Knopp, Guido – Wettlauf zum Südpol, Der: Das größte Abenteuer der Geschichte

Als sich im vergangenen Jahr die Entdeckung des Südpols exakt und genau zum einhundertsten Mal jährte, schien dies in der Wissenschaft lediglich ein Randthema zu bleiben, auch wenn die Verdienste der damaligen ‚Wettkämpfer‘ Roald Amundsen und Robert Falcon Scott insbesondere für die geografische Sparte eine immens große Errungenschaft werden sollte. Guido Knopp, bekannt aus zahlreichen geschichtsträchtigen Dokumentationen, hat diesen Anlass jedoch genutzt, um die einstige Legende noch einmal wiederzubeleben, gleichzeitig aber auch einen modernen Wettbewerb auszuschreiben, bei dem sich zwei Teams aus Österreich ähnlich wie seinerzeit Norweger und Briten darum ’streiten‘ sollten, wer nun tatsächlich als Erstes den südlichsten Punkt des Erdballs erreichen würde. Parallel dazu wurde das Projekt auch in Buchform aufbereitet und liefert neben einigen Szenenbeschreibungen des aktuellen Rennens auch alle essentiellen Details zur vergleichsweise wesentlich beschwerlicheren Mission aus dem Jahr 1911.

Allerdings beschränkt sich der Professor in erster Linie darauf, die wesentlichen Dinge zu analysieren und nicht zwingend Stellung zu den zahlreichen Fehlern zu beziehen, die vor allem die Expedition des britischen Stoßtrupps unter der Führung von Robert Falcon Scott begleitet haben. Zwar deckt Knopp anhand der Tagebucheinträge von Scott und seinen Gefährten immer wieder auf, mit welch leichtsinnigen Trugschlüssen sich die Briten seinerzeit selber das Leben schwer gemacht und ihre Mission schließlich auch in den persönlichen Exitus getrieben haben, allerdings bezieht er in einem Schlusswort noch einmal ganz klar Stellung und warnt davor, sich einer zu einseitigen Darstellung hinzugeben, die ausschließlich den ‚Sieger‘ Amundsen als unfehlbare Instanz der Südpol-Forschung auf den Thron hievt. Denn, das stellt Knopp ganz klar heraus, Scott hatte neben seinen weniger günstigen Entscheidungen auch noch mit einer Reihe ungewöhnlicher Wetterkapriolen und unverhältnismäßig vielen anderen Pechfaktoren zu kämpfen, die nicht nur auf sein schwächer ausgeprägtes Planungsgenie zurückzuführen sind, sondern in der Summe als unglückliche Schicksalsfügung gewertet werden müssen. Und genau diese Neutralität, mit der man dieser Mission in „Der Wettlauf zum Südpol: Das größte Abenteuer der Geschichte“ entgegentritt, macht die hiesige Aufbereitung auch zu einer der sympathischsten zu dieser Materie, ohne dabei bedeutsame Fakten außen vor zu lassen bzw. den wissenschaftlichen Standpunkt zu ignorieren.

Doch bevor man sich überhaupt dem Resultat des damals nicht zwingend als Wettrennen initiierten Schaulaufens von Amundsen und Scott widmet, wird man erst einmal mit der ebenfalls eminent wichtigen Vorgeschichte vertraut gemacht und mit den Ereignissen konfrontiert, die erst dazu führten, dass sich Amundsen und sein britischer Kontrahent auf den Weg zum Südpol machten. Ränke wurden geschmiedet, für die ‚gute Sache‘ gelogen, unzählige Täuschungsmanöver vorgenommen und schließlich doch für beide Parteien unmissverständlich klargestellt, dass es bei dieser Reise nur einen Sieger und einen absoluten Verlierer geben wird. Und Letztgenannter musste diese Niederlage sowie seine zahlreichen Fehler mit dem Leben bezahlen.

