klappt, werde man dann sehen. Und dreimal darf man raten, von welcher Frau Argos seine künftigen Söhne erwartet …

Für einen Verlag mit dem sprechenden Namen „Love Romances Publishing“ 1951 geschrieben, bietet die rasante Story Action, Abenteuer, Leidenschaft und schließlich auch Liebesleid. Die blumige Sprache wird nur noch von den dramatischen Anspielungen auf die Bibel übertroffen, wobei Engel, Teufel und Götter eine Rolle spielen. Dadurch kann man die Geschichte nur noch als „putzig“ bezeichnen, aber als Kommentar auf die Idee des Sternenimperiums ist sie definitiv einer Erwähnung wert.

_6) Isaac Asimov: „Die Stiftung“ („Foundation“, 1951)_

20 Jahre lang hat der Mathematiker Hari Seldon die besten Köpfe des Galaktischen Imperiums zusammenkommen darüber beraten lassen, wie sich die Zukunft des Reiches nach dessen nahendem Zusammenbruch gestalten ließe, damit die kulturellen Errungenschaften und das Wissen nicht im Danach verlorengingen. Nun endlich ist es soweit: Der Tausend-Jahre-Plan ist fertig und liegt zur Ausführung bereit.

50 Jahre später kommt es an einer der beiden Gründungen der Stiftung der Psychokistoriker, auf Terminus, allmählich zu einer Krise. Die Sternensysteme der Peripherie haben die Atomkraft verloren und fallen auf eine niedrigere Kulturstufe zurück. Der imperiale Lord bezeichnet sie als „Barbaren“. Doch für den Bürgermeister von Terminus, Salvor Hardin, sind die Begehrlichkeiten der Nachbarwelt, des Königreichs Anacreons, alles andere als lustig: Anacreon will Terminus besetzen, um seine Bodenschätze auszubeuten, wie etwa Gold usw.

Und hier gibt es einen Haken: Terminus ist ein Planet ohne jedes nennenswerte Metallvorkommen. Dies spielte sicherlich eien Rolle in Hari Seldons Plan, denkt sich Hardin, und beim Besuch von Anacreins Sondergesandtem zeigt sich auch, welche: Als diese tatsache bekannt wird, verliert er sofort sämtliches Interesse an Terminus. Und als Hardin auch noch die Atomkraft erwähnt, wird der Gesandte recht zurückhaltend. Er hat Angst vor möglichen Atomwaffen. Der Bluff funktioniert. Diesmal.

Doch was hat es zu bedeuten, dass es auf ganz Terminus kein einziger Psychologe existiert? Auch diese auffällige Tatsache mus eine Rolle spielen. Und in der Tat: Als sich genau 50 Jahre nach Terminus‘ Gründung und einen Tag vor der dennoch erfolgenden Besetzung durch Anacreon eine Zeitkapsel in der Stiftung öffnet, spricht das Hologramm Hari Seldons den Grund dafür aus: Damit kein Psychologe den vorbestimmten Kurs der folgenden Ereignisse mehr beeinflussen kann.

Und so sind die autoritätshörigen Naturwissenschaftler der Galaktischen Enzyklopädie Stiftung gezwungen, ihr Schicksal in die Hände des einzigen fähigen Politikers auf ganz Terminus zu legen …

|Mein Eindruck|

Es war unvermeidlich, dass die populärste Geschichte in der gesamten Sciencefiction, die es über Sternenreiche gibt, auch in dieser Auswahl auftauchen würde. Asimovs „Foundation“ (zu Deutsch „Stiftung“) ist der Grundstein für etwa ein Dutzend Romane über das Galaktische Imperium, die Alte Erde und die Roboter – integriert zu einem Future-History-Zyklus, der es locker mit dem von Robert A. Heinlein skizzierten Zukunftsbild aufnehmen kann. Was nicht heißen soll, dass die literarische Qualität durchweg stimmt. Die drei ursprünglichen „Foundation“-Romane sind immer noch die besten: dicht erzählt, ideenreich und voller Wendungen, die man nicht schon meilenweit vorausahnen könnte.

In der vorliegenden Ur-Story, der Keimzelle dieses Universums, äußert Asimov, selbst ein versierter und graduierter Doktor der Naturwissenschaft, nicht gerade schmeichelhafte Aussagen über seines Standesgenossen – zumindest jene, die von jeder Forschung abgeschnitten sind und sich wie Skarabäen mit dem Wälzen des Misthaufens an angesammeltem Wissen begnügen.

Genau diese Rückwärtsgewandtheit wirft ihnen der Tatmensch Salvor Hardin vor. Als Politiker muss er sich um Gegenwart und vor allem die nahe Zukunft sorgen, nicht um die tote Vergangenheit. Er fordert Forschung und neues Denken, womit er bei den Enzyklopädisten auf blankes Unverständnis stößt. Erst als Hari Seldon die Enzyklopädie selbst, also ihre Daseinsberechtigung, als Betrug entlarvt, lassen sie mit sich reden. Womit klar sein dürfte, dass auch die Reiche des Wissens den Erfordernissen der Realität unterworfen sind. Aber das wusste Hari Seldon schon von Anfang an.

