Johnson. Alaya – Moonshine – Stadt der Dunkelheit

_Moonshine_:
Band 1: _Stadt der Dunkelheit_

Heutzutage müssen Vampirromane ganz bestimmte Lesererwartungen erfüllen: Sie müssen in der Alten Welt spielen oder zumindest in New Orleans. Die vampirischen Protagonisten müssen gutaussehend und moralisch sein, während sie mit ihrem Schicksal hadern und nur auf die richtige, wenn auch etwas tapsige, Frau warten, die ihnen ewiges Glück bescheren wird. So gesehen ist Alaya Johnsons Debutroman „Moonshine – Stadt der Dunkelheit“ wirklich erfrischend, denn er hält sich an keines dieser gängigen Klischees.

_Als Setting wählt_ Johnson das New York der 1920er Jahre – mit einigen pikanten Details. Es gibt alles, was man von dieser Periode der amerikanischen Geschichte erwarten würde: Prohibition und Flüsterkneipen, korrupte Politiker und schier endlose Wellen von Einwanderern, Jazz und natürlich auch Charleston. Doch darüber hinaus gibt es in New York haufenweise Vampire und sonstige nicht ganz menschliche Mitbewohner, die kurz unter Andere zusammengefasst werden. Diese sehen sich Vorurteilen und restriktiver Gesetzgebung ausgesetzt, sie werden schlechter bezahlt als Menschen und müssen schlechtere Arbeitsbedingungen hinnehmen. Kurzum, Vampire und Andere sind die klassische Minderheit, die von der herrschenden Klasse unterdrückt und ausgebeutet wird. Und da kommt Zephyr Hollis ins Spiel, ihres Zeichens singende Vampirrechtlerin – ja, wirklich! Zephyr ist ein Gutmensch, wie er im sprichwörtlichen Buche steht. Aufgewachsen in einer Familie von Dämonenjägern hat sie sich irgendwann von diesem blutigem Zeitvertreib abgewandt und sich auf die Seite der Entrechteten geschlagen. Nun fährt sie mit dem Fahrrad kreuz und quer durch New York, unterrichtet Einwanderer in Etiquette und Englisch, arbeitet für den Bürgerrat, fährt für Vampire Blut aus, engagiert sich in über dreißig Wohltätigkeitsorganisationen und schiebt ihr Geld so lange bettelnden Vampiren zu, bis ihre eigenen Taschen leer sind und sie ihre Miete nicht mehr zahlen kann. Das kommt dem Dschinn Amir wiederum gelegen, der ihr Geld bietet, damit sie für ihn Rinaldo ausfindig macht, den mafiösesten Vampirboss der Stadt, von dem allerdings niemand weiß, wo er sich aufhält. Und so macht sich Zephyr mehr schlecht als recht an die Turn Boys, Rinaldos Bande, heran und findet darüber hinaus immer mehr Gefallen am geheimnisvollen Amir.

_Johnson verknüpft also_ einen Krimiplot mit einer Liebesgeschichte, das verspricht gute Unterhaltung und für jeden Geschmack etwas. Was könnte also schief gehen? Abgesehen von der passablen Milieuschilderung leider so einiges. Alaya Johnson bekommt das New York der 20er Jahren durchaus anschaulich hin, wenn sie auch Längen hinter der Atmosphäre von P. N. Elrods [„Vampirdetektiv Jack Fleming“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=432 zurückbleibt (das zehn Jahre später spielt). Das Elend der Einwanderer wird greifbar geschildert – die prekären Jobs und billigen Mietshäuser spielen im Verlauf der Handlung eine durchaus wichtige Rolle. Demgegenüber stehen die schillernden Partys der Upper Class, die sich den illegal importieren Champagner literweise in den Rachen schütten während auf den Straßen Armut und Hunger herrschen. Und das ist auch schon das erste Problem von Alaya Johnsons Roman: Ihre Heldin Zephyr Hollis. Denn anstatt auf ihre Schreibkunst zu vertrauen und den Leser selbst darauf kommen zu lassen, dass die gesellschaftlichen und politischen Zustände in New York unhaltbar sind, benutzt Johnson ständig ihre moralingesäuerte Heldin, um dem Leser unter die Nase zu reiben, dass es schlecht ist, zu tanzen, während andere hungern. Dass es schlecht ist, sich ein Kleid zu kaufen, während zehnköpfige Familien in Einzimmer-Apartments leben. Dass es unverzeihlich ist, im Waldorf Astoria ein Gurkensandwich zu essen (und womöglich auch noch zu genießen) während es auf dieser Welt noch irgendwo Unrecht gibt.

Zephyr ist Sufragette, Gutmensch, Vampirrechtlerin und sogar Vegetarierin – alles in einem. Sie ist der Alptraum eines jeden Genussmenschen – und ist nicht jeder Leser irgendwie auch ein Genussmensch? Dann aber einer Protagonistin folgen zu müssen, die aber auch immer ein Haar in der Suppe findet und in den unpassendsten Augenblicken Slogans aus ihren Flugblättern unter die Leute bringt, das ist schon wirklich anstrengend. Dass es innerhalb der Handlung auch bedeutet, dass man sich als Leser den ständig gleichen Handlungselementen ausgesetzt sieht – Zephyr fährt mit dem Rand durchs schneebedeckte New York, um einen Abendkus zu geben – ist da nur noch die Krönung der Langeweile.

Ebenfalls problematisch ist die Tatsache, dass Alaya Johnson vom Prinzip der Exposition noch nicht wirklich etwas gehört zu haben scheint, denn viele grundsätzliche Fragen zu dem von ihr geschaffenen Universum bleiben offen. Warum beispielsweise gibt es in New York Vampire und Andere? Was ist geschehen, dass sie sich als Bürger frei bewegen dürfen, wann sind sie aus dem Geheimen sozusagen ins Licht der Öffentlichkeit getreten? Was hat den Bruch zwischen Zephyr und ihrer Dämonen jagenden Familie verursacht? Warum schlägt sie sich jetzt auf die Seite der Vampire und das, obwohl es in dem ganzen Buch nicht einen halbwegs netten Vampir gibt? Wofür sich für jemanden einsetzen, der einem hauptsächlich an die Kehle will? Was sind Amirs Motive? Warum hält er sich in der menschlichen Welt auf? Warum besucht er Zephyrs Kurse? Und warum setzt er sie auf Rinaldo an, nur um dann den Rest des Romans damit zu verbringen, sie davon wieder abbringen zu wollen, weil es zu gefährlich ist? „Moonshine“ durchziehen einfach zu viele Ungereimtheiten, als dass man sich wirklich in die Lektüre fallen lassen könnte.

_Man legt das Buch_ mit einer gewissen Ungerührtheit zur Seite, denn obwohl es alle Zutaten für einen spannenden Unterhaltungsroman mitbringt, berühren die Schauplätze, die Charaktere und deren Probleme nie wirklich. Der Krimiplot ist zumeist banal und Johnson muss haarsträubende Zufälle bemühen, um ihn überhaupt voranzutreiben. Die Liebesgeschichte plätschert ebenfalls vor sich hin, da man mit den handelnden Personen kaum warm wird. Und alle Nebencharaktere sind ohnehin so austauschbar, dass man sie kaum auseinanderhalten kann. Damit wird “Moonshine” leider nicht zum Lesevergnügen.

|Broschiert: 425 Seiten
Originaltitel: |Moonshine|
Deutsch von Christiane Meyer
ISBN-13: 978-3426507162|
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