Mara Lang – Masken – Unter magischer Herrschaft

Diesen Tag hat Ferin jahrelang herbeigesehnt: Endlich erhält sie die Maske, die die hässlichen Merkmale ihrer Rasse verbergen und ihr erlauben wird, sich frei unter den Menschen zu bewegen. Doch bereits nach wenigen Tagen zerfällt die magische Haut zu Staub! Sofort wird Ferin verhaftet …

Mara Lang hat ihre Geschichte mit einer Vielzahl von Charakteren ausgestattet, die aber fast ausnahmslos oberflächlich bleiben.

Ferin als Hauptperson ist die einzige, die so etwas wie Tiefe entwickelt. Sie sehnt sich vor allem nach Freiheit. Gleichzeitig ist sie aber schüchtern, unsicher und unselbständig, ihr fehlt jegliche Eigeninitiative. Daran ist sie nicht allein schuld, denn ihr Freiheitsdrang wurde jahrelang unterdrückt, ihre Fragen so gut wie nie beantwortet. Ferin weiß kaum etwas über das Leben und überhaupt nichts über ihr Volk. Der Verlust der Maske wirft sie deshalb in eine völlig neue, unbekannte Welt.

Martu profitiert davon, dass er eine Seelenverbindung zu Ferin hat, sodass zumindest sein Gefühlsleben einigermaßen deutlich wird. Sein übriger Charakter ist ebenfalls eher oberflächlich dargestellt: Er scheint ziemlich pflichtbewusst, obwohl er gelegentlich wegen Regelübertretungen Ärger mit seinen Vorgesetzten hatte. Und er ist weit gereist und offenbar ziemlich gebildet. Das war’s aber auch schon.

Die meisten anderen Figuren werden hauptsächlich durch ihre besonderen Gaben definiert, allein Jasta und ihr kämpferischer Jähzorn fallen da noch etwas aus dem Rahmen. Besonders enttäuscht war ich vom Antagonisten, denn seine Motivation ist lediglich so grob umrissen, dass damit eigentlich gar nichts erklärt wird. Seine Ansicht, dass das wahre Wesen der Pheytaner quasi tot ist, ist kaum eine ausreichende Begründung dafür, es noch nachdrücklicher zu verfolgen und abzutöten. Stattdessen wird der Leser mit der lapidaren Äußerung abgespeist, dass die wahren Beweggründe des Gegenspielers wohl niemand mehr jemals herausfinden wird. Aus der Sicht der Hauptfigur mag das stimmen, aus Sicht des Lesers finde ich jedoch, dass die Autorin es sich damit zu einfach gemacht hat.

Auch die Ausarbeitung der magischen Fähigkeiten ist eher dürftig. Die Darstellung in Bezug auf die Masken beschränkt sich größtenteils auf ihre Wirkung, die Herstellung fällt quasi völlig unter den Tisch. Ähnliches gilt für Martus Nita, von der man lediglich erfährt, dass sie magische Tore an andere Orte öffnen kann, aber nicht, welche Fähigkeiten sie sonst noch besitzt. Der Stein des pheytanischen Magiers Sobenio sowie die besondere Beziehung mancher Pheytaner – auch Ferins! – zu ihren Tigergefährten werden im Grunde überhaupt nicht beschrieben.

Und was den vielversprechendsten Teil betrifft, nämlich Martus Kultur, wird lediglich seine Vernichtung festgestellt! Ein Volk, das offenbar genug magisches Wissen besaß, um jeden Punkt der Welt mit wenigen Schritten erreichen zu können, muss noch ganz andere Fähigkeiten gehabt haben. Die Autorin jedoch konzentriert sich ganz auf Ferins Kulturkreis und lässt außer der Nita, die unverzichtbar war, um Martus Anwesenheit im Dschungel zu erklären, keinerlei weitere Details zu, die dem magischen Aspekt noch etwas mehr Farbe hätten verleihen können. Was für eine Verschwendung!

Bleibt die Handlung, die sich zunächst mal fast ausschließlich mit Ferin und deren Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt. Das ist zwar ganz ordentlich geraten, da die anderen Charaktere aber so schwach ausgearbeitet sind, war das Ergebnis insgesamt ein wenig mager. Ungefähr in der Mitte des Buches taucht dann Martu auf und bringt die Romantik mit, was die Handlung für die nächsten hundert Seiten trägt, auch wenn ich gelegentlich Lust hatte, Martus Kopf gegen einen Baumstamm zu rammen, weil er sich in Bezug auf Ferin sowas von dämlich anstellt!

