Jochen Malmsheimer – Halt mal, Schatz. Alles über Planung, Kiellegung, Stapellauf und Betrieb eines Babys

Grade beim oft zu Unrecht als „Hechel-Seminar“ geschmähten Geburtsvorbereitungskurs wird werdenden Eltern gern die ein oder andere sinnvolle Literatur ans nervös pochende Herz gelegt. Dass die Damen von der hebenden Zunft allerdings doch mehr Humor und Selbstironie besitzen, als man ihnen gemeinhin zugesteht, bewies der dort in Form eines thematisch zum Kurs passenden, von CD vorgespielten Ausschnittes eines Comedy-Bühnenprogramms, zu welchem auch eine entsprechende Print-Version existiert. Mit dem vielsagenden Titel: „Halt mal, Schatz – Alles über Planung, Kiellegung, Stapellauf und Betrieb eines Babys“ präsentierte der (leider!) fast ausschließlich im Ruhrpott bekannte Kabarettist Jochen Malmsheimer 2002 im |Knaur|-Verlag sein erstes und bislang einziges Buch über die Freuden und Leiden des Kinderkriegens und -habens.

Zum Autor

1961 in Essen geboren, residiert Jochen Malmsheimer derzeitigen Informationen nach zusammen mit Frau Heide und seinen Söhne Jakob und Aaron in seiner Wahlheimat Bochum. Hinter sich hat er ein abgebrochenes Germanistik- und Geschichtsstudium sowie eine solide Buchhändlerkarriere. Diese hängte er schlussendlich an den Nagel, als seine Neigung, kabarettistisch auf der Bühne zu stehen und vom Leder zu ziehen, sich endlich auch in Barem messbar auszahlte. Eine gewisse überregionale Bekanntheit erlangte er mit dem Duo „Tresenlesen“ oder seinen „Familie Kleffmann“-Auftritten im |WDR|-Hörfunk.

Seither hat er drei Solo-Programme auf die Beine gestellt, mit denen er scharfzüngig durch die Lande tingelt(e), welche allesamt auch als Live-Mitschnitte auf CD zu bekommen sind. Übrigens gilt das auch für die (auszugsweise) Lesung von „Halt mal, Schatz“, welches eine Sonderposition einnimmt, da hiervon – im Gegensatz zum restlichen kreativen Schaffens des Autors – auch eine Buch-Version vorliegt.

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Zum Inhalt

Ein Kind kündigt sich an. Das heißt, der schuldhaft-absichtliche, ergebnisorientierte Sex wurde erfolgreich abgehakt. Wat nu? So ein Breispucker wirbelt ja schon vor seiner Ankunft ordentlich Staub auf und wirft seinen übermächtigen Schatten pränatal voraus. Wie soll’et denn heißen? Welches Auto ist für die frisch anschwellende Familie samt turmhohem, stets sabberndem sowie penetrant aus dem Maul stinkendem [Briard]http://de.wikipedia.org/wiki/Briard genehm?

Diesen und anderen Fragen geht Jochen Malmsheimer anhand der Erfahrungen am eigenen Leibe (und denen seines Sohnes Jakob) nach. Von der Planung der Schwangerschaft und deren Tücken über die Hausgeburt unter der Leitung der „Erzobersuprimchefhebamme“ bis hin zum Besuch des bei ihm offensichtlich nicht grade hoch im Kurs stehenden Waldorf-Kindergartens sowie dem ersten gemeinsamen Camping-Urlaub gibt es fast nichts, was er bezüglich des Elternwerdens und -seins nicht wortakrobatisch und ironisierend aufs Tapet bringt.

In 23 Kapiteln wird auseinanderklamüsert, was da so alles auf einen zurollt, wenn man plötzlich als Elternteil dasteht. Messerscharf pointiert, zuweilen böse-zynisch, aber stets auch sich selbst und das eigene, drastisch veränderte Familienleben schonungslos auf die Schippe nehmend, kriegen unter anderem Hebammen, Krabbelgruppen, andere Eltern und nicht zuletzt auch der Staatsapparat ihr Fett weg.

Das Ganze ist weitgehend chronologisch aufgebaut, wobei gerne mal immer wieder Zwischeneinwürfe vorkommen, etwa die Erinnerungen von Klein-Jochen an seine eigene Kindheit. Aufgelockert wird der in anspruchsvollem Stil verfasste Text durch einige Karikaturen aus der Feder von Tex Rubinowitz. Über deren zeichnerische und humoristische Qualität darf man getrost geteilter Meinung sein. Nicht aber bei Malmsheimers Geschick für Sprache und Metaphorik. Manches muss man zweimal lesen und/oder überdenken, um den feinsinnigen Humor dahinter gänzlich zu erfassen.

Fazit

Zwischen den satirischen, höchst vergnüglichen Zeilen stecken neben dem Witz auch viel Wahrheit und Hoffnung für alle, die sich entschieden haben, Eltern zu werden oder bereits zu sein. Der Verfasser dieser Rezension weiß, wovon er redet, ist er selbst doch dank hebammenlicher Hilfe jüngst in den Stand eines erziehungsgenötigten Nervenbündels ohne Aussicht auf baldigst wiederkehrende Normalität oder geregelte Nachtruhe erhoben worden – und hat auch (und gerade) eingedenk der häufigen Selbsterkenntnis Tränen gelacht. Doch nicht nur für natal Leidgeplagte ist dieses Buch höchst empfehlenswert, auch standhafte Familienverweigerer sollten es sich einmal zu Gemüte führen. Für alle gewollt Kinderlosen liefert dieses Buch nämlich – so das Schlusswort des Autors – wenigstens stichhaltige Begründungen und Argumentationshilfen für das Warum. Kurzum: Kaufen. Lesen. Ablachen. Nachdenken.

Taschenbuch: 272 Seiten
www.knaur.de