James Long – Ring der Zeit

Ewiges Leben, ewige Liebe (mit Hindernissen)

Schreckliche Alpträume plagen die junge Gally. Erst als sie mit ihrem Ehemann Mike aufs Land zieht, findet sie nicht nur Ruhe, sondern sogar ihr Traumhaus: ein charmantes, aber völlig verfallenes Cottage. Gally überzeugt Mike, zu bleiben, auch wenn ein verwirrter, alter Mann immerzu um das Haus streicht. Es ist Ferney, ein alter Mann und Sonderling, zu dem Gally jedoch rasch Vertrauen fasst. Sie meint, ihn schon seit Jahren zu kennen – doch tatsächlich verbindet sie ein Band, das mehr als ein Leben umfasst. (Verlagsinfo)


Der Autor

James Long arbeitete als BBC-Korrespondent, bevor er sich der Schriftstellerei widmete. Mit seinem exzellent recherchierten Roman „Ring der Zeit“, an dem er 20 Jahre lang schrieb, feierte Long in Deutschland sein Debüt. Long lebt mit seiner Familie in Devon.

Handlung

Alte englische Landhäuser sind eine Leidenschaft von Gally: Cottages erzählen geheimnisvolle Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Auf der Suche nach einer Bleibe findet die junge Frau in dem kleinen westenglischen Ort Penselwood ein Landhaus, in das sie sich sofort verguckt: uralt und verfallen zwar, aber höchst romantisch.

Ihr Mann Mike, ein Historiker aus London, ist zunächst nicht sonderlich angetan von dem baufälligen Gemäuer, aber da er seiner Frau keinen Wunsch abschlagen kann, stimmt er dem Kauf letzten Endes zu. Er setzt nämlich alles daran, die seelische Heilung gallys zu unterstützen: Gally hatte im Alter von zehn Jahren ihren Vater bei einem schrecklichen Autounfall verloren und fühlt sich deshalb immer noch schuldig. Grauenhafte Albträume verfolgen sie. Mike würde alles tun, um Gally wieder lachen sehen zu können. Mit großem Schwung macht sie sich an die Renovierung des Cottages und erkundet die Umgebung.

Das Paar lernt den 83-jährigen Sonderling Ferney kennen, der ihnen sehr viel über das alte Haus erzählen kann. Er lebte selbst 60 Jahre lang darin, wohnt nun aber in einem modernen Bungalow in Penselwood. Besonders Gally fühlt sich zu dem Alten hingezogen: Er setzt ihr einen Blütenkranz aufs Haupt und erzählt ihr viel aus seinem Leben und über die Gegend, in die sie gezogen ist.

Ferney erzählt ihr unter anderem von Ereignissen aus längst vergangener Zeit, etwa aus dem siebten Jahrhundert, als die Sachsen die Briten verdrängten. Diese Erzählungen wühlen sie auf und scheinen eigene Erinnerungen in ihr zu wecken, die sie zuvor gar nicht kannte. Ein unglaublich starkes Band scheint sie mit ihm zu verbinden, dessen Bedeutung er ihr nur ganz sachte enthüllt.

Und so nimmt er sie beispielsweise auf eine Art Zeitreise durch die Jahrhunderte mit, bis sie sich eingestehen muss: Ferney und Gally sind schon immer ein Paar gewesen, immer in Penselwood, schon seit jenem schrecklichen Tag, als sie beide, ein britisches Mädchen und ein sächsischer Jüngling, am Lebensstein neben dem Haus getötet wurden.

Gally gelingt es nach wenigen Wochen, selbst in die Zeit ihrer Erinnerungen zu wechseln. Daraus ergeben sich heitere Momente – etwa durch „Doppelbelichtungen“ – , aber auch gefährliche: Eines Tages verstrickt sie sich sehr in ihre Erinnerung, dass sie hilflos im Straßengraben liegend aufgelesen wird und nach Hause gebracht werden muss. Denn die Zeiten, sie waren kaum jemals friedlich, schon gar nicht gegenüber Sonderlingen wie Ferney und Gally, die sogar einmal im Inzest miteinander lebten.