Dann wird es zum ersten Mal etwas lebhafter, denn die Rebellen werden angegriffen. Spannung entwickelt sich dabei keine. Ferin hat keinen Überblick über das Gesamtgeschehen, und die Gefahr, in die sie kurzzeitig selbst gerät, ist zu rasch abgehandelt. Außerdem mögen die Pheytaner gute Kämpfer sein, aber sie sind schlechte Strategen. Der Korral für ihre Pferde liegt am |Rand| des Dschungels, |vor| den Bäumen! Warum stellen sie nicht gleich einen Wegweiser auf: „Zum Rebellencamp“ …?!

Immerhin bewirkt der Angriff, dass sie die Initiative ergreifen. Leider häufen sich ab diesem Zeitpunkt die Ungereimtheiten. Ausgerechnet ein Phyetaner aus dem Dschungel hat von einem Geheimgang hinter einem der Spiegel am Rande des Maskenbeckens gehört? Und dann gelingt es einer Truppe von fast vierzig Leuten, unbemerkt durch die ganze Stadt zum Spiegelsaal zu gelangen, obwohl wegen der Ausgangssperre überall patrouilliert wird und der Gegner sogar bereits gewarnt ist? Der Fluch, den ein Magier über andere verhängt hat, löst sich beim Tod des Magiers auf, seine Verwandlungszauber aber nicht?

Besonders ungeschickt fand ich die Sache mit Miloh. Der Mann hat mit einer kurzen Ausnahme fast sein gesamtes Leben in einer Höhle verbracht. Und dann genügen zwei oder drei Sätze von völlig Unbekannten, um seine Ansichten über das zu ändern, was seine Lebensaufgabe war? Die könnten ihm alle möglichen Lügen erzählen, und er fragt nicht mal nach? Tut mir leid, aber das ging mir einfach zu glatt, genau wie die Verhandlungen mit der Königin. Das wirkt, als hätte die Autorin keine Lust gehabt, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie die Situation, die sie heraufbeschworen hat, sich aller Wahrscheinlichkeit nach weiterentwickeln würde. Stattdessen hat sie einfach eine Entwicklung statuiert, die ihr wünschenswert erschien, und damit dem Ende ihrer Geschichte den Anstrich eines blauäugigen Blicks in rosarote Wolken verpasst.

Das gilt auch für Ferins persönliche Situation. Das Schicksal ihres Freundes Rhys hätte das vermeiden können, aber dann hat Martu auf eine Weise reagiert, die doch noch rosa Farbe ausgekippt hat.

_Unterm Strich_ muss ich sagen, ich bin enttäuscht. Die Idee der Masken war neu und bot Stoff für eine wirklich gute Geschichte. Und Ferins Entwicklung vom fremdbestimmten, naiven Kind zur selbstbewussten Frau war auch gar nicht so schlecht. Selbst ihre Seelenverbundenheit mit Martu hat mir gut gefallen, wenngleich ich mir für eine so wichtige Person wie ihn etwas mehr persönliches Profil und etwas mehr eigenen Hintergrund gewünscht hätte. Die Handlung drumherum aber war großteils schlecht durchdacht, an vielen Stellen zu vorhersehbar und zu keiner Zeit wirklich spannen, was auch an dem schwachen Antagonisten lag, dessen Beweggründe nicht wirklich nachvollziehbar waren. Selbst der Showdown zeichnete sich mehr durch chaotisches Gerenne und viel Blut als durch Spannung aus, und auch hier fanden sich logische Fehler. Die Auflösung war in ihrer idealisierten Unkompliziertheit dann schon fast kitschig.
Ich bin durchaus dafür, Geschichten zu erzählen, die vor allem von Charakteren handeln. Das heißt aber nicht, dass die Ereignisse, in deren Kontext die Charaktere stehen und handeln, nicht auch etwas hergeben dürfen. Daran muss die Autorin meiner Meinung nach noch arbeiten.

Mara Lang stammt aus Wien und schrieb schon in ihrer Jugend. Ursprünglich wollte sie Regisseurin werden, um ihre Phantasie in Bilder umzusetzen, studierte dann aber doch Pädagogik und blieb letztlich beim Schreiben. „Masken“ ist ihr Debütroman, außerdem hat sie Kurzgeschichten zu zwei Anthologien beigetragen.

Broschiert 602 Seiten
ISBN-13: 978-3426510094
www.mara-lang.com
www.droemer-knaur.de