Marklund, Lisa – Holzdieb, Der

_Showdown hinterm Holzstapel_

In Schweden herrscht eiskalter Winter an Weihnachten. Dem alten Waldarbeiter Gustav, der nur mit seiner Katze zusammen in einem kleinen Häuschen am Waldrand wohnt, wird in letzter Zeit regelmäßig aus seinem Schuppen Holz gestohlen. Als seine Nichte Annika Bengtzon dem Holzdieb auflauert, erlebt sie eine große Überraschung. Eine „anrührende Geschichte über Armut, Einsamkeit und Liebe“, schreibt der Verlag.

_Die Autorin_

Liza Marklund, geboren 1962, studierte Journalismus und arbeitete bei verschiedenen Zeitungen und Zeitschriften. Mehrere Jahre war sie Nachrichtenchefin des schwedischen Privatsenders „TV 4“. Diesen Traumjob kündigte sie, um Romane zu schreiben. Für ihren Debütroman „Olympisches Feuer“ (dt. 2000) erhielt sie bedeutende Literaturpreise. Auch die Nachfolgeromane „Studio 6“ und „Paradies“ wurden erfolgreiche Krimis. Die Romane wurden laut Verlag fürs Kino verfilmt. Marklund lebt mit ihrer Familie in Stockholm und arbeitet wieder als Journalistin. (Verlagsinfo)

Mehr Info: http://www.lizamarklund.net und http://www.hoffmann-und-campe.de.

_Die Sprecherin_

Susanne Schröder, geboren in München, absolvierte ihre Ausbildung an der Schauspielakademie in Zürich. Sie spielte an den Kammerspielen und am Residenztheater in München. Bekannt ist sie darüber hinaus durch ihre Auftritte in TV-Serien und Fernsehspielen. Für den Hörverlag hat Schröder bereits „Die kleine Meerjungfrau“ von H.C. Andersen gelesen.

Die Regie führte Toni Nirschl und den Ton steuerte Ron Behrendt.

_Handlung_

Der alte Gustav erwacht in der Kälte seiner Hütte, in der nur ein Kater – ein ausgezeichneter Mäusejäger – ihm Gesellschaft leistet. Früher war Gustav mal Waldarbeiter, und er kennt sich aus mit Holz. Es ist noch Nacht, aber er muss sich erleichtern und frisches Feuerholz holen. Da bemerkt er, dass sich schon wieder jemand an einem seiner umfangreichen Holzstapel bedient hat. Diesmal hat es die Birke erwischt. Gustav ist von Wut und Schmerz über den Verlust erfüllt. Der Winter ist saukalt, und wie soll er das ohne genügend Holz überleben?

Gustav ist Annika Bengtzons Onkel. Und seit ihrer Kindheit bei der Oma in Mittelschweden besucht sie ihn zu Weihnachten, um einen Kuchen und andere Leckereien zu bringen. Er hat ihr alles beigebracht, was sie über Bäume, Holz und Holzeinschlagen weiß, und das ist eine ganze Menge. Seit zwei Monaten arbeitet sie allerdings in der Hauptstadt, beim „Abendblatt“. Als Annika dieses Jahr in Gustavs Hütte treten will, starrt sie in den Doppellauf einer Schrotflinte.

Als sie wütend gegen diese Behandlung protestiert, erklärt er ihr den Grund. Wer ist der Holzdieb? Da er oder sie immer zu Fuß kommt, muss er – oder sie – aus dem Dorf Hedberga stammen. Annika gibt ihm das Weihnachtsessen und geht ins Dorf, wo Kirchenlieder erklingen. Dessen Bewohner kennt sie aus ihrer Kindheit und Jugend. Hier hatte sie ihren ersten Freund, den sie an eine Schlampe namens Ingela Jönsson verlor, die von allen nur verächtlich „Spermatopf“ genannt wurde, weil sie so leicht herumzukriegen war.

Nach dem Neuschnee folgt Annika den Spuren des Holzdiebs, die zum Schuppen mit den Holzstapeln führen. Der Dieb ist noch da! Sie geht hinein und erlebt eine Überraschung: eine alte Bekanntschaft. Plötzlich fallen Schüsse: Gustav hat beide ins Visier genommen! Nur der Schuppen bietet Deckung – und eine Gelegenheit, mal herauszubekommen, was den Holzdieb zu seinem Verbrechen veranlasst hat.

_Mein Eindruck_

In „Der Holzdieb“ greift Liza Marklund das Thema der Armut in den einkommensschwachen Schichten auf und beleuchtet, was es für die Betroffenen bedeutet. Der Grund für die Armut ist meistens entweder Ruhestand (Gustav) oder Arbeitslosigkeit (Holzdieb) – oder beides. Da die Stilllegung alter Industrien wie etwa der Holz- oder Erzindustrie viele Beschäftige in die Arbeitslosigkeit entlässt, erleben diese Menschen ein ziemlich trauriges Weihnachtsfest – so etwa auch Gustav.

