Joachim Masannek – Honky Tonk Pirates: Das verheißene Land (Band 1)

Die Honky Tonk Pirates-Serie:

Band 01 – _“Das verheißene Land“_
Band 02 – „Das vergessene Volk“
Band 03 – „Zurück in die Hölle“
Band 04 – „Es kann nur einen geben“
Band 05 – „Das Herz der Ozeane“

Dass man mit Piratengeschichten heutzutage durchaus erfolgreich sein kann, war spätestens mit der „Fluch der Karibik“-Reihe hinlänglich bewiesen. Zumindest filmisch. In der Literatur muss man doch schon etwas länger suchen, um fündig zu werden. Für entsprechende Jugendromane gilt das doppelt. Nach R. L. Stevensons „Schatzinsel“ kommt in dieser Ecke lange Zeit erst einmal Nichts. Das zu ändern hat sich Joachim Masannek, der sonst eher als Mastermind hinter „Die wilden Kerle“ bekannt wurde, vorgenommen und seine Serie „Honky Tonk Pirates“ aus der Taufe gehoben. Inzwischen ist sogar hier bereits die Verfilmung des Stoffes auf dem Weg.

_Zur Story_

Piraten im Berlin des Jahres 1760? Wenn es nach Wilhelm Zacharias Karl Otto Stupps geht, dann ist er ein waschechter Vertreter dieser Spezies – auch wenn die Karibik für den kessen Vierzehnjährigen so weit entfernt scheint, wie der Mond. Zumindest einen Kampfnamen hat sich der geschickte und freche Dieb schon einmal zugelegt: „Höllenhund Will“. Seine Diebstähle kennzeichnet der dreiste Waisenjunge durch Zurücklassen von schwarzen Holzmurmeln, welche die Aufschrift „Pirat“ ziert. Damit hat er es schon zu einem gewissen Ruf erworben – vor allem beim Statthalter Berlins: Freiherr von Eulenfels. In den Kreisen des fetten und korrupten Preußen keinen besonders guten, weswegen dieser ihm auch allzu gern habhaft werden würde. Derweil schafft Will es jedoch sich stets dessen Zugriff zu entziehen und ihn sowie seinen Hofstaat zu verhöhnen. Nicht selten durch die Hilfe und Erfindungsgeist des zehnjährigen Afrikaners Jo, der stets vom Unglück verfolgt scheint. Überdies ein ausgesprochener Angsthase, der für Wills abenteuerliche Ader wenig Verständnis hegt.

Die beiden hausen recht feudal im Dachstuhl des Berliner Doms, der mit allerlei ausgeklügelten Fallen und Alarmsystemen gegen unbefugtes Betreten gesichert ist. Ihr geheimes Refugium war bislang auch stets sicher. Bis der dreiste Diebstahl eines seltsamen Schmuckstücks des „Schwarzen Barons“ du Talleyrand ihr Leben nachhaltig durcheinanderbringt und dieser seine graugewandeten Schergen loshetzt. Letztendlich verhaftet und zum Tode verurteilt, rettet die Jungs nur der Einsatz des „Chevalier du Soleil“ Moses Kahiki. Ein verschrobener Kauz mit wirklicher Piraten-Biographie in der Karibik. Und genau dorthin verschlägt es Will, Jo und Moses als Gefangene auf einem Schiff der Franzosen. In der neuen Welt angelangt, sieht sich Will in seinem von ihm mit Inbrunst gepflegten Vorurteil bestätigt, dass Frauen Ärger bedeuten. Die Anführerin der berüchtigten Piratenbande, zu der auch Moses gehört, ist Teenagerin Honky Tonk Hannah. Die hat es – wie so einige andere dubiose Gestalten auch – auf insgesamt vier Amulette und einen geheimnisvollen Diskus abgesehen, von deren machtvollen, mystischen Kräften Will nichts ahnt.

