Richard Matheson – Ich bin Legende (I Am Legend)

Der letzte Mensch und die Teufel

Die Titelstory lieferte die literarische Vorlage für die aktuelle, dritte Verfilmung mit Will Smith in der Hauptrolle. Robert Neville lebt als letzter Mensch auf Erden in einer Welt voller Vampire. Nachts verbarrikadiert er sich in seinem zu einer Festung ausgebauten Haus in L.A., tagsüber durchstreift er das Land der lebenden Toten auf der Suche nach Nahrung und Waffen. Er sucht ein Heilmittel für die Vampire. Doch diese warten darauf, dass er einen Fehler macht …

Der Band enthält zehn zusätzliche Geschichten vom Autor des Klassikers „Die seltsame Geschichte des Mr. C“ und von „Echoes“.

Der Autor

Richard Matheson, geboren 1926, ist ein amerikanischer Schriftsteller, der zunächst SF-Themen wie Mutationen („Die seltsame Geschichte des Mr. C“) und Pandemien („Ich bin Legende“) aufgriff, der aber seit den 1960er Jahren zunehmend als bedeutender Autor von Horror und Fantasy angesehen wird. Er schrieb Romane, Erzählungen und Filmdrehbücher.

Seine erste Geschichte „Born of Man and Woman“ erschien 1950 in „Magazine of Fantasy and Science Fiction“. Darin erzählt Matheson von einem erschreckenden Mutantenkind (das Ergebnis von radioaktiver Bestrahlung), das sich zu einer Art von Freiheit durchkämpfen muss. Das Element des Terrors, das es verbreitet, überschattet fast das Mutantenthema, ähnlich wie in Mathesons erstem Roman „Ich bin Legende“ (1954).

Matheson erhielt 1959 Zutritt zu Hollywood und schrieb 14 Drehbücher für die TV-Serie „The Twilight Zone“. Für Roger Corman und andere Regisseure schrieb er die Drehbücher zu „The House of Usher“ (1960), „The Pit an the Pendulum“ (1961), „Tales of Terror“ (1962), „Night of the Eagle / Burn Witch Burn“ (1962), „The Raven“ (1963), „Comedy of Terrors“ (1963), „Fanatic“ (1965), „The Devil Rides Out“ (1968) und „De Sade“ (1969). Er schrieb Skripte für die STAR TREK-Serie und auch die Vorlage zu Steven Spielbergs erstem Kinofilm „Duell“ (1971).

Seit ca. 1980 arbeitet Matheson mit seinem Sohn Richard Christian Matheson (geb. 1956) zusammen. Mathesons Hauptthema ist der Verfolgungswahn, Paranoia. In „Duell“ beispielsweise verfolgt ein riesiger schwarzer Tanklaster die Hauptfigur und jagt deren Wagen durch die Berge. Die Hauptfigur muss sich entwickeln und etwas einfallen lassen, um zu überleben, und das gelingt ihr schließlich auch – um einen Preis.

1) Ich bin Legende

Robert Neville hat seine Frau Virginia und seine Tochter Kathy im Sommer 1975 an die Seuche verloren. Sie fühlten sich immer schwächer und eines Tages waren sie tot. Der Ex-Marine begrub Virginia entgegen den Vorschriften in einer schattigen Wiese nahe seinem Haus in der Stadt, statt sie in die öffentliche Feuergrube für die Seuchenopfer zu kippen. Doch damit war er seine Frau nicht losgeworden. Sie kam als Untote zurück und er musste das tun, was man üblicherweise mit Untoten tun muss …

Überleben

Im Januar 1976 dreht Neville fast durch. Er hat seine Wohnung zur Festung ausgebaut, um den allnächtlichen Angriffen der Vampire standhalten zu können. Mit schöner Regelmäßigkeit schaut sein Nachbar Ben Cortman vorbei und verlangt von Neville herauszukommen. Doch er weiß, sie wollen bloß sein Blut. Die Frauen machen ihm sexuelle Angebote in der Hoffnung, ihn damit aus seinem Bau locken zu können. Neville hat damit ein echtes Problem, denn er hatte seit Monaten keinen Sex mehr. Nur Whisky kann sein Verlangen betäuben.

Kaum trauert er einmal an der Gruft, in die er seine Frau gelegt hat, vergisst er die Zeit. Und da seine Armbanduhr stehen geblieben ist, hat er den Zeitpunkt verpasst, an dem er spätestens wieder zurück in seinem Haus sein muss, bevor die Vampire aus ihren Löchern kommen. Nach hartem Fight gelingt es ihm, ihnen zu entkommen. Das wird ihm eine Lehre sein.

Im März beginnt er, sich mit dem Problem der Seuche zu befassen. Doch er weiß rein gar nichts über Blut, Zellen, Bakterien, Mikrobiologie an sich. Er hat viel nachzuholen und noch mehr Ausrüstung anzuschaffen. Dennoch macht er es zu seiner Lebensaufgabe, die Vampire, die er tagsüber in den Häuser im Koma liegend vorfindet, zum Tode zu befördern. Dafür hassen ihn die anderen umso mehr.

