Paddy Kampshell – Der Hobbit. Eine unerwartete Reise. Die Welt der Hobbits

Nettes Bilderbuch für HOBBIT-Sucher

Eine Welt – so liebenswert anders: In »Die Welt der Hobbits« werden alle Eigenheiten des besonderen Völkchens mit den großen Füßen und noch größeren Herzen geklärt.

Es gibt mindestens fünf deutsche Begleitbücher zum Film:

„Das Begleitbuch“ erklärt Figuren, Schauplätze und Orte, „Die Geschichte in Fotos“ erzählt mit vielen Fotos nach; „Die Welt der Hobbits“ beschreibt deren Leben und „Das Filmbuch“ schildert die Entstehung des Films. Im Rätsel- und Sammelbuch werden Text, Fotos und Rätsel kombiniert und laden ein zum Versinken in eine Welt, in der garantiert keine Langeweile aufkommt. (Verlagsinfo)

Der „Autor“

Paddy Kampshell ist der Verfasser des Textes.

Inhalt

Dieses hübsch und reich bebilderte Buch zum HOBBIT-Film lässt sich in zwei Hälften aufteilen. Im ersten Teil begegnen wir den Halblingen in ihrer Heimat, in der zweiten Hälfte bewegen wir uns über das Auenland hinaus, zu Freunden und gar schröcklichen Feinden. Merke: Die „Welt“ der Hobbits entspricht ziemlich genau ganz Mittelerde. Deshalb gibt es von dessen Landkarte gleich zwei Abbildungen (S. 1 und S. 16). Doppelt genäht hält besser. Und so findet man das Auenland auch viel besser.

Nach der Frage „Was ist ein Hobbit?“ folgen Beschreibungen, die helfen sollen, Hobbits überhaupt zu erkennen. Dabei dienen Bilbos zwei Darsteller Ian Holm (Bilbo mit 111) und Martin Freeman (Bilbo mit 50) als beste Anschauungsbeispiele. Das finde ich zweifelhaft, denn wie sollte man sonst Hobbitfrauen und -kinder erkennen? Beispiel für ihre Anatomie (haarige Füße!) und Bekleidung weisen sie als ordentliche, aber absonderliche Fußfetischisten aus. So etwas wie Schuhe oder gar Socken kennen sie nicht.

Die Heimat dieses sonderbaren Völkchens (das bekanntlich den besonderen Schutz von König Elessar genießt) ist das Auenland: eine ziemlich grüne gegend ohne jede Art von Industrie oder Maschinerie (die Mühle von Wasserau ist nirgends zu sehen). Offenbar leben diese Öko-Bauern und -Kommunarden noch wie im Mittelalter, allerdings ohne dessen Kriege und Pestilenzen. Glückliches Shire, du hast es besser!

|Beutelsend|

Als herausragendes Exemplar halblingischer Architektur wird uns Beutelsend präsentiert. Dies ist bekanntlich der Smial von Herrn Bilbo Beutlin, einem Privatier und Tagedieb, der von ererbtem Geld lebt und tagein und tagaus Bücher liest – wenn er sie nicht sogar schreibt! Nun ist dieser Smial derartig ausgedehnt, dass er 15 Personen gleichzeitig Platz bietet, und derart gut mit Lebensmitteln bestückt, dass er die Invasion einer Zwergenschar ohne Weiteres zu bewältigen vermag.

Diese Indizien sprechen nicht gerade dafür, dass wir es mit einem durchschnittlichen Feld-, Wald- und Wiesen-Smial zu tun haben, sondern vielmehr mit einer Upper Class Villa, einem wahren Herrensitz von imposanten Ausmaßen.

