Koontz, Dean – Anbetung, Die

|Ich bin keine Berühmtheit […] Im Grunde genommen bin ich nach den Maßstäben unserer Kultur ein solchen Nichts, dass eine Zeitschrift wie „People“ nicht nur nie einen Artikel über mich bringen wird, sondern man womöglich sogar meinen Versuch zurückweisen würde, sie zu abonnieren, weil die Schwerkraft meiner Nichtberühmtheit ein schwarzes Loch darstellt, das mächtig genug ist, ein gesamtes Verlagshaus in den Abgrund zu saugen.| (Odd Thomas)

_Handlung_

Odd Thomas ist der Koch eines Grillrestaurants im kalifornischen Wüstenkaff Pico Mundo. Sein Leben wäre sehr einfach, wenn er nicht die Geister der Toten sehen würde und dadurch so manch ungeklärtes Verbrechen aufklärte. Doch auch das ist noch nicht alles, denn er sieht nicht nur die Verstorbenen, sondern auch böse Geister: die Bodachs. Diese ernähren sich vom Leid anderer und tauchen immer dort auf, wo ein schlimmer Unfall oder ein grausiges Verbrechen geschehen wird.

So ist Odd schockiert, als ein unsympathischer Kerl im Pico Mundo zu Mittag isst, der von zwei Dutzend Bodachs begleitet wird. Ihm ist sofort klar, dass seinem Städtchen ein Massaker von unglaublichen Ausmaßen bevorsteht und nur er es verhindern kann. Also macht er nicht nur die Polizei auf den Massenmörder in spe aufmerksam, sondern nimmt zusätzlich dessen Verfolgung auf. Was er aber im Haus des unheimlichen Fremden findet, ist schockierend …

_Der Autor_

Dean Koontz wurde 1945 in Pennsylvania geboren und lebt heute mit seiner Frau in Kalifornien. Seine zahlreichen Romane – Thriller und Horrorromane – wurden sämtlich zu internationalen Bestsellern und in über 30 Sprachen übersetzt. Weltweit hat er bislang über 250 Millionen Exemplare verkauft. Seine letzten Veröffentlichungen waren „Der Wächter“, die „Frankenstein“-Reihe und „Die Anbetung“.

_Mein Eindruck_

Als ausgesprochener „Koontz-Vielleser“ habe ich mich bereits seit geraumer Zeit auf das Erscheinen seines neuen Romans „Die Anbetung“ gefreut, und ich muss sagen, meine hohen Ansprüche sind nicht enttäuscht worden. Koontz bedient sich diesmal einer Ich-Perspektive, in welcher der Protagonist Odd Thomas auf die zurückliegenden Ereignisse zurückblickt und seine Handlungen teilweise sehr ironisch kommentiert. Durch seine skurrilen, aber immer irgendwie treffenden Vergleiche erreicht der Autor, dass wirklich der Eindruck entsteht, man würde in einer Art Tagebuch eines zwar intelligenten aber sehr uninteressierten Grillkochs lesen.

Das mag zwar relativ wenig spannend klingen, aber Koontz wäre nicht so erfolgreich, wenn er das Ganze nicht aufpeppen würde. Zum einen trägt der amüsante Schreibstil enorm zum Lesevergnügen bei, woran auch die bereits erwähnten Vergleiche einen großen Anteil haben. Dazu erschafft Koontz eine kaum auszuhaltende Spannung, obwohl man ja eigentlich weiß, dass Odd überleben muss, da er ja das Buch schreibt. Trotzdem fiebert man Seite für Seite mit dem sympathisch verschrobenen Grillkoch auf seiner Mission mit.

Stichwort verschroben: Überhaupt kommt es einem beim Lesen so vor, als würden in Pico Mundo ausschließlich Verrückte wohnen. Neben Odd gibt es da auch noch seine Vermieterin, die Angst davor hat, unsichtbar zu werden, weil sie den Tod ihrer Familie nicht verkraftet hat, die bei den Anschlägen auf das World Trade Center 2001 ums Leben kamen. Des Weiteren gibt es einen 200-Kilo-Literaten namens Little Ozzy, der sechs Finger an einer Hand hat, Odds Chefin kennt jeden Tag im Leben von Elvis Presley auswendig, und der King hat seinen Aufenthaltsort nach seinem Ableben ebenfalls nach Pico Mundo verlegt und freut sich, wenn seine Musik aus dem Radio tönt. Klingt alles ein bisschen überladen? Ist es auch, aber das wirkt sich nicht negativ auf den Lesespaß aus, sondern gibt dem Ganzen eine zusätzliche Würze. Nur: Sollte ich jemals durch Kalifornien fahren und das Schild Pico Mundo sehen, werde ich mir überlegen, ob ich nicht lieber umdrehen sollte … Gut, die Charaktere sind zwar schon sehr verschroben, doch macht sie das auch überdurchschnittlich liebenswert und gibt ihnen einen Hohen Wiedererkennungswert. Man merkt durchgehend, dass sich der Autor nicht mit 08/15-Figuren zufrieden gibt.

Das Einzige, was mich etwas stört, ist, dass recht häufig von den Anschlägen auf das World Trade Center die Rede ist. Da wird Mohammed Atta mit der „Bruderschaft des Bösen“ in Verbindung gebracht und in eine Reihe mit Timothy McVeigh (Oklahoma-City-Bomber) und Charles Manson gestellt. Hier scheint mir eine doch sehr patriotische Sicht der Dinge deutlich durchzudringen, ohne dass vorher differenziert wird. Man könnte fast meinen, man höre George W. Bush über „Die Axe des Bösen“ referieren. Allerdings kann man hier Koontz zugute halten, dass der Text ja in der Ich-Form eines Erzählers geschrieben ist und dieser also die Geschehnisse betrachtet. Mal ganz davon abgesehen, kann man diese Sicht den Amerikanern wohl auch einfach mal zugestehen, da die Anschläge die amerikanische Gesellschaft nachweislich stark traumatisiert haben.

Auch an den für Koontz-Romane typischen unerwarteten Wendungen mangelt es diesem Roman nicht. Ungefähr bei der Hälfte des Buches kommt es zu einem so unerwarteten Break, dass ich völlig entgeistert war. Dass Koontz so etwas auch in seinem zigsten Roman noch erreicht, zeugt von seiner Klasse.

Das setzt sich dann auch fort bis zum Schluss, der mich so aufgewühlt hat, wie es zuvor noch nie ein Buch bewirkt hatte – ganz große Kunst. Noch ein Wort zur Aufmachung des Bandes: Ich weiß zwar nicht, was das Cover zeigen soll und wie das nach Kalifornien passt, aber die Qualität des Einbandes und des Papiers der gebundenen Ausgabe sind gut bis sehr gut und somit sehr zufriedenstellend.

_Fazit_: Solche Bücher kann nur Dean Koontz schreiben: verschrobene Charaktere, große Spannung, unerwartete Wendungen – bei „Die Anbetung“ passt einfach alles. Unbedingte Kaufempfehlung.

http://www.heyne.de

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