Der Hund

Zwei Jahre später hat er die Ursache der Seuche gefunden. Doch das Wissen hilft ihm nichts, denn er kann keinen Impfstoff herstellen, und so geht sein Morden von Vampiren weiter. Ein Wunder geschieht: Es gelingt ihm, einen Hund, der herumstreunt, so zutraulich zu machen, dass das Tier in seine Wohnung mitkommt. Doch dann wird der Hund krank und stirbt binnen einer Woche. Neville rätselt, warum er selbst immun gegen die Seuche ist, die anderen aber nicht.

Die Frau

Als er morgens eine Frau herumstreunen sieht, traut er seinen Augen nicht. Schreiend macht er sie auf sich aufmerksam, doch sein bärtiger, verwahrloster Anblick jagt ihr derartig Angst ein, dass sie sofort davonläuft. Es gelingt ihm, sie einzufangen und in seine Wohnung zu bringen. Wow, eine echte Frau. Wie konnte sie bloß überleben? Tausend Fragen werden durch seine Hilflosigkeit erstickt. Es dauert lange, bis sie ihm glaubt, dass er sie nicht vergewaltigen oder töten will. Sie heißt Ruth.

Doch ein nagender Zweifel bleibt. Was wäre, wenn sie doch eine der Infizierten wäre? Was, wenn es den Infizierten gelungen wäre, die Seuche durch eine neue Überlebensstrategie zu überwinden? Er nimmt eine Blutprobe von der aufgeregten Frau und legt die Probe unter sein Mikroskop. Was er sieht, schockiert ihn, doch für eine Reaktion ist es schon zu spät. Sie schlägt bereits zu …

Mein Eindruck

Die erzählte Handlung erstreckt sich vom Januar 1976 bis zum Januar 1979, also über drei Jahre, doch davor wirft Robert Neville einen Rückblick auf ein halbes Jahr Pandemie, die fast die ganze Weltbevölkerung ausrottet – oder sie zu Vampiren macht. Die Atmosphäre der Verlassenheit und der stetigen Verfolgung, ja der Belagerung, ist allgegenwärtig. Am Anfang ist Robert noch neurotisch und selbstzerstörerisch, doch nach ein paar Monaten erkennt er, dass nur eine Heilung der Seuche sein Überleben garantieren kann.

Damit liegt er zwar nicht falsch, aber anders als im [Will-Smith-Film]http://www.powermetal.de/video/review-1376.html findet nicht er die Lösung für das Problem, sondern Mutter Natur. Die Bakterien mutieren sehr rasch und bringt eine neue Variation der Seuche hervor. Sie erlaubt das Überleben des Wirtskörpers, d. h. der Menschen. Und als diese neue Rasse die Oberhand gewinnt, ist Robert Neville ein Auslaufmodell, das als exotisch und ketzerisch angesehen wird. Seine Hinrichtung als Strafe für seine zahlreichen Morde an den „Vampiren“ steht bevor …

Der Autor hat erkannt, dass nicht die Seuche böse ist, sondern das, was aus ihr folgt. Im heutigen menschlichen Körper haben es sich zahllose Bakterienarten gemütlich gemacht, ohne die wir Westeuropäer eine Reihe von Nahrungsmitteln nicht verdauen und nutzen könnten. Wenn sich diese Bakterien verändern würden, hätte das entweder den Tod des Wirtskörpers zur Folge oder eine Anpassung an die neuen Bedingungen. Das nennt man Evolution. Und die Evolution, die der Autor schildert, ist so verlaufen, dass Neville ein kurioses Auslaufmodell geworden ist. Und das weicht ebenfalls erheblich vom Schluss des Films ab.

Nach einem actionreichen Auftakt gelangt die Erzählung in langsameres Fahrwasser, wird bewegend und rührselig, wenn es um den Hund geht, bis schließlich die Frau Ruth wieder Bewegung ins Geschehen bringt. Denn sie gehört der neuen menschlichen Rasse an, die Nevilles Spezies den Untergang bringt.

2) Verborgene Talente

Auf der Kirmes steht eine Bude, bei der man mit drei Würfen von Tennisbällen in ein Goldfischglas einen Preis gewinnen kann. Kostet nur jeweils einen Vierteldollar. Das Geschäft geht gut, denn niemand schafft es, die Bälle im Glas zu versenken. Erst als ein merkwürdig schweigsamer Mann in schwarzem Anzug auftritt, scheint sich das Blatt zu wenden. Jeder seiner Würfe trifft. Doch statt stolz mit einem der Preise abzumarschieren, verlangt er weitere drei Bälle. Und nochmal und nochmal, denn alle versenkt er im Ziel. Eine Menge versammelt sich.

