Juliet Marillier – Die Königskinder (Unter dem Nordstern 1)

Bereits mit fünf Jahren kommt der kleine Bridei nach Pitnochie, um von dem Druiden Broichan erzogen zu werden. Broichan ist sehr streng, doch Bridei ist ein fleißiger und gehorsamer Schüler. Nur ein einziges Mal wagt er den Versuch, dem mächtigen Druiden des Königs von seiner eigenen Meinung überzeugen zu wollen: in der Mittwinternacht hat Bridei ein Baby auf der Schwelle gefunden. Obwohl es ganz offensichtlich zum Guten Volk gehört, hat er es hereingeholt und will es behalten.

Nur widerwillig gibt Broichan nach. Er fürchtet den Einfluss des Mädchens auf Bridei und behandelt es mit Unwillen und größtem Misstrauen. Für Bridei wird Tuala, wie er die Kleine genannt hat, bald zur Schwester und Seelenverwandten, der er selbst die Dinge erzählen kann, die er sonst niemandem erzählt. Doch Bridei wird bald erwachsen und muss sich dem stellen, was Broichan seinem Leben bestimmt hat. Und nach Broichans Meinung ist für Tuala in diesem Leben kein Platz …

Bridei ist ein erstaunliches Kind, geradezu unnatürlich brav. Wahrscheinlich liegt das an seinem unendlichen Wissensdurst. Denn obwohl er zunächst seiner verlorenen Familie hinterhertrauert und sich vor allem deshalb anstrengt, weil sein Vater ihm das aufgetragen hat, lässt sein Lerneifer selbst dann nicht nach, als die Erinnerung an die Eltern und Geschwister immer mehr verblasst. Selbst in der Phase des Erwachsenwerdens spürt man kaum Aufbegehren oder dergleichen, obwohl sein Pflegevater ihm so manches zumutet.

Broichan ist ein strenger Lehrmeister. Er hat Brideis Tag mit Terminen geradezu gepflastert: vormittags Unterricht in Strategie und Geographie bei zwei alten Männern namens Egil und Wid, nachmittags Schwert- und Stockkampf bei Donal, abends die Lektionen über das Wissen der Druiden bei seinem Pflegevater. Ziel dieser Masse an Unterricht ist es, aus Bridei einmal einen König zu machen. Alles, was nicht unmittelbar eine der Qualitäten fördert, die ein zukünftiger König braucht, hält Broichan für Ablenkung. Dazu zählt er auch Tuala …

Tuala ist ein wildes, unbezähmbares Geschöpf. Sie reitet wie der Wind ohne Sattel und Zaum, sie spricht die Sprache der Tiere, klettert wie ein Eichhörnchen und ist absolut schwindelfrei. Außerdem besitzt sie die Gabe des Gesichts. Sie muss einen unbewegten Wasserspiegel nur aus dem Augenwinkel ansehen, schon zeigen sich Bilder darin. Trotz ihrer offensichtlichen Andersartigkeit fühlt sie sich jedoch als Mensch.

Und der wichtigste andere Mensch in ihrem Leben ist Bridei. Mit ihm ist sie auf eine Weise verbunden, die keiner der beiden erklären kann. Als Broichan sie aus Brideis Leben entfernen will und sie vor die Wahl stellt, entweder einen Steinmetz zu heiraten oder eine Weise Frau zu werden, wählt Tuala das geringere Übel und zieht nach Banmerren, der Schule der Priesterinnen. Doch im Grunde ihres Herzens weiß sie, dass es falsch ist …

Das alles klingt nicht unbedingt neu. Und es ist natürlich klar, dass die beiden sich doch noch kriegen.

Wie zu erwarten, ist der Weg dorthin nicht leicht. Nicht nur Broichan will die beiden unbedingt auseinander halten. Dreseida, die Mutter von Brideis Freund Gartnait, ist eine harte, ehrgeizige Frau, die von Bridei überhaupt nichts hält. Und als sie erkennt, welches Ziel Broichan dem Jungen gesetzt hat, versucht sie mit aller Macht, dies zu verhindern.