_7) Mark Clifton & Alex Apostolides: „Wir sind zivilisiert!“_

Im Juni 2018 überfliegt das Raumschiff der Westlichen Allianz, um den Mars für sich in Besitz zu nehmen. Captain Griswold ist sich der historischen Bedeutung des Moments vollständig bewusst und entschlossen, nichts falsch zu machen. Deshalb fragt er den Experten für Ethnologie, was diese vielen Kanäle überall zu bedeuten hätten. Intelligente Lebensformen, antwortet der Fachmann. Aber nirgends eine Spur von diesen Wesen, keine Fabriken, keine Straßen, nichts. Also befiehlt er die Landung, genau auf der Hauptkreuzung der Kanäle.

Kaum hat sich die Hitze der Düsen ein wenig abgeschwächt, kommen die Marsianer aus ihren Erdhöhlen. Sie wollen den angerichteten Schaden, der ihr Wasser nutzlos im Sand versickern lässt, schnellstmöglich reparieren. Als Captain Griswold sie nach der Proklamation der Inbesitznahme erblickt, lässt er angeekelt und ein klein wenig verängstigt das Feuer auf sie eröffnen.

Einige Zeit später findet die Ehrung der Eroberer des Mars in einem Stadion in den USA statt. Der Präsident will gerade Admiral Griswold eine Medaille an die Uniformbrust heften, als ein riesiger Schatten das Spielfeld verdunkelt: ein herabschwebendes Raumschiff. Eine Proklamation der Inbesitznahme wird verlesen …

|Mein Eindruck|

Der Mensch muss sich offenbar immer etwas nehmen, um es besitzen zu können – und dabei werden unweigerlich etwas zerstört. Dumm gelaufen, wenn es andere Spezies mit der Erde dann genauso machen. Da hilft dann auch kein Protestgeschrei des Ethnologen mehr: „Wir sind doch zivilisiert!“ Die Tatsachen sprechen gegen die Menschheit.

Die Story erhielt vor dem Hintergrund der nach dem 2. Weltkrieg weltweit beginnenden Expansionen des amerikanischen und des kommunistischen (Sowjetunion, China, Nordkorea) Imperiums einen beklemmenden Warncharakter.

_Die Übersetzung _

Die Übersetzung von Heinz Nagel lässt sich zu 98% durchaus akzeptieren. Doch er spricht hier noch von „Negern“, einem politisch längst inkorrekten Begriff. Und wenn auf Seite 19 vom „Bürgerkrieg“ die Rede, unterstellt er, dass jeder weiß, dass der amerikanische gemeint sei. Ansonsten treten die allfälligen Druckefehlerchen auf. Wenn auf Seite 120 vom „neuen Adquädukt“ die Rede ist, so ist nur einer der deutlichsten Fehler.

_Unterm Strich_

Als Brite muss es der englische Herausgeber der Anthologie „Galactic Empires“, von der dieser Band nur das erste Viertel darstellt, ja wissen: Die Bewohner der kleinen Insel Albion beanspruchten zu einer Zeit mindestens ein Drittel der Erdbevölkerung als Kolonien. Einige ihrer wichtigsten Historiker zerbrachen sich deshalb nicht ohne Grund den Kopf über die Entstehung, den Aufstieg und den offenbar unvermeidlichen Nieder- und Untergang von Imperien. Edward Gibbon schrieb mit „Aufstieg und Fall des Römischen Reiches“ die Vorlage für Asimovs „Foundation“-Zyklus. Und dem gleichen Muster spürt nun diese Anthologie in ihren Beiträgen nach.

Erstaunlicherweise kommt die Diskussion über das Ende des Amerikanischen Imperiums (und das lateinische Wort „Imperium“ bedeutet auch „Befehl“) in letzter Zeit immer wieder auf, sobald die Rede von Herausforderern wie Al-Kaida oder China ist. Auch die Zeit nach 1989-91, als Deutschland vereinigt wurde und die alte Sowjetunion zerfiel, war eine Zeit für diese Diskussion.

Deshalb erscheinen diese Erzählungen als keineswegs reiner Selbstzweck oder pure Unterhaltung. Vielmehr machen ihre Autoren, allen voran der „gute Doktor“ Asimov Aussagen über das Phänomen des Herrschaftsbereichs und vor allem über das Auftreten der Herrscher. Ob diese Aussagen in den 1950er Jahren, als die USA ihr neues Imperium auf Terra schufen, ebenso gültig waren, wie sie es vielleicht noch heute sind, bedarf einer Untersuchung.

Aber zum Nachdenken regen die Prinzipien und Merkmale, die Imperien aufweisen, immer noch an. Denn die politischen Reiche sind ja längst von wirtschaftlichen Herrschaftsbereichen abgelöst worden: Wer würde es beispielsweise heute noch wagen, Coca-Cola herauszufordern ohne die Gewissheit, in allernächster Zeit aufgekauft zu werden?

|Taschenbuch: 174 Seiten
Originaltitel: Galactic Empires 1/1, 1976
Aus dem US-Englischen von Heinz Nagel|
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