Kinman, Ben (McGrew, Chandler) – Todesfluch

Öfter mal was Neues – Chandler McGrew hat in Deutschland bislang nur handfeste Thriller veröffentlicht, doch mit „Todesfluch“ schlägt er nun eine andere Richtung ein. Damit es nicht zu Verwechslungen kommt, benutzt er dafür das Pseudonym Ben Kinman.

Der Anfang der Geschichte erinnert an einen herkömmlichen Thriller. Die Privatdetektivin Lucy wird von zwei übel aussehenden Männern entführt, die davon reden, sie zum „Boss“ zu bringen. Wer dieser Boss ist, wollen sie ihr jedoch nicht verraten, und die junge Frau bekommt es mit der Angst zu tun. Als das Auto der Kidnapper unerwartet in eine Schießerei mit einer Gruppe von Männern gerät, nutzt sie die Gunst der Stunde und haut ab.

Doch das ist noch nicht alles. Nachdem sie den Vorfall der Polizei gemeldet hat, muss sie die Erfahrung machen, dass diese nicht immer der Freund und Helfer ist: Der Beamte, der sie eigentlich überwachen sollte, versucht sie zu töten. Erneut ist vom „Boss“ die Rede, doch Lucy kann auch dieses Mal fliehen. Eine Gruppe von militärisch aussehenden Männern nimmt sie während ihrer Flucht unter ihre Fittiche, und schon bald merkt sie, dass die Welt auf dem Kopf steht. Denn ihre Verfolger sind mittlerweile keine breitschultrigen Männer mehr, sondern Rothags – riesige, menschenfressende Monster mit gutem Geruchssinn. Aber Lucy stellt fest, dass sich nicht nur ihre Verfolger verändert haben. Auch sie hat sich gewandelt und entdeckt ungeahnte Kräfte in sich …

Zeitgleich macht der Kampfsportler Dylan die unheimliche Erfahrung, dass sich etwas in seinem Haus herumtreibt. Er vermag dessen Existenz zu spüren, ja sogar zu riechen, aber sehen kann er es nicht. Ist es überhaupt da oder wird er mittlerweile einfach verrückt?

Nach dem Tod seiner Frau Bonnie ist sein Leben nicht mehr wie zuvor, und es würde ihn nicht überraschen, wenn er tatsächlich den Verstand verlöre. Zu allem Überfluss verwüstet das „Etwas“ auch noch seine Wohnung – kurz bevor die Polizei bei ihm klingelt, um ihm mitzuteilen, dass die Leiche seiner Frau vom Friedhof entführt wurde. Was hat das zu bedeuten? Und wieso scheint sich die Polizei weniger um Bonnies Leichnam als vielmehr für die Frage, ob die beiden gemeinsame Kinder haben, zu interessieren?

Auch Dylan macht sich schließlich auf, um den unerklärlichen Dingen zu entkommen, und auch er macht die Erfahrung, dass etwas mit der Welt nicht stimmt. Elektrizität funktioniert plötzlich nicht mehr, Menschen verschwinden, das Wetter spielt verrückt. Die Leute, die sich Dylans angenommen haben, als dieser von Rothags verfolgt wurde, scheinen nicht wirklich ob dieser Entwicklungen beunruhigt. Vielmehr hat er das Gefühl, dass sie darauf gewartet haben …

„Todesfluch“ beginnt spannend und weiß diese Spannung über einen langen Zeitraum zu halten. Viele Ereignisse sind unvorhersehbar und die Geschichte ist anfangs dicht und sauber aufgebaut. Sie steigert sich allmählich und die Fragezeichen in den Augen des Lesers werden immer größer. Was passiert als nächstes? Können Dylan und Lucy ihren Gefährten wirklich vertrauen? Geht die Welt unter oder nicht? Der Roman entwickelt Page-Turner-Qualitäten, die zumindest bis zur Mitte des Buches ihren Zweck erfüllen. Selbst die zahlreichen blutgetränkten Actionszenen wirken in diesem Zusammenhang passend. Anschließend kommt es leider zu einigen Längen, die Spannung flacht ab. Ob das dem Leser dann noch gefällt, liegt vermutlich im Auge des Betrachters. Den einen wird die religiös gefärbte Apokalypse überzeugen, die Rezensentin fand es jedoch eher störend, dass Kinman nach dem vielversprechenden Anfang auf solche stereotypen Ereignisse zurückgreift.

Die Personen dagegen überzeugen, auch wenn sie aufgrund des Fokussierung auf die Handlung ein wenig oberflächlich bleiben. Sie besitzen jedoch Ecken und Kanten und sind so authentisch, dass sich der Leser mit ihnen identifizieren kann – jedenfalls mit Lucy und Dylan. Die beiden sind unwissend, was sie sehr menschlich wirken lässt, und keineswegs heldenhaft. Sie stolpern unbedarft in das Weltuntergangsszenario und wissen häufig nicht, was sie glauben und tun sollen. Anders verhält es sich mit ihren jeweiligen Begleitern, die nicht nur wesentlich cooler mit der Situation umgehen, sondern auch mehr Krieger als Menschen sind. Trotzdem schafft es der Autor, ihnen Leben einzuhauchen und sie in bestimmten Situation verletzlich darzustellen.

Der Schreibstil ist handwerklich solide, obwohl er kaum wirkliche Erkennungsmerkmale aufweist. Kinman schreibt ganz in Thrillermanier, also eher kühl und distanziert. Durch seine humorvolle Dialogführung und den Einblick in Gedanken und Gefühle der jeweilig erzählenden Person haucht er seiner Geschichte allerdings Leben ein. Das unterscheidet das Buch angenehm von ähnlich gelagerten Werken, auch wenn es ihm nicht über die Längen in der Handlung hinweghilft.

In der Summe ist „Todesfluch“ eine spannende Geschichte, für die man Interesse mitbringen sollte. Wer Blut, Action und Weltuntergangsszenarien nur wenig abringen kann, der wird sich auch von Ben Kinman nicht davon überzeugen lassen.

http://www.knaur.de

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