Lake, Nick – Im Königreich der Kälte

Wem es in unseren Breitengraden im Winter noch zu warm und unweiß ist, der bekommt mit freundlicher Hilfe von Nick Lake und dem |PAN|-Verlag die Möglichkeit, in die eiskalte Antarktis zu reisen, an der Seite einer wunderbaren kleinen Heldin … „Im Königreich der Kälte“ ist das erste Buch des Autors, doch laut Klappentext sollen weitere folgen.

Light Fitzwilliam ist nicht gerade ein normales Mädchen. Ihr Vater ist ein irischer Adliger und ihre Mutter war eine Inuit. Sie selbst ist ein Albino mit schlohweißen Haaren und heller Haut. Sie lebt in Irland in einem großen Schloss, hat einen eigenen Butler und ein Geist wohnt in ihrer Hauswand. Eines Tages verschwindet ihr Vater bei einer seiner Expeditionen in der Antarktis und wird für tot erklärt. Doch Light ist fest davon überzeugt, dass er noch lebt und dass etwas nicht mit rechten Dingen zu geht.

Als sie nach der notdürftigen Beerdigung ihres Vaters (ohne Leiche) einen Waldspaziergang macht, wird sie von einem Mann fast bis nach Hause verfolgt. Sie kann es sich nicht genau erklären, aber sie hatte das Gefühl, dass der Mann nicht menschlich war. Doch Butler, ihr Vormund, zeigt sich unbeeindruckt – bis sie am gleichen Abend von dem Mann in ihrem Schloss angegriffen werden. Ein merkwürdiges Wesen – halb Eisbär, halb Haifisch – rettet sie. Es heißt Tulipak und Butler scheint sein Freund zu sein. Light hat plötzlich das Gefühl, in etwas sehr Merkwürdiges hinein zu rutschen, doch als sie und Butler beschließen, ein Schiff zu kaufen und in die Antarktis zu fahren, um Lights Vater zu suchen, muss sie feststellen, dass alles noch viel seltsamer wird. Alte Göttinnen, grausame Monster und ein kleiner Eskimojunge – in der schneeweißen, eiskalten Einöde wird das junge Mädchen erwachsen und lernt, dass das Leben mehr ist als in einem riesigen Schloss in einem langweiligen irischen Dorf zu wohnen.

Nick Lake hat mit „Im Königreich der Kälte“ ein selten wunderbares Jugendbuch geschrieben, das auch Erwachsene begeistert. Sein Witz, die tollen Hauptfiguren und die zauberhafte Handlung vor schneeglitzernder Kulisse geben der Geschichte etwas ganz Eigenes, das sie von anderen Büchern dieser Art unterscheidet.

In seinem Buch vermengt Lake Legenden und Geschichten der Inuit mit Fantastischem und einer Handlung, die zwar im Alltag spielt, aber trotzdem etwas Magisches hat. Es beginnt mit der Beschreibung von Lights Schlossleben. Sie hat einen eigenen Butler, eine Köchin und ein Rohrpostsystem in ihrer Behausung. Schon an dieser Stelle überschreitet der Autor die Grenze zwischen realistisch und fantastisch und das zieht sich so durch das ganze Buch. Ohne Berührungsängste packt er alles in seine Handlung, was er finden kann. Doch diese Menge an Personen, Wesen, Schauplätzen und Legenden ist nicht zu viel. Im Gegenteil strukturiert der Autor dies so gut, dass eine spannende Geschichte daraus entstanden ist, voller unvorhersehbarer Wendungen und Überraschungen. „Im Königreich der Kälte“ ist ein reinrassiger Abenteuerroman, allerdings erfreulicherweise ohne dabei andere Abenteuerromane zu kopieren.

So bunt wie die Handlung ist auch der Personenkreis. Auch hier verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie. Jede Figur hat ihre Geheimnisse und Besonderheiten, die ihr Tiefe verleihen. Die Geschichte wird aus Lights Perspektive erzählt, weshalb sie auch im Vordergrund steht. Anfangs wirkt sie wie ein normales, etwas langweiliges Mädchen, aber schnell wird klar, dass nicht nur ihre Umstände sie zu etwas Besonderem gemacht haben. Sie ist mutig und altklug, gleichzeitig sehr liebenswert und clever, doch zu allererst ist sie ein junger Mensch, noch mehr Mädchen als junge Frau. Dies weiß Lake sehr gut darzustellen, indem er den Leser durch eine kindlich-naive Brille schauen lässt, die dem Buch eine ganz eigene Note gibt.

Light hat eine recht ungewöhnliche Erziehung erhalten. Weil sie auf der Dorfschule wegen ihrem Aussehen gehänselt wurde, haben ihr Vater und Butler sie zu Hause unterrichtet. Philosophie, fremde Sprachen, Codes und Überlebenstraining – es ist kein Wunder, dass Light bei dieser Masse an unterschiedlichsten Eindrücken ein bisschen altklug wirkt. Vermengt mit ihrer naiven Weltsicht ergibt sich daraus ein wirklich reizvoller Schreibstil, der häufig an die Einfachheit eines Märchens erinnert. Als ob das nicht schon genug wäre, sprühen die Dialoge außerdem nur so vor Humor, Schlagfertigkeit und Skurrilität. Manchmal verleiten sie nur zum Schmunzeln, manchmal aber auch zu lautem Auflachen.

Alles in allem ist „Im Königreich der Kälte“ das perfekte Weihnachtsgeschenk für Groß und Klein. Light tritt mit ihrer spannenden und fantasievollen Reise in die Fußstapfen von Philip Pullmans „Lyra Belacqua“.

|Originaltitel: The Secret Ministry of Snow
Aus dem Englischen von Sabine Reinhardus
381 Seiten, Hardcover
ISBN-13: 978-3426283035|

http://www.pan-verlag.de

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