Lanzing, Kevin – Take Judo

_Kraken-Catchen auf dem Schachbrett_

‚The Timeless Sport Of Octopus Wrestling‘ – vielleicht ein seltsamer Untertitel für ein Strategiespiel, dessen thematischer Aufhänger nur insofern witzig ist, dass die Rahmengeschichte sich mit dem Ringkampf zweier oder vierer befeindeter Kraken beschäftigt. In „Take Judo“ steigen sie zusammen in einen schachbrettartigen Ring und versuchen jeweils, ihre Kontrahenten zugunfähig zu machen und ihre Arme von der direkten Verbindung zum restlichen Körper zu trennen. Seltsam? Auf jeden Fall …

_Spielidee_

In „Take Judo“ stehen sich zwei konkurrierende Kraken bzw. ein Team aus jeweils zwei Kraken auf einem 8 x 8 bzw. (im 4-Spieler-Modus) 10 x 10 Quadrate großen Feld gegenüber. Jeder Spieler erhält eine 2 x 2 Felder große Krakenfigur und jeweils acht Kraken, deren Basis jeweils auf einem Feld des Spielbrettes Platz findet. Bei der Startaufstellung positioniert man seinen Kraken nun jeweils in die Mitte der Randleiste des verwendeten Spielbretts, also quasi auf den Positionen von König und Dame auf dem Schachbrett. Nun wird diese Figur von ihren acht Armen regelrecht umzingelt, so dass sich von der einen Randseite zur anderen ein Halbkreis um den Kraken bildet. Bei zwei Spielern stehen sich die beiden Krakenaufstellungen gegenüber, bei vier Teilnehmern hingegen sind die Teams in einer gegenüberliegenden Position, nutzen aber alle Randflächen des Spielbretts.

Ziel des Spiels ist es nun, die gegnerische(n) Krake(n) insofern unschädlich zu machen, dass keine direkte Verbindung mehr zwischen allen Armteilen und der Krake bestehen. Hierzu ist es erforderlich, direkte Verbindungslinien zwischen den unterschiedlichen Elementen zu blockieren, indem man zum Beispiel seine eigene Figur zwischen Krake und Arm des Gegners bringt oder aber diesen dazu zwingt, sich quasi selber zu behindern, indem er eine eigene Armfigur zwischen Krake und einen zweiten Arm stellt.

Die Zugmöglichkeiten sind dabei vergleichbar mit den Handlungsalternativen einer Dame im klassischen Schach. Man darf diagonal, vertikal und horizontal unbegrenzt weit ziehen, allerdings natürlich nicht durch gegnerische oder eigene Figuren hindurch. Eine Einschränkung besteht diesbezüglich vor allem für die voluminösere Krakenfigur, die aufgrund ihrer verhältnismäßig großen Basis nicht jede Lücke nutzen kann.

Gezogen wird indes immer abwechselnd, wobei all diejenigen Figuren, die nicht mehr über besagte Verbindung verfügen, stillgelegt sind. Das Spiel ist bei zwei Spielern sofort zu Ende, wenn alle Arme vom Kraken abgetrennt sind und regungslos auf ihren Positionen verharren müssen. Bei vier Spielern ist ein Team erst dann geschlagen, wenn alle Elemente ihrer beiden Spielfarben ausgeschaltet sind.

_Spielmaterial_

Das Spielmaterial zu „Take Judo“ besteht aus vier hölzernen Puzzlestücken, die zu einem quadratischen Spielplan zusammengefügt werden, jeweils neun Spielfiguren (acht Arme und ein Krake) in den vier Spielfarben und natürlich der Spielanleitung. All dies wird in einem kleinen Holzkästchen aufbewahrt und ist dementsprechend schnell verstaut. Allerdings ist die Verarbeitung doch eher mäßig bis schwach, gerade was die Konstellation der Puzzlestücke betrifft, die sich bei kleinsten Bewegungen immer wieder lösen und für unfreiwillige Unterbrechungen sorgen. Auch die Spielfiguren sind ein wenig halbherzig konstruiert worden; die Farben haben schon nach dem Transport einzelne Schäden, das Handling ist auf dem sehr kleinen Spielfeld ebenfalls nicht wirklich angenehm, besonders wenn alle 36 Spielsteine im Einsatz sind. Bei einem fast schon unverschämt hohen Preis von 30 $ bzw. 33 $ (für den europäischen Markt) muss hier einfach echte Qualitätsware geliefert werden – wird sie aber nicht!

_Persönlicher Eindruck des Spiels_

Unter der Vielzahl der Schach-Abarten und –Varianten ist „Take Judo“ derzeit eine der interessantesten, vor allem was die durchweg strategische Konzipierung betrifft. Jeder Spieler ist von Beginn an mit den gleichen Möglichkeiten ausgestattet, so dass der gesamte Ablauf ausschließlich auf dem eigenen taktischen Vorgehen basiert, man für diesbezügliche Fehler dann aber auch sofort die Konsequenzen tragen muss. Schach lässt grüßen! Allerdings muss ich eingestehen, dass ich schon meine Befürchtungen hatte, das Spiel würde etwas langatmig werden, weil es grundlegend den Eindruck macht, die Finalsituation würde so schnell nicht eintreten. Man mag jedoch gar nicht glauben, wie schnell man sich selbst matt setzt bzw. in diese missliche Lage gebracht wurde, nur weil man eine oder zwei Figuren leichtsinnig ein Feld zu weit oder zu kurz geschoben hat. Bedingt dadurch, dass man Fehler nicht unmittelbar ausgleichen kann, indem man einen vorherigen Zug in der nächsten Bewegung wieder rückgängig macht, ist somit eine unerwartete Dynamik im Spiel, die vor allem die ersten Runden zu einem kurzweiligen, spannenden Vergnügen macht. Andererseits ist die Fortgeschrittenen-Variante nicht minder reizvoll, denn sobald man alle Tücken des Spiels kennt und sich vorsichtiger über das Spiel bewegt, steigt die Spannung ein weiteres Mal. Der Gegner ist besser geschult und der Schwierigkeitsgrad unverhältnismäßig größer, wobei dennoch jeder Zug verheerende Auswirkungen haben kann. Ganz zu schweigen vom ungleich komplexeren Spiel zu viert, welches zwar anfangs (und vor allem auch wegen der schwachen farblichen Trennung) etwas unübersichtlich ist, letzten Endes aber richtig viel Spaß macht. Gerade Planer und Strategen kommen hier voll auf ihre Kosten – wie im Übrigen in „Take Judo“ im Allgemeinen.

_Fazit_

„Take Judo“ ist ein feines, interessantes Strategiespiel und trotz des simplen Spielprinzips von enormer Tiefe. Dass das Spiel höchstwahrscheinlich dennoch die hiesigen Tische kaum erreichen wird, ist am indiskutablen Bezugspreis sowie den besonders deswegen qualitativ unterdurchschnittlichen Spielmaterialien festzumachen. Man mag zwar mit den begrenzten Mitteln eines Kleinverlags argumentieren, doch auch diesbezüglich gibt es auf Seiten des Konsumenten eine Toleranzgrenze, die hier deutlich überschritten wird. Schade ist es um die gute Idee, die hier wahrscheinlich untergeht bzw. nie die entsprechende Zielgruppe erreicht. Aber bei einem Endverbraucherpreis von rund 30 €uro für den europäischen Interessenten scheint dieses prinzipiell gute Spiel kaum mehr diskussionswürdig.

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