Lem, Stanislaw – Unbesiegbare, Der

Der „Unbesiegbare“ ist ein schwerer Raumkreuzer, der Nachforschungen über das Schicksal seines Schwesterschiffs „Kondor“ anstellen soll, das auf Regis III, einem Planeten im Sternbild der Leier, verschollen ist.

Kommandant Horpach und sein Stellvertreter Rohan finden den „Kondor“, stehen jedoch vor einem Rätsel: Es gibt keine Überlebenden, obwohl genügend Lebensmittel, Wasser- und Sauerstoffvorräte für Monate vorhanden gewesen wären. Das Raumschiff selbst ist weitgehend unversehrt, die Innenräume sind jedoch ein totales Chaos. Es stellt sich heraus, dass die Besatzung ohne Kampf an einem vollständigen Gedächtnisverlust und der daraus folgenden Hilflosigkeit zugrunde gegangen ist.

Dabei scheint es auf Regis III weder feindliche Flora noch Fauna zu geben, es gibt einfach keinerlei höher entwickelte Lebewesen an Land. Die Meerestiere flüchten völlig untypisch vor den Sonden, die man in die Tiefe schickt, auch sind die Uferregionen, in denen normalerweise höheres Leben entsteht, bar jeglichen Lebens.

Schließlich entdeckt man eine „Wolke“ aus flexiblen, kleinen metallischen Roboter-Fliegen, die sich zu Einheiten variabler Größe zusammenschließen und mittels enorm starker magnetischer Felder Gehirne und Rechenanlagen funktionsunfähig machen beziehungsweise „löschen“ können. Eine Kommunikation mit der bald als „Nekrosphäre“ bezeichneten Roboterspezies erweist sich als unmöglich. Der „Unbesiegbare“ beginnt einen erfolglosen Kampf; obwohl die Mannschaft aus hochqualifizierten Wissenschaftlern besteht und zahllose mächtige Waffen wie der „Zyklop“, ein nahezu unzerstörbarer Kampfroboter, zur Verfügung stehen, wird die Besatzung von den primitiven Maschinen dezimiert und in die Defensive gedrängt. Als die Niederlage des „Unbesiegbaren“ abzusehen ist, versucht Rohan verzweifelt im Alleingang noch einige vermisste Besatzungsmitglieder zu retten.

_Der Autor_

Stanislaw Lem (1921 – 2006) war ein bekannter polnischer Philosoph, Essayist und vor allem Science-Fiction-Autor. Seine Bücher wurden bisher in 57 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 45 Millionen Exemplaren. Sein Roman „Solaris“ wurde 1967 von Andrei Tarkowski und 2002 von Steven Soderbergh mit George Clooney verfilmt, Lem hielt nach Angaben der FAZ von beiden Verfilmungen jedoch nichts.

_Dumme Maschinen gegen schlaue Militärwissenschaftler_

Lem beschreibt eine paradoxe Situation. Die zahllosen Wissenschaftler an Bord des „Unbesiegbaren“ müssen erkennen, dass der „Feind“ eine tote Lebensform ist, simple, primitive Maschinen, Reste des Maschinenparks einer untergegangenen Zivilisation. Die Roboterfliegen besitzen keine herausragenden intellektuellen Fähigkeiten, sie sind einfach strukturiert und zeichnen sich durch ihre Flexibilität aus. Man ist sich nicht einmal sicher, ob sie zusammengeschlossen über eine Art Bewusstsein verfügen, ihre Intelligenz kann jedoch auch dann nicht groß sein, denn sie greifen den „Unbesiegbaren“ oft auf von vornherein aussichtslose Weise an und reagieren viel mehr, als dass sie agieren.