_Eindrücke_

Schon von der Covergestaltung her wird eine gewisse Nähe zur inzwischen berühmten Piratenserie um Jack Sparrow hergestellt, irgendwie erinnert das Emblem mit dem Totenkopf frappant an das Medallion aus dem ersten Teil von „Fluch der Karibik“. Auch inhaltlich kreuzen die beiden gelegentlich den Kurs, wobei das Jugendbuch sogar mal mehr oder weniger stark in dessen direktem Kielwasser segelt, sich aber dennoch ganz gut abzusetzen und eigenständig zu positionieren vermag. Joachim Masanneks Zielgruppe bei diesem Coming-to-Age-Abenteuer sind offenbar Jungs im Alter ab 10 bis 12 Jahren und aufwärts. Auf dieses Klientel ist die abenteuerliche Geschichte mit dem Mystery-Touch und ihrer vierzehnjährigen Identifikationsfigur hin gut ausgerichtet, wiewohl ein paar Lücken in der Logik bzw. im Setting auftauchen, die auch mit Magie nur schlecht zu schließen sind. Da besteht durchaus noch Erklärungsbedarf für die Nachfolgebände – jedenfalls aus Erwachsenensicht.

In den ersten drei Bänden wird beispielsweise nicht geklärt, warum Will vier Vornamen besitzt – was bei seinem vermeintlichen Straßenjungen-Background immerhin als bemerkenswert einzustufen ist. Dies spräche für zumindest gutbürgerliche oder gar adlige Herkunft, der gemeine Bewohner Berlins des Jahres Siebzehnhundertpiependeckel dürfte seine Sprösslinge eher mit nur einem einzigen Namen bedacht haben. Warum also deren vier? Auch seine Bildung ist für einen Vertreter seines Standes außergewöhnlich – insbesondere auch im Hinblick auf die Sprache. Denn wieso kann er sich in der Karibik anscheinend ohne Probleme mit allen Beteiligten verständigen? Zumal diese auch noch unterschiedlichen Nationalitäten angehören. Deutsch dürfte man in New Nassau wohl kaum als „Amtssprache“ verwenden. OK, eventuell Haarspalterei.

Vielleicht fallen solche Dinge auch nur deshalb ins Gewicht, da zwar stellenweise zu dick aufgetragen wird, die Kulisse an sich aber vergleichsweise real und authentisch gestaltet wurde. Das damalige Berlin und seine politisch-sozialen Strukturen kauft man Joachim Masannek fast durchgängig ab. Die Gegenspieler und ihre Methoden sind auch nicht grade zimperlich, zumindest für Maßstäbe, die man an einen Jugendroman anlegt. Der auflockernde Humor – quasi als Kontrastprogramm – zwischendrin wirkt dabei meist nicht allzu aufgesetzt. Auffallend ist jedoch die häufige Verwendung der Wort-Kreation „wunderwindwirbelig/e/er (Irgendwas)“ und der omnipräsente „Flitzfliegenschiss“. Dass manch verwendeter (Kraft-)Ausdruck sowie Tätigkeit der Moderne (z. B. „cool“, „Wasserski“ u.ä.) überhaupt nicht in die Epoche passt, ist stilistisch gesehen vielleicht nicht immer elegant, dürfte in allererster Linie dem Zielgruppengeschmack geschuldet sein – und ihn auch entsprechend gut treffen.

_Fazit_

Alles in allem liest sich das Buch flüssig, ohne gravierende Hänger und selbst so manche Ungereimtheit wie Stereotypie der Figuren verzeiht man dem Auftaktband der „Honky Tonk Pirates“. Der kann sich unter dem Strich vom schleichenden Verdacht des „Fluch der Karibik“-Nachahmers übrigens zwar nicht ganz freistrampeln, macht aber dank genug Eigenständigkeit ausreichend Lust auf die Fortsetzung(en). Das ist auch nötig, denn das Ende ist ein Cliffhanger, sodass „Das verheißene Land“ ohne Kenntnis zumindest des Nachfolgers „Das vergessene Volk“ alles andere als befriedigend abgeschlossen angesehen werden kann. Der beweist – nebenher bemerkt – auch, dass die Serie durchaus noch mehr Potenzial und vor allem Luft nach oben aufweist. Doch das ist buchstäblich eine andere Geschichte. Einstweilen gilt für den ersten Teil: Daumen hoch.

Hardcover, 224 Seiten
ISBN 978-3-570-15265-2
http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch

Joachim Masannek bei Buchwurm.info: „DWK Songs. Die wilden Kerle – Songbook“