Das Leben hier soll angeblich „ruhig“ sein, wie am Kalender für April (S. 22) abzulesen sein soll – doch die Zwerge erschienen ja Ende April im Jahr 2941. Angeblich an einem Mittwoch, doch diesen Tag gibt es im fünftägigen Auenlandkalender gar nicht. Hobbitkundler müssen mir mal erklären, welchen Tag Bilbo mit diesem Datum bezeichnete. Die Meinungen gehen doch beträchtlich auseinander.

|Bilbo|

Überhaupt: dieser Bilbo! Wenn er nicht sieben Mahlzeiten am Tag futtert (S. 26+27) und dennoch schlank und rank wie Martin Freeman bleibt, dann ergeht er sich offenbar mit Phantastereien über Drachen, Elben und Prinzessinnen, die es zu retten gilt. Nun ja, das mit der Prinzessin fürs Leben hat nicht geklappt, aber dafür brachte er ja einen Teil des Drachenschatzes vom Einsamen Berg nach Hause – wo gerade sein Mobiliar meistbietend versteigert wurde!

Die Sackheim-Beutlins sind offenbar auch noch sechzig Jahre später eine ständig im Hintergrund lauernde Gefahr, sogar die armen, gierigen Vettern in Bilbos Sippschaft. Dass Bilbo auf dem Titelbild in kragenlosem Hemd und Hosenträgern auftritt, nenne ich ein gelungenes Beispiel für Mimikry: Der Schlossherr gibt sich als Mitglied der Arbeiterklasse aus. Ein leicht durchschaubarer Trick. Nice try, Bilbo. Wir werden dieses Foto in unsere Verbrecherkartei aufnehmen.

|Gandalf, der Eine Ring und der ganze Rest|

Erst setzt der Zauberer Gandalf (S. 40/41) dem relativ (!) unbescholtenen Beutlin allerlei Flausen in den Kopf, dann trickst er ihn auch noch aus, indem er sein Geheimzeichen in die Vordertür kratzt (große Smials wie Beutelsend haben wohl auch eine geheime Hintertür), welches fremdländisches Gesocks anlockt.

Selbst der angesehenste Hobbit kann ob dieser Heimtücke nicht ehrbar bleiben. Bilbo sieht sich veranlasst, einen ellenlangen Vertrag zu unterschreiben, der ihn als „Meisterdieb“ verpflichtet, einen Schatz zu heben. Und dass der Eine Ring ihn in noch mehr Schwierigkeiten brachte, ist hinlänglich bekannt. Dass die Schwarzen Reiter, die 60 Jahre später hinter dem Kleinod her waren, das Auenland heimsuchten, ist unverzeihlich.

|Freunde und Feinde|

Den Zwergentrupp und den Zauberer als „Gute Freunde“ vorzustellen, ist eine Unverschämtheit. Sie haben ihn für einen Zeitarbeitsjob engagiert. Zwar für ein Vierzehntel des Gewinns, aber wenn diesen Anteil ein Drache bewacht, ahnt man schon, dass ein Arbeitskampf inklusive Machtdemonstration und Ausstand vonnöten sein wird. Und so kommt es ja auch (in den letzten Kapiteln des Buches, also im 3. Film).

„Tödliche Feinde“ lernt der Betrachter auf den letzten Seiten kennen, auf deren Bekanntschaft sicherlich dankend verzichtet werden darf. Wer will schon hässlichen Trollen, mutierten Goblins und abartigen Orks die Hand schütteln oder einem Warg ins geifernde Maul blicken? Na, eben.

_Mein Eindruck_

Man merkt schnell: Bilbo Beutlin ist EIGENTLICH ein vorbildlicher Hobbit, aber leider auch ein wenig krank im Kopf. Hand aufs Herz: Wie sonst könnte er sich für die Schatzexpedition eines skrupellosen Zauberers qualifizieren? Vielleicht liegt ihm die Abenteuerlust aber auch in den Genen. Aufs Erbgut kann man ja alles Mögliche schieben, von der Fressgier über die Höhenangst und Hydrophobie. Hobbits meiden Boote, und das hätten sicher auch Frodos unglückselige Eltern beherzigen sollen, bevor sie auf einer Bootsfahrt auf dem Brandywein umkamen.

