Kalla, Daniel – Immun

An der Westküste Nordamerikas setzt ein Auftragskiller ein tödliches Bakterium frei. Der Mann, der sich Dennis Lyndon Tyler nennt, verschenkt im Drogenmilieu eine todbringende Droge, die zum Ausbruch eines Bakteriums führt, den die Drogensüchtigen in die ansässigen Krankenhäuser schleppen. Als der Familienvater Thomas Mallek wegen eines Sportunfalls in Vancouver in die Notaufnahme kommt, wird er Zeuge, wie der behandelnde Arzt einer jungen Frau ein Abzess aufsticht. Doch der Eiter spritzt dabei so weit, dass auch Mallek davon getroffen wird. Dieser Spritzer Eiter von der kranken Drogensüchtigen wird Malleks Todesurteil sein. Doch auch in anderen Krankenhäusern an der Westküste breitet sich ein Bakterium aus, das auf keine Antibiotikabehandlung anschlägt, da es gegen sämtliche bekannten Medikamente resistent ist.

Zeitgleich bangt Dr. Ellen Horton um die Zulassung ihres neuen Antibiotikums Oraloxin, denn obwohl es sich im Test gegen Bakterien hervorragend behauptet, macht sich die Wissenschaftlerin Sorgen, denn in den Oraloxin-Testreihen sind bereits drei Schimpansen gestorben. Ellen Horton versucht sich aber zu beruhigen, denn die Tiere wurden über lange Zeit mit einer hohen Dosis behandelt, während Menschen Antibiotika jedoch nur über einen kurzen Zeitraum verabreicht bekommen. Dennoch hält Horton den Gewissenskonflikt kaum aus, da sie den Tod der Schimpansen bisher verheimlicht hat. Nur ihre beiden Kollegen und der für Forschung und Entwicklung zuständige Vizepräsident von SeptoMed Luc Martineau wissen von diesen Problem.

In anderen Handlungssträngen lernen wir Dr. Catalina Lopez kennen, die als Epidemiologin beim EIS (Epidemiologischen Informationsdienst für den pazifischen Nordwesten) arbeitet und durch das neue Bakterium bald viel zu tun bekommt, denn sie ist dafür verantwortlich, die Verbreitung des neuen Bakteriums, das bald MRGAS getauft wird, zu vermeiden. Hilfe erhält sie von Dr. Graham Kilburn, der als praktischer Arzt in Vancouver arbeitet und in seiner Funktion als Spezialist für Infektionskrankheiten ins Krankenhaus gerufen wird, als Thomas Mallek im Sterben liegt und auf keine Antibiotikabehandlung anspricht. Aber auch zwei Polizisten sind dem mysteriösen Bakterium und seinem Verbreiter auf der Spur, nachdem nämlich zwei Drogendealer in Portland ermordet aufgefunden werden, die offensichtlich von einem Profi exekutiert worden sind. Langsam aber sicher kommen Seth Cohen und Roman Leetch dem unbekannten Mörder und damit auch dem Bakterium auf der Spur.

In hohem Tempo und mit schnellen Wechseln der Schauplätze erzählt Daniel Kalla seinen neuen Medizinthriller, der nicht minder packend ist als sein Debütroman [„Pandemie“, 2192 der ebenfalls für schlaflose Nächte gesorgt hat. Seine Zutaten für einen spannenden Thriller sind dabei wieder einmal erfolgversprechend: Er nimmt mutige Protagonisten und solche, die etwas zu verbergen haben und ihr dunkles Geheimnis hüten wollen, und mixt aus seinen verschiedenen Handlungssträngen einen packenden Roman, der gut zu unterhalten weiß.

Im Mittelpunkt stehen dieses Mal allerdings so viele Figuren, dass man zunächst einige Schwierigkeiten hat, sich einzulesen und an den unterschiedlichen Handlungsorten zurechtzufinden. Außerdem erschwert die hohe Anzahl handelnder Charaktere die Identifikation, obwohl sich im Laufe des Romans Catalina Lopez und Graham Kilburn als Helden der Geschichte erweisen werden. Die beiden sind es, die – unterstützt durch die beiden Polizisten – dem gefährlichen Bakterium auf die Spur kommen, denn es will nicht nur ein Weg gefunden werden, um die Verbreitung des Bakteriums zu stoppen, sondern auch eine Medikation, die bereits Betroffenen helfen kann. Darüber hinaus liegt lange Zeit im Dunkeln, wer MRGAS durch einen Auftragskiller verbreiten lässt.

Mit fortschreitender Handlung nimmt die Spannung immer mehr zu; wir nähern uns dem Geheimnis um das Bakterium und seine Entstehung und bangen um das Leben unserer Helden, die plötzlich ins Zielfeuer des Killers geraten, als sie nämlich immer mehr Erfolge bei ihren Nachforschungen vorweisen können. Doch hier tauchen schließlich auch die ersten Kritikpunkte auf, die man nicht verschweigen sollte: Recht schnell zeichnet sich nämlich ab, wer ein gesteigertes Interesse daran haben könnte, MRGAS zu verbreiten und damit das Leben unzähliger Menschen in Gefahr zu bringen. Die Spuren, die Daniel Kalla hier für uns und seine Protagonisten auslegt, sind einfach zu offensichtlich und bergen kaum Überraschungen.

Selbstverständlich baut Kalla am Ende noch ein Überraschungsmoment ein, das den Leser noch einmal erstaunen mag, doch mit dieser finalen Wendung handelt Kalla sich allerdings auch einige logische Patzer ein. Denn die Entwicklung seiner Charaktere ist am Ende einfach nicht mehr schlüssig, wenn man diese Wendung mit einbezieht. Wieso nämlich sollte sich jemand so verdammt auffällig und hinterrücks verhalten, wenn er am Ende doch gar nichts zu verbergen hat und vollkommen unschuldig ist? Das ist mir nicht klar geworden und mindert definitiv das Lesevergnügen. Mir wäre es lieber gewesen, wenn Kalla seine Linie beibehalten hätte, auch wenn es dann am Ende eben keine Überraschung mehr gegeben hätte. Doch dann wäre zumindest sein Plot stimmig gewesen. So gelingt ihm jedenfalls nicht die Gratwanderung, die zu einer gelungenen Überraschung hätte führen können. Ganz im Gegenteil, sein Überraschungsmoment sorgt am Ende höchstens für Verärgerung, denn ich persönlich habe mich schon ein wenig veräppelt gefühlt.

So bleibt festzuhalten, dass Daniel Kalla mit „Immun“ zwar wieder ein hochspannender Pageturner gelungen ist, der über weite Strecken gut zu unterhalten weiß, der aber am Ende doch nicht voll überzeugen kann. Kallas Buchende wirkt auf mich unnötig konstruiert und alles andere als stimmig, sodass der Gesamteindruck des Buches darunter zu leiden hat. Wer darüber hinaus auf der Suche nach ausgefeilter Figurenzeichnung und literarischem Hochgenuss ist, der sollte von „Immun“ lieber die Finger lassen, denn Kalla bedient sich in seinem vorliegenden Roman relativ einfacher Figuren, die wenig Profil gewinnen, aber natürlich nicht die unvermeidliche Liebesgeschichte vermissen lassen. Auch sein Schreibstil ist eher schlicht und schnörkellos gehalten – das wiederum sorgt allerdings für einen gelungenen Spannungsbogen. Insgesamt gefällt „Immun“ über weite Strecken ziemlich gut, handelt sich aber gen Ende so viele Minuspunkte ein, dass der vorliegende Medizinthriller leider nicht über das Mittelmaß hinauskommt.

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