Lynds, Gayle – Spymaster

Spionagethriller haben es so an sich, dass sie zumeist an diversen Orten in der ganzen Welt und vielleicht auch zu unterschiedlichen Zeiten spielen. „Spymaster“ von der Amerikanerin Gayle Lynds bildet da keine Ausnahme. In dem Buch spielt nicht nur der Kalte Krieg eine Rolle, sondern auch der moderne Terrorismus sowie eine Handvoll verschiedener Länder.

Charles Tice ist eine lebende Legende bei der CIA, fristet sein Leben aber momentan in einer Gefängniszelle. Der geschickte Spion hatte seine eigenen Auftraggeber verraten und ein gefährliches Doppelspiel gespielt. Doch eines Tages gelingt ihm die Flucht, und der CIA ist sehr daran gelegen, Tice wieder zu verhaften. Zu diesem Zweck soll Elaine Cunningham, eine neunundzwanzigjährige Jägerin, ihn aufspüren. Sie ist bekannt dafür, in ihrem Metier sehr gut zu sein, doch sie hat nicht mit der Schläue von Tice gerechnet. Ihm gelingt es, sämtliche Fallen zu umgehen, und schließlich nimmt er Elaine als Geisel und ‚zwingt‘ sie zur Zusammenarbeit. Für die junge Frau ist die Kollaboration die einzige Möglichkeit, denn mittlerweile hat sich ihr Auftraggeber gegen sie gestellt. Es scheint, als ob die CIA – oder jedenfalls Teile davon – ebenfalls Dreck am Stecken hat.

Elaine steckt in einem Gewissenskonflikt: Soll sie Tice helfen oder brav ihrem Chef gehorchen, obwohl sie bei beiden nicht sicher sein kann, was sie jeweils für ein Spiel spielen? Und wer sind die anderen Männer, die ebenfalls an Tice und später auch an ihr interessiert sind? Mit Tice auf dem Beifahrersitz begibt sie sich mit ihrem roten Jaguar auf eine Jagd durch Amerika, ohne zu ahnen, was für weite Kreise dieses Abenteuer noch ziehen wird …

Gayle Lynds‘ Thriller erinnert auf weiten Strecken stark an die Bücher und Filme um Jason Bourne: schnelle Schnitte, Action und eine blonde Frau, die sich ihrer Position nicht so sicher ist (in dem Filmen verkörpert von Julia Stiles). Das ist nicht unbedingt negativ, denn die häufigen Wechsel der Perspektiven sorgen für Abwechslung und fügen sich trotzdem zu einer flüssigen Gesamtgeschichte zusammen. Es kommt dabei immer wieder zu überraschenden Wendungen, und Tice und Cunningham gelingt es auf über 530 Seiten, aus jeder brenzligen Situation zu entkommen. Nicht selten schrammt Lynds dabei nur haarscharf am Verlust ihrer Glaubwürdigkeit vorbei. Es ist ihr hoch anzurechnen, dass sie selbst haarsträubend wirkende Situationen recht gut meistert.

Doch solche Situationen sind nicht alles in einem spannenden Buch. Die Spannung geht bei „Spymaster“ nämlich ein wenig verloren, da die Handlung zu umfassend und zu wendungsreich ist. Manchmal verliert der Leser den Überblick, weil sich so viel, teils auch sehr Unterschiedliches ereignet. Wie die Fäden am Ende verknüpft werden, ist zwar überraschend, wirkt aber ein wenig konventionell, vielleicht sogar zu weit hergeholt. Islamistische Terrorgruppen sind eine Tatsache, wie man mittlerweile nicht mehr abstreiten kann, aber deswegen müssen sie noch lange nicht in jedem Thriller die Schuldigen sein. An dieser Stelle beweist Lynds keinen Mut, um etwas Neues zu schaffen, was dem Buch aber gutgetan hätte.

Ganz in der Tradition der Spionagethriller gehalten, wirkt die Geschichte recht kühl und bietet nur wenig Gefühl. Die Charaktere sind trotzdem gut ausgearbeitet und wirken authentisch, bieten aber kaum die Möglichkeit, sich mit ihnen zu identifizieren. Dafür wirken sie zu steril, teilweise auch zu intelligent und zu weit vom realen Leben entfernt. Möglicherweise lernen CIA-Beamte tatsächlich all diese Überlebenstricks, die Lynds in ihrem Buch beschreibt, aber für den ’normalen‘ Leser wirkt die Welt der Spione manchmal ein wenig zu durchkonstruiert. Es fällt schwer, sich in diese andere Welt der Geheimdienste entführen zu lassen.

Der Schreibstil ist, ähnlich wie der Grundton der Geschichte, kühl und sehr präzise. Alles wird detailliert und abwechslungsreich beschrieben, wobei immer wieder auffällt, dass Lynds gerne Produktmarken benutzt. Sowohl bei den Waffen als auch bei den einzelnen Autos weiß sie stets mit den technischen Eigenschaften aufzuwarten. Sie übertreibt es allerdings nicht, so dass auch ein Laie, der sich mit diesen Dingen nicht auskennt, die Geschichte ohne Stirnrunzeln lesen kann. Denn flüssig und homogen kann die Autorin schreiben. Trotz des Umfangs des Buches schwächelt sie nicht und greift auf einen großen Wortschatz und eine verständliche, durchaus gehobene Schreibweise zurück.

In der Summe ist „Spymaster“ von Gayle Lynds ein netter Spionagethriller, der die Grenzen seines Genres aber nicht sprengt. Alles ist gut erzählt und ausgearbeitet, überrascht aber nicht wirklich. Gerade die Tatsache, dass einmal mehr islamistische Terroristen im Vordergrund stehen, wird dem einen oder anderen Leser sicherlich sauer aufstoßen. Dieses Motiv ist mittlerweile einfach zu abgenutzt.

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