Mader, Matthias – Judas Priest, Der stählerne Weg von

JUDAS PRIEST ist die wahrscheinlich wegweisendste Gruppe im Heavy Metal. Ohne die Band aus Birmingham wäre diese Musik nicht so, wie sie sich seit fast 30 Jahren darstellt, wenn sie sich überhaupt jemals voll entfaltet hätte.

Seit über 20 Jahren gab es keine umfassende Biographie über JUDAS PRIEST mehr. Erst in diesem Jahr werden einige Werke aufgelegt oder vorbereitet. Eines davon ist „Der stählerne Weg von Judas Priest“ des langjährigen Musikjournalisten Matthias Mader. Mader ist seit den späten 70ern bekennender Anhänger von JUDAS PRIEST, was sich als Stärke und zugleich Schwäche seines Buches herausstellt. Eine Stärke ist es, weil der Autor aus einer jahrelangen Beobachtung der Band und vielen persönlichen Interviews schöpfen kann. Die Schwäche ist die mangelnde nüchterne Distanz zum Thema, die sich teils in einer unkritischen Verehrung, teils in der überkritischen Betrachtung des 110-prozentigen Fans äußert.

Mader stellt die Geschichte der Gruppe in chronologischer Ordnung dar, wobei fast jedes Kapitel ein neues Album zum Hauptthema hat. Wichtige Ereignisse wie der Prozess von Reno, bei dem der angebliche Einfluss der Band auf den Selbstmord zweier Jugendlicher verhandelt wurde, oder die lange und mühselige Suche nach einem neuen Sänger, als sich Rob Halford für etwa ein Jahrzehnt ausklinkte, werden gesondert abgehandelt. Auch die Neben- und Soloprojekte sowie die Veröffentlichungen des ursprünglichen PRIEST-Sängers Al Atkins werden vorgestellt. Dadurch wird auch deutlich, dass der Autor eine fast ausschließlich musikalische Biographie verfasst hat. Das Privatleben der Bandmitglieder bleibt beinahe völlig außen vor. Erst recht werden dem Leser nicht wie in vielen anderen Musikerbiographien sämtliche abgelegten Groupies und Schnapsflaschen vorgestellt.

Die problematische unentschiedene Stellung Maders zwischen Chronist und Fan zeigt sich schon in der Einleitung, wenn er JUDAS PRIEST als die „Erfinder des Heavy Metal“ vorstellt, die „einzig und allein“ die maßgeblichen Eigenschaften dieser Musik schufen (S. 4f), was er allerdings auch wieder, teilweise mit Zitaten Rob Halfords, relativiert, indem er an die älterem BLACK SABBATH erinnert, ebenso an DEEP PURPLE und LED ZEPPELIN; man hätte wohl auch noch die im Buch nicht genannten BLUE ÖYSTER CULT u. a. erwähnen können. JUDAS PRIEST haben die vorhandenen Ansätze aufgegriffen, umfassend weiterentwickelt und den Heavy Metal, wie wir ihn heute kennen, geprägt wie keine andere Gruppe sonst, aber sie waren nicht die Ersten und nicht die Einzigen. Die endgültige Definition der PRIEST’schen Bedeutung für den Metal liegt also auch mit Maders Buch noch nicht vor.

Auch die musikalische Entwicklung der Band zeichnet er als Fan, und zwar vor allem der ausgeprägten Metalalben „British Steel“ (1980), „Screaming For Vengeance“ (1982) und „Painkiller“ (1990). Seine Kritik an der teilweise poppigen und zeitgeschmäcklerischen „Turbo“ (1986) und der demonstrativ bis zur Selbstkarikatur vollzogenen Rückkehr zum Heavy Metal von „Ram It Down“ (1988) hat gute Gründe und ist berechtigt. Wenn auch andere Alben, etwa das Debüt „Rocka Rolla“ (1974), als „schlecht“ bezeichnet werden, übersieht Mader, dass immer (mindestens) zwei Herzen in der Brust von JUDAS PRIEST geschlagen haben. Außer Metallern waren sie als Kinder ihrer Zeit auch eine klassische spielfreudige und instrumental versierte Rockband, deren zweites Gesicht sich in düster-melancholischen Stücken und einer schwerblütigen Spielweise zeigte. Insofern führt eine klare Linie von ‚Run Of The Mill‘ über ‚Beyond The Realms Of Death‘ und ‚Out In The Cold‘ bis zu ‚Worth Fighting For‘ von der bislang letzten Studioscheibe „Angel Of Retribution“. Und ein Album wie „Stained Class“ ist ohne „Rocka Rolla“ gar nicht völlig erfassbar.

Bei der Vorstellung der einzelnen Etappen der Bandgeschichte kann Mader nun aus seinen über eine lange Zeit geführten Interviews schöpfen. Zu Alben, Tourneen und anderen Stationen ihrer Biographie, etwa zu den Vorwürfen über Nachbearbeitungen am ersten Livealbum „Unleashed In The East“, kann er exklusive Aussagen von aktuellen oder ehemaligen Mitgliedern vorlegen. Diese gewinnen dabei auch allmählich für den Leser persönliche Gesichter. Man lernt Musiker aus armen Verhältnissen kennen, die ihre Bodenständigkeit und ihre Geschäftstüchtigkeit, sobald sich der Erfolg einstellte, prägten. Sie bemühten sich immer, faire Geschäftspartner – gerade auch den Fans gegenüber – zu sein, aber in ihren Äußerungen zeigen sich auch einige Eitelkeiten und gewollt-ungewollte Erinnerungslücken. Insbesondere die Wandlungen Rob Halfords in seinem Solojahrzehnt von der zunehmenden, teilweise provokanten Abwendung vom Metal bis zur Rückkehr des verlorenen Sohns in die Band zeichnet Matthias Mader gut nachvollziehbar nach.

Dann ist es auf der anderen Seite wieder ärgerlich, wie unreflektiert und genügsam der Autor gelegentlich mit seinem Quellenmaterial umgeht. Am Beispiel der Verkaufszahlen von „Screaming For Vengeance“: Erst wird diese Platte mehrfach als PRIESTs meistverkaufte herausgestellt, doch als es um konkrete Zahlen geht, wird ein zehn Jahre altes Interview angeführt, in dem Gitarrist K. K. Downing drei Millionen verkaufte Exemplare schätzt!

Illustriert ist „Der stählerne Weg von Judas Priest“ mit vielen, meist farbigen Fotos, die der Qualität des Textes entsprechen: Jede Menge sehenswerte Zeitdokumente wie Konzertfotos, Tourplakate und Eintrittskarten werden präsentiert, auf seltenen Plattenhüllen sind liebevoll Sonderpressungen etwa auf farbigem Vinyl drapiert. Aber leider fehlen immer Bildunterschriften; auch Fans dürften nicht unbedingt alle jemals veröffentlichten Singles und Bootlegs und alle ehemaligen Mitglieder der Vor- und Frühzeit kennen. Fast schon mustergültig ist aber der Anhang mit einer ausführlichen Diskographie, einer Bibliographie der Sekundärliteratur und einer Konzerthistorie, für die Matthias Mader alle nachweisbaren Liveauftritte von 1969 bis 2006 zusammengetragen hat.

„Der stählerne Weg von Judas Priest“ liefert dem Interessierten jede Menge Daten über eine bedeutende und bisher kaum untersuchte Band. Gerade für Fans dürfte es ein wichtiges Nachschlagewerk werden. Auf eine rundum befriedigende Biographie von JUDAS PRIEST muss man aber weiterhin warten.

http://www.judaspriest.com
http://www.ip-verlag.de

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