So ganz werden die Widersprüche im Bild von den Hobbits, das das Buch zu zeichnen versucht, nicht aufgehoben. Aber das war wohl nicht der Zweck des Buches. Es ist wie eine Art bebildertes Märchenbuch, das von phantastischen Wesen erzählt. Es wendet sich an junge Personen beiderlei Geschlechts, die sich ein ganz klein wenig mit den Hobbits und ihrer erfundenen Welt anfreunden wollen. Es gibt ja genügend Games, in eben dieser Welt spielen. Sogar die Jüngsten werden über LEGO damit vertraut gemacht

Schade, dass die Elben ebenso fehlen wie der zweite wichtige Zauberer. Radagasts Auftritt hätte dem relativ (!) guten Ruf Bilbos noch mehr Abbruch getan. Ein ungepflegt aussehender Typ, der ein Vogelnest unter seinem Hut spazierenführt und einen von Karnickeln gezogenen Schlitten fährt, gilt im Auenland nicht gerade als vertrauenerweckend.

Sogar Gandalf, weitaus harmloser aussehend, wurde als „Störer des Friedens“ bezeichnet, wie man sich bestimmt erinnert. Radagast wäre bereits an der Grenze abgewiesen worden, nach eingehender Gesichtskontrolle und Leibesvisitation. Gandalf aber hatte wenigstens eine gute Entschuldigung bzw. Vorwand: Feuerwerk!

Was die Abbildungen von Schmetterlingen und Libellen, die man auf den ersten Seiten sieht, besagen sollen, weiß ich nicht. Sie tauchen später immer wieder auf, meist nur als Dekoration. Es gibt aber die Seite 6, in der ein Buch aufgeschlagen ist, in dessen Text es um Schmetterlinge geht.

_Unterm Strich_

Das Bilderbuch bietet demjenigen, der zum ersten Mal mit Hobbits Bekanntschaft schließen will – via Film, Buch oder Game – einen Überblick mit den nötigsten Infos. Hobbits, Auenland, Beutlin, Beutelsend – das sind die wichtigsten Stationen für den Anfang, um Hobbits zu charakterisieren.

Die zweite Hälfte des Buches ist der Welt da draußen gewidmet, das heißt also Mittelerde. Auf nicht weniger als sechs Seiten stellt das Buch die 13 Zwerge mitsamt ihren Biografien vor. Peter Jackson hat ja bekanntlich auf detaillierten Charakterisierungen und Darstellungen der Zwerge bestanden. Die Filmzuschauer sollen in der Lage sein, jeden Zwerg wiederzuerkennen, als wärs ein alter Bekannter.

Neben dieser geballten Ladung Zwergenpower fallen Gandalf und Gollum kaum auf. Die Feinde werden am Schluss nur noch oberflächlich vorgestellt, wobei Azog ebenso fehlt wie der Drache. Merke: Diese beiden Gestalten hebt sich der Verlag für das nächste Buch auf. Schade fand ich, dass es weder Radagast noch die Elben in diese Bundesliga geschafft haben. Vielleicht ergattert König Thranduil wenigstens in zweiten HOBBIT-Film ein Top-Ranking, wenn es wieder heißt: Der HOBBIT sucht den Superstar.

Wer inhaltliche Tiefe oder eine breitere Darstellung verlangt, sollte zum „Offiziellen Begleitbuch“ von Jude Fisher greifen (und nicht etwa zum „offiziellen Filmbuch“, das eine Art Making-of bietet, s. o.).

|Broschiert: 48 Seiten
Originaltitel: The Hobbit: An Unexpected Journey – World of Hobbits (2012)
Aus dem Englischen von Marcel Bülles
ISBN-13: 978-3608939972|
http://www.klett-cotta.de

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