Kelly, Joe / Sable, Marc – Supergirl – Enthüllungen (100% DC Bd.10)

_Story_

Supergirl sucht vehement ihren Platz im Superhelden-Kosmos der Erde, findet jedoch aufgrund ihrer Vergangenheit keinen echten Anschluss. Bei den Outsiders wird sie lediglich geduldet, vollführt an ihrer Seite jedoch einen schwierigen Einsatz, der auch das Interesse Powerboys weckt, der sich sofort in die junge Superheldin verliebt und ihr auf Schritt und Tritt folgt. Tatsächlich gewinnt der verwegene Schönling ihr Herz und schenkt Supergirl die lange Zeit vermisste Geborgenheit. Als ihr alter Gefährte Boomer jedoch in Schwierigkeiten gerät und ihrer Hilfe bedarf, zeigt Powerboy sein wahres Gesicht und seine kranke Identität.

Derweil wird Kara Zor-El ständig von Visionen ihrer Vergangenheit auf Krypton geplagt. Ihr Vater fordert nach wie vor von ihr, Superman zu töten, weil dieser für die damaligen Eingriffe aus der Phantomzone des Planeten verantwortlich scheint. Supergirl ist hin- und hergerissen zwischen Pflichtgefühl und Emotionen, steht jedoch unter dem Druck, alsbald eine endgültige Entscheidung zu treffen – bevor diese ihr von anderer Seite abgenommen wird …

_Persönlicher Eindruck_

Bereits zum dritten Mal beschäftigt sich die Sonderreihe \“100% DC\“ mit der jungen Superheldin aus dem direkten Umfeld Supermans und erzählt dabei kontinuierlich die Geschichte der gleichnamigen US-Serie chronologisch fort. Der zehnte Band dieser Paperback-Reihe enthält dabei jedoch keine lückenlose Zusammenstellung, sondern die Hefte 11 und 13 bis 17, was ein wenig seltsam anmutet, da dieser Sprung zwischen den Kapiteln zu Beginn der Story auch tatsächlich einige Verständnis- und Orientierungsprobleme hervorruft.

Davon abgesehen ist \“Enthüllungen\“ auch inhaltlich keine durchweg überzeugende Geschichte, wobei gerade die etwas naiv beschriebenen Liebschaften zwischen Supergirl und Powerboy bisweilen säuerlich aufstoßen. Speziell in den diesbezüglichen Episoden innerhalb dieses Sammelbandes bewegt sich Autor Joe Kelly auf echtem Teenie-Niveau, was zwar der adäquaten Altersklasse der Titelheldin entspricht, sprachlich und auch auf die Handlung bezogen indes aber eher peinlich wirkt. Kein Wunder also, dass die Freude groß ist, sobald Supergirl ihren zwischenzeitlichen Herzbuben wieder abschießt und Platz für die eher spannende Geschichte um ihre persönliche Vergangenheitsbewältigung schafft.

Andererseits sind die Aufarbeitung der Kindheitstragödie sowie ihr momentanes Schicksal unnötig komplex geraten; eine Ausnahmeerscheinung im Vergleich zu der simpel gestrickten Handlung in den ersten Kapiteln des Bandes, die nur schwer in Harmonie zu bringen ist. Jedoch wird erst hier der Nährboden für eine actionreiche, grundlegend tiefe Story ausgelegt, deren wahres Potenzial sich aber wohl erst in der Fortsetzung zeigen wird. Nach einigen durchschnittlichen Momenten zu Beginn und dem beachtlichen Finale auf den letzten Seiten hat der Autor in Verbund mit seinem Sidekick Marc Sable nämlich einen verblüffenden Cliffhanger inszeniert, der zu guter Letzt überraschenderweise doch noch Lust auf mehr macht. Rein inhaltlich war an dergleichen nämlich kurzzeitig gar nicht mehr zu denken.

Unterdessen sind die Charakterzeichnungen konträr zur ermüdenden Anfangshandlung ein echtes Prunkstück, wenngleich sich Kelly ebenfalls recht schwertut, Supergirl eine Art Bad-Girl-Image zu verpassen und sie somit in die Reihe derjenigen DC-Figuren einzuordnen, die ebenfalls keiner klaren Seite zugehören. Ob Kara Zor-El jedoch überhaupt dorthin hineingepresst werden kann, muss die Zukunft zeigen; bislang herrscht in dieser Beziehung noch eine gewisse, undurchdringliche Ambivalenz. Zeichnerisch ist \“Enthüllungen\“ überdies ebenfalls makellos, gerade hinsichtlich des Wechsels zwischen Aktualität und der schweren Vergangenheit auf Krypton, der hier sehr stimmungsvoll eingefangen wurde. Schade, dass die Story hier nicht ganzzeitig mithalten kann.

Die zehnte Edition von \“100% DC\“ ist dementsprechend ein ziemlich zwiespältiges Unterfangen, welches sowohl handlungsbezogen in zwei völlig konträre Ebenen gespalten werden muss als auch im Vergleich zwischen illustrativer und geschriebener Kunst eine klare Zweiteilung erfährt. So ist inhaltlich eine Entwicklung zu spüren, die sich erst mit dem rasanten Schlussspurt in befriedigende Gefilde flüchtet, wohingegen der Kontrast zwischen einfacher, gewöhnlicher Sprache und erstklassigen Zeichnungen diesen qualitativen Sprung noch einmal nachhaltig festhält. In den letzten Szenen eröffnet sich aber dennoch das kaum noch vermutete Potenzial der Erzählung und mündet in eine überzeugende Endsequenz, die unverhofft doch noch die Lust auf eine Fortsetzung weckt. In \“Enthüllungen\“ ist ergo zwar bestimmt nicht alles Gold, was glänzt, aber alles in allem erhält der geneigte Leser und Fan wider erster Erwartungen eine ganz ordentliche Geschichte mit interessanten Wendungen und gut ausgeprägten Charakterzeichnungen – mehr, als man nach den einleitenden Kapiteln erwarten durfte!

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