_Konstanz: Seenot_
_Zur Story_
Der schweizer Werftbesitzer Urs Stähli hat einen schweren Stand bei der Wasserpolizei, insbesondere der junge Beamte Marcel Steiner vermutet an Bord der Schiffe, die sich dort in Reparatur und im Grenzverkehr des Bodensees befinden, stets Rauschgift und/oder Drogengeld an Bord. Nur beweisen konnte man Stähli nie etwas. So wie dieses Mal, als es um die Freigabe der verdächtigen Yacht eines bekannten russischen Drogenbarons geht. Steiner findet wieder nichts. Die Yacht bekommt wegen einer geringen Motorgeräuschüberschreitung – eigentlich eine Lappalie – dennoch keine Auslaufgenehmigung. Reine Schikane. Inzwischen führen er und Stähli eine Art Privatkrieg. Sein Vorgesetzter und Mentor Reto Flückiger fragt sich langsam, ob Steiner nicht auf Gespensterjagd ist. Er trägt die Entscheidung seines Kollegen jedoch mit.
Nachts werden sie zum Einsatz gerufen, da eine abgefeuerte Notrakete gesichtet wurde. Diese stammt tatsächlich von der am Vormittag ergebnislos gefilzten Yacht, wie sich am nächsten Morgen herausstellt. Stähli hat sich nicht an das Fahrverbot gehalten und ist persönlich mit der fraglichen Yacht illegal ausgelaufen. Die beiden Schweizer Wasserschutzpolizisten können die Quelle des Notsignals im dichten Nebel, trotz Radar, aber nicht ausmachen und brechen nach einiger Zeit die Suche erfolglos ab. Der teure Kahn liegt nun ausgerechnet an der nahen Plattform vor Hauptkommissarin Klara Blums Haus am See, friedlich in der Morgensonne dümpelnd, vertäut. Vom Skipper fehlt allerdings jede Spur, lediglich ein paar versteckte Blutspritzer können die herbeigerufenen, deutschen Kripobeamten entdecken. Offenbar hat hier jemand versucht, einen Tatort zu reinigen.
_Eindrücke_
Im TV gilt das Gespann Blum/Perlmann aus Kons(ch)tanz zurecht zu einem der beliebtesten TATORT-Ermittlungsteams, mit einrechnen kann man auch Innendienst-Kollegin Beck – genannt „Beckchen“ – die das mundartliche Lokalkolorit hauptsächlich beisteuert und natürlich die wuselige Truppe der Kriminaltechniker der „SpuSi“. Das Drehbuch zu dieser Episode stammt von Dorothee Schön, welches Susanne Kraft nun in Romanform ummodelte. Zwei Mädels at Work. Die weibliche Urheberschaft merkt man – beiderseits – anhand von Storystruktur und Erzählweise schon recht deutlich, was durchaus nicht negativ gemeint ist. Es fällt eben halt auf, dass viel gefühlsbetonter (ohnehin generell so was wie ein Markenzeichen des Konstanzer TATORT) vorgegangen wird. Zumal es sich bei „Seenot“ zusätzlich auch noch um einen Schlüsselfall handelt, in welchem eine neue – inzwischen höchst etablierte und kürzlich sogar mit eigenem TATORT-Standort (Luzern) versehene – Figur auftaucht: Reto Flückiger. Hier noch als Einsatzleiter der schweizerischen Wasserpolizei.
Klaras und seine Wege werden sich sporadisch immer wieder kreuzen und ihre Sympathie füreinander wachsen. Davon sind sie in ihrem ersten gemeinsamen Fall zunächst aber erst einmal seemeilenweit entfernt. Hier liegt leider auch ein wenig der Hund begraben, denn im Fernsehfilm scharwenzeln die beiden, trotz ihrer anfänglichen Differenzen, zwar recht offensichtlich auch umeinander herum, doch schaffen es die Darsteller (besonders Eva Mattes) ihren Charakteren einen Schuss Undurchsichtigkeit mitzugeben, was sie über den jeweils anderen wirklich denken. Das macht die Sache ungleich spannender, als im Buch, denn hier erlangt der Leser quasi einen Generalschlüssel zur Gedankenwelt der Figuren. Das nimmt gegenüber der TV-Fassung leider etwas den Drive aus der sich langsam entwickelnden, grenzübergreifenden Arbeits-Beziehung und späteren engen Freundschaft. Perlmann hingegen ist auf den Punkt genau getroffen, wobei auch er darunter leidet, dass die Autorin sein Inneres offen legt, was aber bei ihm nicht so ins Gewicht fällt.
_Fazit_
Eine stilistisch und handwerklich saubere Umsetzung des Drehbuches in Romanform. Die Geschichte selbst ist nicht nur ein Meilenstein der „Konschtanzer“ (Stichwort: Reto Flückiger), sondern auch thematisch einer der besseren TATORTe. Die Geschichte ist facettenreich und bis zum Ende verdammt spannend. Und dort angelangt, wars dann doch wieder mal einer bestimmt nicht: Der Gärtner nämlich. Das bis zur vergleichsweise unerwarteten Lösung des Falles ist das gebotene charakterliche Kontrast- und Interaktionsprogramm Blum-Perlmann-Beckchen nahezu so herzerfrischend, wie in der TV-Vorlage. Aber eben nur fast. Die Dramaturgie eines Buches erfordert andere Stilmittel der Erzählkunst und nicht alle davon können audio-visuelle Eindrücke ersetzen. Nicht weiter tragisch, „Seenot“ kann auch abseits des Bildschirms als solider Kriminalroman überzeugen. Der aufgeschwemmte Rezensentendaumen reckt sich aus der Tiefe des Bodensees nach oben.
|Taschenbuch, 206 Seiten
von Susanne Kraft
nach einem Drehbuch von Dorothee Schön
Emons-Verlag, Mai 2010
ISBN 978-3-89705-663-3|
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