Kirstein, Rosemary – Geheimnis des Saumländers, Das (Die Expedition der Steuerfrau 2)

Band 1: [Das magische Juwel 2183

Rowan und Bel haben auf ihrem Weg zu den Staubhöhen die Grenze des Saumlandes erreicht. Das Saumland ist eine äußerst gefährliche Gegend, für eine kleine Gruppe von zweien erst recht. Deshalb wollen die beiden Frauen einen Stamm finden, der bereit ist, sie mitzunehmen. Ein schwieriges Unterfangen, Fremde sind bei den Saumländern wenig erwünscht. Als sie jedoch einem fremden Krieger das Leben retten, wird ihnen endlich Gastrecht gewährt.

Beide Frauen freunden sich rasch mit den Menschen an. Besonders gut versteht Rowan sich mit Fletcher, einem Binnenländer, der als Krieger in den Stamm aufgenommen wurde. Noch weiß sie nicht, dass er Geheimnisse hat, und die meisten sind ziemlich dunkel …

Der Schwerpunkt des zweiten Bandes liegt massiv auf dem Saumland und seinen Bewohnern. Das Bild entsteht vor dem Auge des Lesers auf eine Weise, als würde jemand einen roten Teppich ausrollen. Zuerst die Landschaft mit ihren Pflanzen und Tieren, dann die Saumländer und ihre Kultur. Es ist ein äußerst karges, rauhes Land, durch das Rowan da wandert. Eigentlich können Menschen dort gar nicht leben, denn es wächst nichts, das für Menschen genießbar wäre. Die meisten Pflanzen sind giftig, Wild gibt es keines. Deshalb sind die Stämme Nomaden und leben von ihren Ziegen. Die wiederum ernähren sich mühsam vom Rotgras, was auch nicht wirklich gesund für die Tiere ist. Das Leben im Saumland ist ein ewiger Krieg gegen das Land selbst sowie gegen andere Stämme, vor allem um Weideland. Und auch gegen Kobolde und andere Ungeheuer, die hier vermehrt auftauchen und den Fantasy-Charakterzug des Buches etwas stärker hervorheben.

Dass auf einer solchen Basis keine Hochkultur entstehen kann, ist logisch. Trotzdem sind die sogenannten Barbaren durchaus nicht unzivilisiert. Sie haben ein ein starkes soziales Netz, Arbeitsteilung, Dichtung und Kunst. Und natürlich, wie wir von Bel wissen, ein ausgeprägtes Ehrgefühl. Eine stimmige und auch stimmungsvolle Darstellung eines harten Volkes.

Da Rowan diesmal entgegen ihrer Gewohnheit in einer großen Gruppe reist, tauchen wesentlich mehr Personen auf als bisher. Die Ausarbeitung ist äußerst unterschiedlich von bloßer Erwähnung über ein oder zwei kurze Gespräche bis hin zu immer wieder auftauchend und schließlich wichtig. Die tragenden Charaktere sind auch weiterhin Rowan und Bel.

Neben diesen beiden ist Fletcher entscheidend. Ganz gleich, was geschieht, Fletcher scheint stets damit zu tun zu haben. Entweder ist er persönlich dabei, oder er taucht in irgendeinem Zusammenhang in den Gesprächen mit den Stammesmitgliedern auf. Und mit der Zeit schält sich ein seltsames Bild heraus: An sich ist Fletcher ein gutmütiger Kerl. Er scherzt gerne und begleitet seine Worte mit lebhafter Gestik und Mimik. Bei seinem ersten Auftauchen musste ich an einen Schauspieler denken. Die meisten Angehörigen des Stammes halten ihn, gelinde gesagt, für ziemlich schräg, denn Fletcher hat ein paar seltsame Angewohnheiten. Dazu gehört zum Beispiel, dass er zum Beten das Lager verlässt, um unbeobachtet zu sein. Einige allerdings halten ihn auch für einen Versager, und was die Fechtkunst angeht, trifft das auch durchaus zu. Das Seltsamste allerdings ist, dass er in die unmöglichsten Situationen gerät und über die erstaunlichsten Dinge stolpert, ohne dass ihm je etwas passiert. Der Ausdruck „knapp davonkommen“ ist beinahe schon ein Synonym für ihn.