Doch wie hilft der Wohlfahrtsstaat Schweden den betroffenen Bürgern? Durch die so genannte „Sozialstation“. Deren lokale Leiterin taucht denn auch auf, doch ihr Vorschlag besteht lediglich darin, Gustav ins Pflegeheim zu stecken. Als ob der Mann nicht für sich selbst sorgen könnte! Und sein Holz soll man dem Dieb wohl schenken? Aber Annika, die immer praktisch und unkonventionell denkt, hat einen konstruktiven Vorschlag parat.

Die Autorin setzt wieder ihr patentiertes Handlungselement ein: den intensiven Dialog. Denn man muss die Menschen erst einmal verstehen, bevor man sie verurteilt, ist ihre unausgesprochene Ansicht. Ihre Serienheldin Annika Bengtzon hat diese Haltung schon in mehreren gelungenen Romanen in die Tat umgesetzt. Und auch diesmal gelingt ihr die angestrebte Erkenntnis – ebenso im Zuhörer. Mitgefühl entsteht gerade, da fallen die Schüsse Gustavs wie Hammerschläge auf die zarten Bande zwischen Annika und dem Holzdieb.

Aber es ist nicht so, als würde Annika aus Gefühlsduselei Mitgefühl (nicht zu verwechseln mit Mitleid) entwickeln, denn sie hat ihre eigenen Gründe, dem Holzdieb nicht helfen zu wollen. Sie könnte sich ja auch rächen wollen. Die Gelegenheit dazu bietet sich ihr, denn sie braucht bloß ihrem Onkel den Holzdieb vor die Flinte zu schubsen – Problem erledigt. Oder doch nicht? Denn da kommt auch schon die Polizei angerückt. Und Annika hat sowieso nicht das Zeug zu einer Mörderin.

_Die Sprecherin_

Nicht mehr Judy Winter spricht wie bisher die Hörbücher von Liza Marklund, sondern die wesentlich jüngere Susanne Schröder. (Winter wurde 1944 geboren, ist also schon über 60.) Statt einer tiefen Altstimme verfügt Schröder wohl eher über so etwas wie einen Sopran. Das weckt Zweifel, ob sie die wesentlich „härteren“ Romane auf eine glaubwürdige Weise bewältigen könnte.

Doch darauf kommt es in „Der Holzdieb“ nicht an. Da Gustav kaum spricht, hat sie lediglich Frauenfiguren zu sprechen, und diese Aufgabe bietet keine unüberwindbaren Schwierigkeiten.

Es gibt weder Musik noch Geräusche, denn bei allen Single-CDs der „Smart-Edition“ des Hörverlags fehlen diese Zutaten. Ein niedriger Preis zieht eben auch eine geringere Ausstattung nach sich.

_Unterm Strich_

„Der Holzdieb“ ist eine typische Weihnachtsgeschichte, wie sie von den Zeitungen und Herausgebern weltweit immer wieder bestellt wird. Man denke etwa an David Baldaccis Roman „Das Geschenk“ (The Christmas Train). Alle diese Geschichten blicken auf eine lange Tradition zurück, die bis ins 19. Jahrhundert reicht, bis zu der berühmtesten aller Weihnachtsgeschichten: „A Christmas Carol“ von Charles Dickens. Schon damals spielte Armut eine wichtige Rolle für die Handlung; man denke nur an den armen „Scratchit“, dessen Name andeutet, dass er alles zusammenkratzen muss, was er noch kriegen kann.

Der Holzdieb in Marklunds Geschichte ist im Gegensatz dazu jedoch keineswegs ein Anlass, Mitleidstränen zu zerdrücken, sondern wie schon von jeher ein faules, opportunistisches Miststück. Sie verdient vielleicht unser Mitgefühl, aber nicht unser Mitleid. Mit ihrer Patentlösung schlägt Annika zwei Fliegen mit einer Klappe: eine große Hilfe und eine kleine Rache. Das entbehrt nicht eines gewissen ironischen Humors.

Die Sprecherin Susanne Schröder ist ein beinahe vollwertiger Ersatz für Judy Winter. Sie spricht deutlich und akzentuiert, so dass man den Sätzen ohne Mühe folgen kann. Ihre Annika-Figur ist ebenso als energische Person erkennbar wie in den von Judy Winter gesprochenen Romanen.

Insgesamt bietet das Hörbuch eine Ergänzung im Werk von Liza Marklund, auf die man ohne weiteres verzichten könnte. Wer allerdings eine etwas untypische Weihnachtsgeschichte mit aktuellem Zeitbezug verschenken möchte (es muss ja nicht immer der olle Charles Dickens sein), sollte diese CD durchaus in Betracht ziehen.

|45 Minuten auf 1 CD|
http://www.hoerverlag.de