Marx, André – Die drei ??? – Das Auge des Drachen

Legt man die Chronologie der Hörspielreihe zugrunde, handelt es sich bei „Das Auge des Drachen“ von André Marx um den 113. Fall des Jungdetektivtrios, welches schon seit 1962 die Jugendliteraturlandschaft bereichert. Mittlerweile bezeichnen sich bereits mehrere Generationen als Fans und man wartet meist sehnsüchtig auf neue Buchpublikationen aus dem Stammverlag |Franckh-Kosmos| oder die entsprechenden Vertonungen aus den EUROPA Studios, welche für gewöhnlich kurz danach veröffentlicht werden. Auch hier verhielt es sich nicht anders: beide Versionen debütierten 2003.

_Zur Story_

Die drei Fragezeichen genießen einen entspannten Sommertag in freier Natur. Der Wald nahe Rocky Beach ist ideal zum Relaxen, wenn man ausnahmsweise mal keinen Fall zu bearbeiten hat. Doch dieser Zustand ausgelassener Ferienstimmung, welche in einer zünftigen Schlammschlacht gipfelt, währt nicht lang: Ein seltsamer Ruf, ein dunkler Schemen, welcher in den Baumwipfeln verschwindet und der Schrei eines Mädchens alarmieren die drei Detektive innerhalb weniger Augenblicke. Aus einigen Kratzern blutend finden sie die kleine Emily auf, die steif und fest behauptet von einem Drache angegriffen worden zu sein, als sie „Zauberblumen für die Elfenkönigin“ sammelte. In Anbetracht ihres dreckstarrenden Äußeren müssen die Fragezeichen jedoch erst einmal glaubhaft versichern, dass sie keine Trolle seien.

Justus, Peter und Bob haben auch etwas gesehen und gehört – nur was, das wissen sie noch nicht so genau. Zunächst gilt es aber die Kleine zu verpflastern und wohlbehalten Zuhause bei ihrer Mutter abzuliefern. Sie bieten ihre Dienste an, herauszufinden, was es mit den wundersamen Geschichten von Fabelwesen und selbstverständlich in erster Linie dem ominösen Angriff aus der Luft auf sich hat. Die Sechsjährige ist mit einer überaus lebhaften Fantasie ausgestattet, doch irgendetwas hat sie schließlich attackiert, das ist keine Einbildung gewesen, sondern Tatsache. Mrs Silverstone willigt ein, kennt sie die Phantastereien ihrer Tochter doch zu gut und sieht es überdies gar nicht so gerne, wenn sie alleine durch den Wald streift und ihren Lieblingsort aufsucht.

Dabei handelt es sich um eine geheimnisvolle Skulptur der kürzlich verstorbenen exzentrischen Künstlerin Martha Lake: „Das Auge des Drachen“. Auf ihrem Weg zurück in den Wald begegnen die Fragezeichen dem vermeintlichen Drachen (welcher sich als „Kea“ erweist – einem seltenen neuseeländischen Vogel) und machen am Ende ihrer ziemlich erfolglosen Verfolgungsjagd später sogar noch Bekanntschaft mit der leibhaftigen „Elfenkönigin“. Bei ihren weiteren Ermittlungen stoßen sie auf viele interessante Puzzleteile, die auf eine verschwundene Erbschaft hinweisen – zudem entdecken sie immer mehr Parallelen zwischen Martha Lake und der kleinen Emily; was fehlt, ist das Bindeglied der beiden zueinander. Genau dieses bleibt den Augen der meisten Menschen auf ewig verborgen. Und das ist wörtlich zu verstehen.

_Eindrücke_

Ein nach dem oft erfolgreichen Strickmuster der Serie aufgebauter Plot mit einer ordentlichen Portion Mystery. Dass André Marx ein wenig beim „lachenden Schatten“ und einmal auch bei „gefährliche Erbschaft“ räubert, tut der gut durchdachten und rasant erzählten Geschichte keinen Abbruch. Auch als die Zusammenhänge nach Bereinigung aller Nebelkerzen endlich aufgeklärt werden, ist die Kuh noch lange nicht vom Eis. Der Fiesling schreckt vor nichts zurück. Endlich mal wieder eine Story, bei der auch der Gegenspieler glaubhaft böse und verschlagen ist. Selten waren die Finale bei den drei Fragezeichen in letzter Zeit so packend und die Auflösung des Rätsels so originell. Gut, die Figuren sind nicht bis ins letzte Detail ausgestaltet, das bemerkt man wohl, aber erst, wenn man „Das Auge des Drachen“ eventuell ein zweites Mal – vielleicht etwas genauer – liest.

Das gute Stück geriet aufgrund des süffigen Stils im Übrigen angenehm fluffig. Spannung ist stets genügend vorhanden und die Story plausibel. So genannte Plotholes, die gefürchteten Löcher in der Logik, sucht man vergeblich. Die üblichen 128 Seiten ist man innerhalb kürzester Zeit durch und fühlt sich gut unterhalten sowie intellektuell durchaus gefordert. Wenngleich die Auflösung aus eigener Kraft im Prinzip eigentlich nicht möglich ist. Die Idee, Tetrachromie zum Thema zu machen, ist tatsächlich mal etwas Neues. Aus der Luft gegriffen ist diese besondere Fähigkeit des Sehens auch nicht, es gibt tatsächlich sehr wenige Menschen, die aufgrund eines seltenen Gendefekts diese Fähigkeit besitzen. Mehr sei an dieser Stelle aufgrund des Spannungserhalts dann auch nicht verraten. Es ist ohnehin schwer genug dieses Buch zu rezensieren, ohne jederzeit Gefahr zu laufen, zu viel vorweg zu nehmen.

_Fazit_

André Marx gelang hier ein unterhaltsamer Pageturner, der so ziemlich alle Tugenden der Serie in sich vereint: Mystery, Spannung und gut dosierter Humor gepaart mit einer ziemlich ausgefallenen Grundidee dahinter. „Das Auge des Drachen“ ist somit einer der Lichtblicke jenseits der Hunderter-Marke und muss sich selbst hinter kultigen Glanzfolgen alter Prägung nicht verstecken. Natürlich handelt es sich um Jugendliteratur, doch egal ob alt oder jung, alle Leserschichten dürfen bedenkenlos zugreifen. Auch Quereinsteiger. Wer nicht so die Leseratte ist, mag auch gerne auf die Hörspielvariante ausweichen. Diese ist – obwohl naturgegeben etwas eingekürzt – genauso empfehlenswert wie die originelle Buchvorlage.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

„Die drei ??? – Das Auge des Drachen“
Basierend auf Figuren von Robert Arthur
Erzählt von André Marx
Franckh-Kosmos, 2003
128 Seiten Hardcover
Cover Illustration: Silvia Christoph
Redaktion: Martina Zierold
ISBN-10: 3-440-09659-9
ISBN-13: 978-3-440-09659-8