Kuhn, Oliver; Reinwarth, Alexandra; Fröhlich, Axel – große Brocklaus, Die – Das komplett erfundene Lexikon

Wenn man parodiert wird, hat man es irgendwie geschafft. Das trifft nicht nur für Personen zu. In diesem Fall erwischte es das altehrwürdige Brockhaus-Lexikon, welches seit Jahrzehnten eine Institution in seinem Bereich ist. Diese heilige Kuh unter den deutschen Vorzeige-Wissenssammlungen führt das Autoren-Trio Fröhlich/Kuhn/Reinwarth nun frech aufs Eis. Dem Original äußerlich sehr ähnlich, schummelten die drei ein entfremdendes „L“ in den berühmten Namen. Et voilà. „Die große Brocklaus – Das komplett erfundene Lexikon“ erschien 2010 als Leinen gebundenes Hardcover bei |Droemer| – und entgegen dem umfangreichen Vorbild in nur einem einzigen Band, welcher aber immerhin über 400 Seiten umfasst.

_Zum Inhalt_

Bereits der hintere Einband verrät, was den Leser erwartet: „Ein Leben ohne Brocklaus ist möglich, aber witzlos – |Viggo von Besser-Wisser|“ behauptet der gefakte Pressekommentar, wie er auf Büchern inzwischen Usus ist, keck. Dieser Spruch ist unverkennbar eine schlitzohrige Verballhornung des berühmten Loriot-Zitats. Und auch der ebenso frei erfundene „Prof. Roman Tisch“ seines Zeichens „Staatsminister für Kunst und Kultur“, des uns im Inneren immer wieder als Running Gag begegnenden Jux-Staates „Vulgarien“, weiß an gleicher Stelle zu schwärmen: „Wenn Sie Molwanien kennen, dann werden Sie dieses Buch lieben“. Na denn. NB: Witzigerweise ist eben jenem Quatschland übrigens kein eigener Beitrag zuteilgeworden.

Es gibt aber dennoch mehr als genug andere eingestreute Querverweise, und somit zu lachen, denn natürlich ist das Buch aufgebaut wie ein Standard-Lexikon: Mit alphabetischer Sortierung der Stichworte, (s/w) Illustrationen auf jeder Seite, einen Farbtafelteil in der Mitte und erklärenden Anhängen und allem Pipapo. Selbstverständlich, vom Hauptteil des Buches bis hin zu den Appendices, vollkommen aus der Luft gegriffenem Inhalts. Lediglich das Impressum der Mitwirkenden ist zum Teil echt, nämlich exakt im Punkt „Chefredaktion“ – nicht jedoch die Liste der angeblichen Autoren, bei denen es mächtig kalauert. Angebliche Professoren wie ein „Karl Auer“, eine „Martha Hari“, „Heinz Ellmann“ oder spätestens „Tim Buktu“, lassen wohl auch naivere Naturen Lunte riechen, dass jene umfangreiche Liste erstunken und erlogen ist.

Das Werk ist die alleinige Show der drei Autoren, die sich dafür auch nicht zu schade waren, sich – vorwiegend – höchst daselbst in oftmals schräger Maskerade und ebensolchen Posituren ablichten zu lassen, um ihre fiktiven Wissensbeiträge mit entsprechendem Bildmaterial auszustatten. Die Nonsens-Begriffserklärungen und haarsträubenden Personalien haben es dann genauso faustdick in sich, wie das Trio offensichtlich hinter den Ohren. Eine erweiterte Allgemeinbildung ist nicht zwingend Pflicht, erhöht den Lesespaß aber erheblich, da manche Herleitung oder Wortspielerei erst mit entsprechendem (insbesondere Sprach-)Vorwissen erst richtig wirkt und das Zwerchfell mitunter heftig strapaziert. Es lohnt sich definitiv zwischen den Zeilen zu lesen, damit nicht irgendein subtil-linguistischer Gag vielleicht unentdeckt bleibt.

Verständlicherweise läuft man bei einer solchen Parodie auch gern einmal Gefahr, den einen oder anderen Rohrkrepierer zu produzieren. Deren Anzahl hält sich hier in erfreulich engen Grenzen, was selbstredend auch immer stark vom individuellen Leser und dessen Humorverständnis abhängt. Wirklich grobe Plattitüden oder gar plumpe Obszönitäten findet man hingegen überhaupt nicht. Sollte es doch mal unter die Gürtellinie gehen oder es politisch-gesellschaftliche Spitzen geben, so sind diese meist schön feinsinnig verpackt – ein Effekt, der durch die pseudowissenschaftliche Schreibe logischerweise voll unterstützt wird. Auch die Kontinuität bestimmte Termini immer wieder anzutreffen (siehe „Vulgarien“) trägt ihr Scherflein dazu bei, dass das erfundene Lexikon – bei all seiner naturgegebenen Fiktivität – in sich doch recht glaubwürdig daherkommt.

_Fazit_

Die „Brocklaus“ definiert das berühmte |needless knowledge| neu und erhebt es in eine neue Dimension, die des „total needless and faked knowledge“. Was einerseits die Lachmuskeln massiert aber andererseits auch die Frage aufwirft, für wen das Buch denn nun zu empfehlen sei. Immerhin ist die Investition von 20 Euro für ein im Prinzip vollkommen sinnloses (aber nicht sinnfreies) Lexikon kein Sonderangebot. Besitzer der mehrbändigen Original-Enzyklopädie vielleicht, so als abschließendes i-Tüpfelchen, denn die haben offensichtlich Kohle genug – ob’s für Humor auch noch reicht, dürfte sich dann weisen. Unterhaltsam ist das gute Stück allemal, auch wenn man nur wenig praktischen Nutzwert daraus beziehen kann – doch dafür wurde es schließlich auch nicht erdacht.

|Hardcover: 416 Seiten
ISBN 978-3-426-27471-2|
[www.droemer.de]http://www.droemer.de

_Oliver Kuhn bei |Buchwurm.info|:_
[„Arschgeweih – Das wahre Lexikon der Gegenwart“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4162
[„Alles, was ein Mann wissen muss“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6848

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