Dennoch hat diese flexible, verteilte Intelligenz die intellektuell hoch überlegenen Makro-Roboter damals ausgelöscht und ebenso die Besatzung des „Kondor“ besiegt. Interessant ist, dass die Besatzung des „Unbesiegbaren“ zahllose hochspezialisierte Roboter zur Verfügung hat, die alle niederen oder spezielle Tätigkeiten übernehmen. Obwohl das Raumschiff ein militärischer Kreuzer ist, scheint jedes der 83 Besatzungsmitglieder ein Wissenschaftler zu sein, von Biologen, Chemikern, Physikern bis hin zum Astrogator Horpach, der gleichzeitig der Kommandant ist. Einzig Rohan wird stets nur mit seinem vermutlichen Vornamen Rohan angesprochen, alle anderen Besatzungsmitglieder werden ihrer Tätigkeit gemäß als „Chefingenieur“, „Kartograph“ oder mit ihren Nachnamen bezeichnet. Sie sind ebenso wie ihre Maschinen weit höher entwickelt und spezialisierter als die Roboterfliegen, auf der Leiter der Evolution sollten sie weit höher stehen.

Ihre Vorgehensweise gleicht jener der höher entwickelten Maschinen, die jedoch bereits von den Roboterfliegen vernichtet wurden. So scheitert auch der Einsatz des mächtigen „Zyklopen“; trotz der Steuerung durch überlegene Intelligenzen und überlegene Ausstattung scheitert er an den Fliegen, die schon vor langer Zeit Methoden entwickelt haben, sich gegen solche Bedrohungen zu behaupten.

Die Besatzung des „Unbesiegbaren“ nimmt die Roboterfliegen als Gegner wahr, obwohl sie als Roboterwesen faktisch tot sind; nur eine Minderheit schlägt vor, sie eher als eine Art Naturgewalt zu betrachten. Der Kampf gegen die Roboterfliegen wird so sinnlos wie der Kampf gegen Naturgewalten, die man nur gelegentlich in ihre Schranken verweisen, aber niemals besiegen kann.

Diese Erkenntnis trifft Rohan auf seiner Rettungsmission: |“(…) er fühlte sich überflüssig in diesem Reich des vollendeten Todes, in dem nur tote Formen siegreich hatten überdauern können, um geheimnisvolle Vorgänge zu vollziehen, die nie ein lebendes Wesen erblicken sollte. Nicht entsetzt, sondern benommen und voller Bewunderung hatte er das miterlebt, was kurz zuvor geschehen war. Er wusste, dass kein Wissenschaftler fähig sein würde, seine Empfindungen zu teilen (…) Nicht überall ist alles für uns bestimmt, dachte er, als er gemächlich abwärts stieg.“|

_Fazit:_

Der Roman thematisiert die Problematik der nahezu unmöglichen Kommunikation mit einer Spezies, die eine vollkommen andere Interpretationsbasis als der Mensch besitzt, und die Frage, warum diese geradezu dazu verdammt ist zu scheitern. Ebenso ist er ein Experiment, das zeigt, dass nicht unbedingt eine hoch entwickelte und ebenso hoch spezialisierte intelligente Lebensform die Krone der Schöpfung darstellen muss. Technologie beziehungsweise Maschinen wird zudem ein Platz in der Evolution eingeräumt, der gewöhnlich nur biologischen Lebensformen zugestanden wird.

Der 1964 entstandene Roman liegt bei |Suhrkamp| mittlerweile in der 8. Auflage vor. Der exzellenten Übersetzung von 1967 merkt man jedoch ihr Alter an, ebenso ist es bedauerlich, dass einige Fehler („auf maximale Feuerkraft herunterschalten“, das Wort „Annihilation“ wird oft im falschen Kontext gebraucht) bislang nicht verbessert wurden. Wenn Elektromotoren den Widerstand von eingetrocknetem Schmieröl überwinden und hermetisch verpackte Karten in ihren Rollen (Sternenkarten in Form von Folien!) unruhig in den Kartenräumen schaukeln, erkennt man das Alter deutlich und kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Die Themen sind jedoch intelligent und nach wie vor aktuell. Zudem ist der Roman spannend, unterhaltsam, packend und nachdenklich stimmend. In nur 227 Seiten bringt Stanislaw Lem mehr Inhalt und mehr Unterhaltung unter als einige seiner heutigen Kollegen in ganzen Zyklen.

Wikipedia über Stanislaw Lem:
http://de.wikipedia.org/wiki/Stanislaw__Lem

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