Während sich Gallys Zuneigung zu ihrem ewigen geliebten Ferney vertieft, weitet sich natürlich zugleich die Kluft zu ihrem Ehemann. Mike wird durch Gallys unvorsichtig geäußerte Erinnerungen misstrauisch, aufgrund der offenen Zuneigung zwischen ihr und Ferney entwickelt er sogar offene Eifersucht. Wer könnte es ihm verübeln? Er hatte sich ein Refugium auf dem Lande, ausgestattet mit einem liebenden Weib, gewünscht und findet nun einen dirty old man vor, der ihm die Frau ausspannt.

Doch unterdessen sieht Ferney seinem Krebstod entgegen, und Mike entwickelt so etwas wie besorgtes Mitleid. Durch die Erinnerungen kann Gally ihre Albträume ergründen und sich von ihnen befreien. Während die schwangere Gally der Geburt ihres Kindes entgegensieht, muss sie sich überlegen, wie die nächste Seelenwanderung aussehen soll. Denn nichts ist so einfach, wie es aussieht, und häufig wartet eine Überraschung am Ende. So auch diesmal. (Ein Schelm also, wer den Schluss zuerst liest!)

Mein Eindruck

Sicherlich fühlt sich so mancher Leser an Diana Galbaldons Highlander-Saga erinnert, in der ja auch eine junge moderne Frau in vergangene Tage versetzt wird, nämlich ins Schottland des 18. Jahrhunderts. Auch die Sage vom Ewigen Juden Ahasver könnte einem einfallen. Doch „Ring der Zeit“ ist sowohl romantischer und bewegender als Ahasvers Schicksal, bei dem ja Seelenwanderung keine Rolle spielt, und tiefer gehend als Gabaldons Storys, da Ferney und Gally fast die gesamte Vergangenheit der Gegend um Penselwood durchmessen. Hier zahlt sich die Recherchearbeit des Journalisten Long hervorragend aus. Wir können jedes geschichtliche Detail glauben – im Gegensatz zum gelernten Historiker Mike, der sein Wissen nur aus Büchern bezieht.

Ferney ist schon eine besondere Gestalt. Ausgestattet mit einem gesunden Skeptizismus gegenüber der Natur des Menschen und einem profunden Misstrauen gegenüber der Kirche. Das Einzige, was ihn durch die Jahrhunderte nicht verzweifeln ließ, war seine ewige Liebe zu Gally.

Als eigentliche Hauptfigur der Geschichte ist die junge Frau natürlich am ausführlichsten dargestellt, der Dreh- und Angelpunkt der Handlung. Sie ist schier zerrissen in ihrer Zuneigung zu Ferney und ihrem Mann Mike. Die vierte Hauptfigur ist die Umgebung des Hauses: Westengland verleiht der ganzen Erzählung erst die richtige feste Grundlage. Und wer weiß: Vielleicht hatten die alten Briten ja wirklich zauberkräftige Lebenssteine?

Unterm Strich

Das Buch ist eine stimmungsvolle und dramatische Dreiecksgeschichte vor dem Hintergrund der Seelenwanderung eines Liebespaars. Liebhaber von mystischen Geschichten werden ihre Freude daran haben, alle anderen dürften ein wenig Probleme mit der Plausibilität haben – denn wer glaubt schon an ewiges Leben?

„Ring der Zeit“ hat mir einige Stunden spannender Lektüre bereitet. Ich fühlte mich immer wieder an die wunderbare Stimmung in Jack Finneys Zeitreiseroman „Das andere Ufer der Zeit“ erinnert. Dort schafft es die Hauptfigur ebenfalls, sich lediglich kraft der Erinnerung in die gewünschte Zeit zu versetzen (hier ins New York City des Jahres 1888).

Allerdings wartete ich beim Lesen immer wieder auf die Auflösung des Rätsels, wo die Vorgängerin der modernen Gally abgeblieben war. Dieses Geheimnis wird erst auf den letzten Seiten gelüftet. Aber eigentlich ist es offensichtlich. Denn es gibt keinen Grund, warum Gally immer als Frau und Ferney immer als Mann wiedergeboren werden sollte …

Taschenbuch: 464 Seiten
Originaltitel: Ferney, 1999
Aus dem Englischen von Susanne Aeckerle
ISBN-13: 9783453186620

www.heyne.de

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