_Die Art und Weise_, wie sich Knopp nun diesem Thema nähert, mag vielleicht eine eher massenkompatible sein, jedoch beinhaltet sie schlussendlich all jene Fakten, die für das Verständnis, die Entwicklung der Missionen, das besondere Prestige und vor allem auch für die Wissenschaft von entscheidender Aussagekraft sind. Darüber hinaus zeichnet er nicht nur von den beiden Hauptakteuren ein sehr aufschlussreiches Psychogramm, durchdringt ihr teils sehr depressives Seelenleben (Scott) und analysiert überdies immer wieder die menschliche Seite der beiden Kämpfernaturen. Dabei stellt der Autor auch klar die elementaren Unterschiede zwischen dem treu ergebenen Marine-Kapitän Robert Falcon Scott und dem – so würde man es heute wahrscheinlich beschreiben – fast schon alternativ ausgerichteten Organisationstalent Roald Amundsen heraus. Zwar fuhren beide eine klare Linie, jedoch bewahrte der hart durchgreifende Norweger bis zuletzt seinen Verstand und ließ sich nicht von persönlichen Fehden und Missgunstentscheidungen beeinflussen – und dies sollte am Ende auch ausschlaggebend für den Erfolg sowie die unbeschadete Rückkehr in den Heimathafen sein.

Doch was ist nun mit den Helden von heute? Die Teams, die von Markus Lanz respektive Joey Kelly angeführt wurden, erlebten mit den Hilfsmitteln der heutigen Zeit eine ähnlich beschwerliche Reise, musssten sich aber selbstredend nie Gedanken über ein mögliches Ende im ewigen eis machen. bestens ausgestattet, zur Not von den TV-Teams unterstützt, durchlebten sie dennoch einige Extreme und mussten an die Grenzen der körperlichen und seelischen Belastbarkeit gehen. Inwieweit dies jedoch tatsächlich mit dem vergleichbar ist, was die Vorbilder dieses Wettkampfes leisten mussten, sei definitiv dahingestellt. Denn auch wenn eine ausgesprochen stabile Psyche und eine überdurchschnittliche physische Fitness erforderlich sind, um die immensen Strapazen einer solchen Expedition zu bestehen, so sind die Beweggründe natürlich völlig anders gewesen. Und insofern sollte man den Wettbewerb aus dem Jahr 2011 auch nicht zwingend mit jenem 100 Jahre zuvor vergleichen. Er ist eine Erinnerung und eine Ehrerweisung an Amundsen und Scott, das sicherlich. Aber unterm Strich it er natürlich auch gewissermaßen eine Show für die Medien, die jedoch – und das ist eben das schöne – weder sensationslüstern noch aufgeblasen war und ist, sondern ausschließlich dokumentieren sollte, wie strapaziös ein Reise in den absoluten Süden und die damit verbundenen Bedingungen sein würden. Und die Darstellung dessen ist Guido Knopp wirklich gut gelungen.

Zur Aufteilung des Inhalts sei zum Schluss gesagt, dass die historische Aufarbeitung den Löwenanteil der 336 Seiten verschlingt und es nur gelegentlich kurze Zwischeneinwürfe mit der Darstellung der jüngeren Mission gibt. Hier werden Materialfragen geklärt, die Physis analysiert, ab und zu auch ein Blick auf die Mittel der Technik geworfen und schließlich auch mal ein Wort über die wunderbare Eislandschaft verloren. Diese Strukturierung ist für das Lesevergnügen grundsätzlich von Vorteil; nur hätte man vielleicht beherzigen sollen, dass es nicht viel Sinn macht, ein Kapitel immer wieder mit derartigen Sequenzen zu unterbrechen, da man ständig hin und her blättern muss, um nicht den Faden zu verlieren. An den jeweiligen Enden einer Episode zum Wettkampf Scott vs. Amundsen wäre ebenfalls ausreichend Raum für diese Skizzierungen gewesen.

_Weitere Kritikpunkte sind_ dann aber nicht zu benennen; im Gegenteil: Professor Guido Knopp hat hier einen sehr kurzweiligen Erlebnisbericht mit einem authentischen Bezug zu den legendären Expeditionen aus dem Jahr 1911 geschaffen, der nicht nur einen genauen Überblick über die damaligen Geschehnisse liefert, sondern mehr oder weniger unbewusst auch die Entwicklungen in der Polarforschung anhand der jeweiligen Missionsresultate vor Augen führt. Prädikat: Absolut lesenswert!

|Taschenbuch: 336 Seiten
ISBN-13: 978-3442744503|
http://www.randomhouse.de/btb

_Guido Knopp bei |Buchwurm.info|:_
[„Hitlers Manager“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1239

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