Außerdem trachtet der König von Circinn Bridei nach dem Leben, denn er will selbst König von ganz Fortriu werden, wenn der alte König stirbt. Selbst Fola, die Herrin von Banmerren, erkennt erst spät, warum Tuala tatsächlich auf der Schwelle von Pitnochie ausgesetzt wurde.

Die beiden jungen Leute müssen also eine ganze Weile gegen den Widerstand der ganzen Welt anrennen! Und erst, als das Feenvolk auf recht drastische Weise in das Geschehen eingreift, wendet sich das Blatt.

Mein Eindruck

Juliet Marillier schildert einfühlsam und in der ihr eigenen lebendigen und warmen Sprache die intensive Verbindung zwischen Bridei und Tuala. An äußerer Handlung ist die Geschichte jedoch eher arm. Der kurze Angriff auf eine Befestigung der Gälen, die ins Land der Pikten eingedrungen sind, nimmt nur wenig Raum ein.

Die Gewichtung liegt ganz auf dem Erwachsenwerden der beiden Hauptprotagonisten, und obwohl die Autorin immer wieder große Zeiträume überspringt, hat sie sich dafür vielleicht doch ein wenig zu viel Zeit genommen. Bis Bridei endlich an den Hof nach Caer Pridne kommt, sind bereits mehr als zwei Drittel des Buches gelesen, und richtig spannend wird es erst auf den letzten hundert Seiten, als Tuala aus Banmerren davonläuft.

So interessant ich die seelische Entwicklung von Personen auch finde, in diesem Fall wurde es selbst mir zu langatmig. Ein wenig Straffung in der Anlegung der inneren Konflikte Brideis und Tualas und ein wenig mehr Bewegung im Handlungsverlauf hätte dem Buch gewiss nicht geschadet.

So hätte man aus dem Charakter der intelligenten, scharfsinnigen Dreseida sicherlich mehr machen können. Aus dem Versuch, Bridei einen Liebestrank unterzujubeln und dann durch Ferada Einfluss auf seine Regierung zu nehmen, hätte eine gute Intrige einer kalten, berechnenden und machthungrigen Frau werden können. Stattdessen macht die Autorin aus dem Liebestrank im Nachhinein ein Gift und lässt Dreseida ihrer Tochter gestehen, daß sie Bridei einfach nur aus Eifersucht auf seine Mutter umbringen und unbedingt ihren eigenen chancenlosen Sohn auf dem Thron sehen will! Eine recht konstruierte Entwicklung!

Die andere Variante hätte natürlich noch weite Kreise gezogen, womöglich bis in den nächsten Band, was eindeutig nicht gewollt und wahrscheinlich auch besser war. Die Geschichte um Tuala und Bridei noch länger hinzuziehen, hätte wohl selbst meine Geduld erschöpft. Andererseits hätte eine Straffung zu einem früheren Zeitpunkt genug Raum für eine solche Entwicklung schaffen können und damit die Geschichte vielleicht ein wenig abwechslungsreicher gemacht.

Unterm Strich

Bleibt zu sagen, dass die Handlung eher schwach und flach daherkommt und wenig Höhepunkte bietet, was zu einigen unangenehmen Längen führt.

Die Charaktere sind zwar gelungen geschildert, ihr Entwurf bietet jedoch nichts Neues im historisch angehauchten Fantasy-Genre. Zu sehr bewegen sich die einzelnen Personen in ihren festgefahrenen Schienen vom klugen und sensiblen Helden, vom weisen, strengen Lehrmeister und vom geheimnisvollen magischen Mädchen aus dem fremden Volk.

So bleibt dieser erste Band der |Bridei Chronicles| doch ein gutes Stück hinter ihrer |Sevenwaters|-Trilogie zurück. Sprachlich ist die Autorin nach wie vor in Hochform, inhaltlich jedoch ist dieser neue Zyklus noch zu unausgewogen und träge, um mit dem so gut gelungenen Debüt mithalten zu können. Schade! Bleibt zu hoffen, dass der Folgeband wieder etwas mehr Lebhaftigkeit an den Tag legt.

Die Autorin

Der zweite Band des Zyklus The Bridei Chronicles, „Die Herrscher von Fortriu“, soll im September 2005 erscheinen und sich hauptsächlich mit Ana befassen, einer königlichen Geisel am Hof von Caer Pridne. Außer den |Bridei Chronicles| und der |Sevenwaters|-Trilogie hat Juliet Marillier auch die |Saga of the Light Isles| sowie mehrere Fantasy-Kurzgeschichten geschrieben.

