Klein, Rachel – The Moth Diaries – Die Sehnsucht der Falter

2012 kommt der Film „The Moth Diaries“ in die Kino. Er handelt von einem Mädchen, das auf einem Mädcheninternat lebt, auf dem sich mit der Ankunft einer neuen Schülerin merkwürdige Dinge ereignen. Als Romanvorlage diente Rachel Kleins „The Moth Diaries – Die Sehnsucht der Falter“, ein zuerst 2002 veröffentlichtes Buch, das aber im Gegensatz zum Film in den 60ern oder frühen 70ern spielt.

Die junge Jüdin Rebecca geht auf ein amerikanisches Mädcheninternat und kann das neue Schuljahr und das Wiedersehen mit ihrer besten Freundin Lucy gar nicht erwarten. Doch ihre Freude wird nach einigen Tagen getrübt. Lucy verbringt immer mehr Zeit mit der Neuen in ihrer Klasse, der geheimnisvollen Ernessa, die nie isst, viel raucht und ihr Zimmer nie lüftet. Rebecca ist eifersüchtig auf Ernessa, mit der sie einige Gemeinsamkeiten hat. Zum einen sind beide Jüdinnen, zum anderen haben sie beide ihren Vater verloren, was Ernessa immer wieder gerne erwähnt.

Der Internatsalltag der Mädchen wird jäh unterbrochen, als eine Schülerin, Dora, eines Morgens tot aufgefunden wird. Sie ist vom Dach des Internats gefallen. Alle gehen von einem Unfall aus, aber Rebecca weiß es besser, denn Doras Leiche liegt direkt unter dem Fenster von Ernessa. Dann geschehen weitere mysteriöse Dinge …

_Liest man den Klappentext_ oder Kritiken von „The Moth Diaries“ hat man den Eindruck, es würde sich dabei entweder um eine etwas düsterere Version von „Hanni und Nanni“ oder „noch ein Vampirbuch“ handeln. Damit tut man Rachel Klein allerdings unrecht. Sie hat mit ihrem Roman ein tolles Buch mit jugendlichen Figuren geschrieben, dass auch für Erwachsene sehr interessant ist. Drei Dinge ragen besonders heraus: die Atmosphäre im Buch, die Erzählerin und der subtile Horror, der mit der Zeit immer deutlicher zutage tritt.

Die Geschichte ist nicht als Fließtext verfasst, sondern wird von Rebecca in authentischer Tagebuchform geschrieben. Es gibt längere wie auch kürzere Einträge, Einträge, in denen es nur um ihre Gedanken und Gefühle geht wie auch solche, in denen sie Ereignisse beschreibt. Die Autorin hält diesen Stil bewundernswert durch. Der Leser hat tatsächlich das Gefühl, einem jungen Mädchen beim Tagebuchschreiben über die Schulter zu schauen, anstatt einen Roman in der Hand zu haben. Neben einer sehr subjektiven Erzählperspektive bedeutet das auch, dass Rebecca nicht nur über die eigentliche Handlung schreibt, sondern auch andere Dinge einbringt. Sie berichtet ausführlich über den Internatsalltag, beschreibt Lehrerinnen, den Unterricht bei Mr. Davies, dem einzigen Mann an der Schule, und erzählt immer wieder von den Unterrichtsinhalten, vor allem den Büchern, die sie lesen muss. Die Autorin schafft es, dass Rebeccas Leben sowie die Besonderheiten der damaligen Zeit lebendig werden.

Dies ist die Grundlage für eine außergewöhnliche Erzählerin, die nicht alles bis ins kleinste Detail beschreibt, sondern häufig nur wenige Sätze benutzt und die Lücken vom Leser selbst füllen lässt. Rebecca wirkt sehr naiv, zurückhaltend und ein wenig prüde – Sex und Jungs findet sie (noch) doof. Gleichzeitig vertraut sie sich aber voll und ganz ihrem Tagebuch an, so dass man sie als Leser wirklich sehr genau kennenlernt und dabei merkt, dass mehr hinter ihrer Fassade steckt. Der Selbstmord ihres Vaters beschäftigt sie beispielsweise sehr, genau wie ihre Sorge um Lucy.

Mit der Zeit merkt man allerdings, dass ihre Sicht der Dinge vielleicht nicht unbedingt der Wahrheit entspricht. Je besser man Rebecca kennenlernt, umso instabiler wirkt sie. Rachel Klein lässt es dabei gekonnt im Vagen, ob die Ereignisse sich wirklich so abgespielt haben, wie Rebecca sie berichtet oder ob sie in Ernessa einfach eine Nebenbuhlerin um die Freundschaft mit Lucy sieht. Steigert sie sich nur rein und sieht Dinge, die nicht da sind, oder benimmt sich Ernessa wirklich so merkwürdig, hat Angst vor dem Sonnenlicht und ein Zimmer voller Motten? Dieses geschickte Verwirrspiel lässt den Leser am Ende zwar ratlos zurück, gelungen ist es trotzdem. Man denkt noch eine ganze Weile darüber nach, wer oder was Ernessa jetzt eigentlich ist und was die Autorin genau damit sagen möchte.

_“The Moth Diaries – Die Sehnsucht der Falter“_ ist ein ungewöhnliches Buch, das geschickt mit seinem Leser spielt. Hervorragend geschrieben und aufgebaut überlässt es ihm am Ende selbst, über die Glaubwürdigkeit von Erzählerin Rebecca zu urteilen. Spannend und sehr lesenswert!

|Originaltitel: The Moth Diaries
Deutsch von Susanne Goga-Klinkenberg
312 Seiten, broschiert
ISBN-13: 978-3841421395|
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