Ich könnte nicht sagen, dass Fletcher mir unsympatisch gewesen wäre. Er war einfach ein komischer Vogel. Ich weiß nicht mehr, an welcher Stelle mir der Gedanke kam, er könnte ein Verbündeter der Magi sein und wann ich den Gedanken wieder verwarf. Tatsache ist, dass ich unterschwellig ständig damit beschäftigt war herauszufinden, was mit ihm nicht stimmte.

Durch die starke Gewichtung dieser beiden Punkte – die Darstellung des Saumlandes und das Rätsel um Fletcher – geriet die eigentliche Angelegenheit, nämlich die Frage nach dem abgestürzten Leitstern, ziemlich ins Abseits. Sie taucht nur auf, wenn Bel anderen Saumländern gegenüber massiv darauf hinweist, dass das Saumland durch die Magi beziehungsweise Slado bedroht ist, also etwa zweimal. Erst gegen Ende, als sich das Rätsel um Fletcher löst, rückt das eigentliche Rätsel des Zyklus wieder mehr in den Vordergrund. Der Lösung kommt man allerdings kaum näher. Die Andeutung, dass die Magie in Kirsteins Welt ziemlich viel mit Technik zu tun hat, wird jetzt eindeutig; was Slado aber genau bezweckt mit dem, was er tut, ist durchaus nicht so eindeutig, oder zumindest ergibt es keinen Sinn. Was an Antworten hierzu in diesem Band zu holen war, ist bereits recht früh klar und auch recht kärglich, sodass am Ende erneut ein gewisses Gefühl der Enttäuschung zurückbleibt.

Alles in allem entspricht das Niveau dieses Bandes ungefähr dem seines Vorgängers. Das Land und die Kultur der Saumländer sind durchdacht und gelungen, die Fortschritte innerhalb von Rowans Vorhaben dagegen eher mager. Das führte irgendwann zu einem leichten Hänger, an dem ich mich fragte, wann die Autorin wohl mit dem Aufbau ihrer Saumlandkultur fertig wäre und die Handlung sich endlich wieder weiterbewegen würde. Viele Geschehnisse hingen nicht mit dem Grund für Rowans Reise zusammen, sondern mit Fletcher, was gewissermaßen zu einer Handlung innerhalb der Handlung geführt hat. Nun war Fletcher für das Endergebnis des Buches nicht unwichtig, ein wenig Straffung allerdings hätte nicht geschadet.

Ich hoffe also, dass Kirstein im dritten Band ein wenig mehr am eigentlichen Thema bleibt und wenigstens ein paar Informationen über die Magie im Allgemeinen und über die Leitsterne im Besonderen herausrückt, damit der Leser zur Abwechslung mal das Gefühl hat voranzukommen. Allzu große Geheimniskrämerei wirkt frustrierend und nimmt die Lust am Weiterlesen, sofern man nicht gerade an krankhafter Neugier leidet.

Rosemary Kirstein ist Amerikanerin und hat schon in den unterschiedlichsten Berufen gearbeitet. Außerdem ist sie in der Folk-Szene aktiv, spielt Gitarre und singt. Die einzelnen Bände ihres Zyklus |Die Expedition der Steuerfrau| sind mit teilweise erstaunlichem zeitlichem Abstand entstanden. Außer „Das magische Juwel“ ist auf Deutsch bisher nur „Das Geheimnis des Saumländers“ erschienen. Das Erscheinen des dritten Bandes „Der verschwiegene Steuermann“ ist für Mai dieses Jahres geplant, für den vierten Band gibt es noch keine Angaben.

Band 3: [„Der verschwiegene Steuermann“ 2492

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