„Mit Elizabeth Haydon, Jennifer Fallon und Sarah Douglass gehört Juliet Marillier zu den neuen weiblichen Stars der Fantasy. „Die Königskinder“, der erste Band ihres Zyklus „Unter dem Nordstern“, war in den USA ein großer Bestseller-Erfolg.“ (Verlagsinfo)

Juliet Marillier war lange als Dozentin für Musikgeschichte, Gesangslehrerin und Chorleiterin tätig, ehe sie sich 2002 zurückzog, um sich der Schriftstellerei zu widmen. Sie lebt in Neuseeland, in der Nähe von Perth.

Bibliographie (Quelle: Wikipedia.de)

Sevenwaters
Daughter of the Forest, Pan Macmillan Australia 1989, ISBN 0-7329-0977-5
Die Tochter der Wälder, Bechtermünz 2000, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-8289-6843-0
Son of the Shadows, Pan Macmillan Australia 2000, ISBN 0-7329-1029-3
Der Sohn der Schatten, Knaur 2004, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-426-62689-6
Child of the Prophecy, Pan Macmillan Australia 2001, ISBN 0-7329-1093-5
Das Kind der Stürme, Droemer Knaur 2003, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-426-70248-7
Heir to Sevenwaters, Pan Macmillan Australia 2008, ISBN 978-1-4050-3855-3
Die Erben von Sevenwaters, Knaur 2011, Übersetzerin Sabine Schilasky, ISBN 3-426-50890-7
Seer of Sevenwaters, Roc / New American Library 2010, ISBN 978-0-451-46355-5
Flame of Sevenwaters, Roc / New American Library 2012, ISBN 978-0-451-46480-4
Die hellen Inseln – Children of the Light Isles
Wolfskin, Pan Macmillan Australia 2002, ISBN 0-7329-1130-3
Die Priesterin der Insel, Knaur 2003, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-426-66133-0
Foxmask, Pan Macmillan Australia 2004, ISBN 0-330-36477-4
Die Wolkeninsel, Knaur 2006, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-426-62856-2
Unter dem Nordstern – The Bridei Chronicles
The Dark Mirror, Tor / Pan Macmillan Australia 2004, ISBN 1-4050-3604-4
Die Königskinder, Heyne 2005, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-453-52154-4
Blade of Fortriu, Tor / Pan Macmillan Australia 2005, ISBN 1-4050-3682-6
Die Herrscher von Fortriu, Heyne 2006, Übersetzerin Regina Winter, ISBN 3-453-52082-3
The Well of Shades, Tor / Pan Macmillan UK 2007, ISBN 1-4050-4110-2 (Die deutsche Übersetzung Die Schattenquelle ist trotz Ankündigung nie erschienen)
Wildwood
Wildwood Dancing, Pan Macmillan Australia 2006, ISBN 0-330-42246-4
Cybele’s Secret, Pan Macmillan Australia 2007, ISBN 978-0-330-42354-0
Shadowfell
Shadowfell, Macmillan Australia 2012, ISBN 978-1-74334-831-4
Raven Flight, Macmillan Australia 2013, ISBN 978-1-74328-915-0
The Caller, Macmillan Australia 2014, ISBN 978-1-74328-997-6
Blackthorn & Grim
Dreamer’s Pool, Pan Macmillan Australia 2014, ISBN 978-1-74351-702-4
Tower of Thorns, Macmillan Australia 2015, ISBN 978-1-74354-056-5
Den of Wolves, Macmillan Australia 2016, ISBN 978-1-925483-80-2
Warrior Bards
The Harp of Kings, Ace Books 2019, ISBN 978-0-451-49278-4
A Dance with Fate, Ace Books 2020, ISBN 978-0-451-49280-7

Einzelroman

Heart’s Blood, Tor / Pan Macmillan UK 2009, ISBN 978-0-230-01791-7

Taschenbuch: 768 Seiten
ISBN-13: 9783453521544

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 4,00 von 5)

Schreibe einen Kommentar