John Marsden – Ein endloser Albtraum

Der Australier John Marsden konstruiert in dem Buch „Ein endloser Albtraum“ ein ‚Was wäre wenn?‘-Szenario. Er konfrontiert eine Gruppe von Jugendlichen damit, dass in ihrem Land plötzlich ein Krieg ausbricht und sie lernen müssen, damit umzugehen. Das Besondere dabei ist, dass es sich nicht um irgendein Land in der dritten Welt handelt, sondern um Australien, also nicht unbedingt eine Krisenregion.

Ich-Erzählerin Ellie und ihre Freunde Corrie, Kevin, Lee, die wohlerzogene Fi und der Klassenclown Homer planen in den Ferien einen Campingtrip in die Hölle, wie das Tal in den Bergen heißt. Der Abgang hinunter ist schwierig und das malerische Plätzchen liegt sehr versteckt. Nichtsahnend verbringen sie gemeinsam eine schöne Zeit dort und werden ziemlich faul und unmotiviert. Als sie sich endlich zur Rückreise aufraffen können, merken sie schnell, dass nichts mehr so ist wie zuvor. Die Menschen in ihrer kleinen Stadt sind verschwunden, der Strom ist ausgefallen und die Tiere in der bäuerlichen Gegend wurden nicht versorgt und sind zum Teil verendet. Als sie weitere Nachforschungen anstellen, entdecken sie auch tote Menschen.

Schnell finden sie heraus, dass ihr Land von einer feindlichen Armee angegriffen worden ist und die meisten der Bewohner von Stadt und Land auf dem großen Messegelände eingepfercht wurden. Nur sie sind frei, und nun beginnt ein Guerillaleben für sie. Sie beschaffen sich Vorräte sowie Lebensnotwendiges und ziehen zurück in die Hölle. In die Stadt trauen sie sich nur nachts, um mehr über ihre Feinde herauszufinden, bis sie schließlich damit anfangen, die Armee mit kleineren Anschlägen auf Trab zu halten. Doch das ist nicht ganz ungefährlich, wie die jungen Menschen schnell feststellen müssen. Sie tun Dinge, die sie nie für möglich gehalten hätten, und ihnen widerfahren auch Dinge, die sie nicht für möglich gehalten hätten, denn eines Tages wird Corrie angeschossen …

„Ein endloser Albtraum“ vereint zwei Bände aus Marsdens Reihe, nämlich „Morgen war Krieg“ und „Die Toten der Nacht“. Positiv ist dabei, dass die beiden Bücher so nahtlos ineinander übergehen, dass sie von vornherein wie eines wirken. Negativ ist, dass die Geschehnisse auf den über 600 Seiten kaum Spannung bieten. Vielmehr schildern sie sehr realistisch und ausführlich, wie die Teenager sich mit der neuen Situation zurechtfinden und eigenen Nutzen und vor allem Lehren daraus ziehen. Seine Überlegungen sind durchaus interessant und unterhaltsam, doch wer auf Action hofft, der wird enttäuscht. Es passiert zwar die eine oder andere Explosion und Schießerei, aber diese Ereignisse werden nicht in den Vordergrund gestellt, sondern sind beiläufige Notwendigkeiten. Marsden hängt sich nicht daran auf, sondern steht dahinter, ein teilweise sehr nachdenkliches und nicht immer starr auf die Handlung ausgerichtetes Jugendbuch zu entwerfen.

Das hängt damit zusammen, dass die Ich-Erzählerin Ellie sehr direkt und persönlich spricht. Sie beschreibt dadurch eben nicht nur die Geschehnisse, sondern auch, was in ihrem Kopf vorgeht und wie sich die Gruppe entwickelt. Dabei geht es nicht nur um Liebe, sondern auch um das Warum des Krieges, persönliche Entwicklungen, Gewissensfragen und Ähnliches. Marsden sorgt in seinem Buch für einen weiten emotionalen Horizont. Dadurch liegt der Fokus stark auf den Personen, die gut ausgearbeitet sind. Allerdings hätte es der oder dem einen oder anderen nicht geschadet, noch ein wenig Schliff zu erhalten. Zwei, drei Charaktere bleiben ein wenig blass, während die anderen überzeugen. Gerade Homer gefällt, zumeist sogar noch besser als Ellie. Der als Klassenclown verschriene Junge lernt Verantwortung zu übernehmen und entwickelt sich authentisch weiter.

Der Schreibstil ist dank der Sicht aus der ersten Person sehr offen und ehrlich. Der Autor greift auf ein großes, aber stets jugendgerechtes Vokabular zurück. Er schreibt zeitlos und verwendet kaum Alltagsbegriffe oder Jugendsprache, was der Geschichte einen seriösen Touch verleiht und sie auch für ältere Leser interessant macht.

In „Ein endloser Albtraum“ entwickelt der Australier John Marsden ein interessantes Katastrophenszenario, das aber nicht zu einem sinnlosen Actiongetümmel ausgeschlachtet wird. Stattdessen schreibt der Autor aus der Sicht einer Gruppe Jugendlicher, die nicht nur mit der neuen Situation, sondern auch mit sich selbst und ihren Gefühlen umzugehen lernen müssen.

Taschenbuch: 618 Seiten
Originaltitel: The Dead of the Night
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