Der Erfolg des Unbekannten kommt dem Schaubudenbesitzer allmählich unheimlich und geschäftsschädigend vor. Er will den Mann nicht mehr weitermachen lassen und versucht, ihn zu beschummeln, indem er lügt, die Preise seien ja bloß Schaustücke. Ja, er wünscht ihn sogar zum Teufel. Da wendet sich der Unbekannte ab und geht, doch plötzlich durchfährt den Budenbesitzer ein entsetzlicher Schmerz …

Mein Eindruck

In den USA gibt es eine lange puritanische Tradition von Geschichten über den Teufel. Man kann ihn an Kreuzwegen treffen und mit ihm Wetten abschließen. Meist verliert man, und dann kriegt der Teufel die arme Seele. So auch hier in Mathesons Geschichte, die sehr makaber endet.

3) Die unlängst Verschiedene

Ein Mann in Trauerkleidung kommt ins Bestattungsinstitut und bestellt für seine junge, schöne Frau einen Sarg mit allem Drum und Dran. Überhaupt kein Problem, versichert ihm der Angestellte. Wo man die Verblichene denn abholen dürfe? Bei ihm daheim, lautet die Antwort. Und wann? Die Antwort erschüttert den Angestellten …

Mein Eindruck

Eine so genannte Short Short Story, die mit einer makabren Pointe zu verblüffen weiß.

_4) Beute_

Die ledige Amelia ist zwar mit 33 schon ein großes Mädchen, muss aber immer noch jeden Freitag bei ihrer Mami antreten. Seit einem Monat kennt sie Arthur, doch ausgerechnet am heutigen Freitag will er seinen Geburtstag mit ihr feiern. Ein Anruf bei Mom verläuft ergebnislos. Sie ist wie zerrissen zwischen den zwei Verpflichtungen. Dabei hatte sie Arthur ein so schönes Geschenk gekauft: eine Zuni-Fetischpuppe in Gestalt eines speertragenden Kriegers. Der Verkäufer hat Amelia gewarnt, nie die goldene Kette abzunehmen, die den Geist des Zuni-Kriegers gefangen halte.

Doch während sich Amelia ein Bad einlässt, sich auszieht und ein Bademantel ihre schlanke Gestalt umhüllt, fällt die Puppe so vom Beistelltisch, dass die Speerspitze sich in den Boden bohrt und die Kette herabrutscht. Der Geist des Kriegers ist frei. Und da seine einzige Aufgabe das Töten ist, begibt er sich schnellstens auf die Suche nach Beute. Er findet nur eine einzige in diesem neuen Jagdrevier. Sie mag groß sein, doch noch stets haben ein wohl gezielter Speerwurf oder ein Schnitt mit dem Jagdmesser das Wild zu Fall gebracht.

Schon bald sieht sich Amelia durch die Wohnung gejagt. Kann sie überleben?

Mein Eindruck

Die Puppe des Kriegers ist ein Dingsymbol für die psychischen Kräfte in Amelia, die sie zu ihrer Beute gemacht haben. Die Mutter auf der einen Seite, der neue Freund auf der anderen Seite. Kein Wunder, dass Amelia Kopfschmerzen hat. Amelia verändert sich in dem Kampf um ihr eigenes Überleben. Aus dem wehr- und hilflosen Opfertier wird eine einfallsreiche, wenn auch vielfach verwundete Kämpferin. Die Action ist anschaulich und fesselnd geschildert, so dass sich die Story von alleine liest.

Doch als Amelia den Krieger – nichts weiter als eine Puppe aus Holz, oder? – besiegt zu haben glaubt, beginnt der Fluch zu wirken, der auf dem gefangenen Geist liegt. Amelia verwandelt sich erneut.

In einer Ecke ihres dunklen Wohnzimmers, das Messer fest gepackt, wartet das Wesen, das einmal Amelia war, gespannt und begierig auf neue Beute: ihre Mutter. Schließlich ist heute Freitag.

_5) Hexenkrieg_

Sieben Jungfrauen sitzen in der Einsatzzentrale. Ein Offizier meldet den Angriff des Feindes. An die Arbeit, Mädels! Sie grinsen …

Die angreifenden Soldaten gehen in Flammen auf, werden von herabfallenden Felsen zerquetscht, von Meereswogen ersäuft, von Elefanten plattgetrampelt. Den Lastwagen und Panzern ergeht es nicht besser. Die Schlacht ist schnell vorüber. Regen bedeckt die Überreste.

Die Mädels haben’s mal wieder geschafft. Kramen die Kaugummis hervor, kichern ein wenig schuldbewusst, brechen in Lachen aus. Dann gehen sie zum Frühstück.

Mein Eindruck

Eine sehr schematische, geradezu skizzenhafte Geschichte tischt uns der Autor hier auf. Der einzige Reiz besteht in dem reizvollen Kontrast zwischen den jungen, hübschen Hexen und den grimmigen, wenn auch erschöpften Männer, die in Uniformen stecken. Der uralte Geschlechterkampf wird diesmal auf andere Weise und mit ungewöhnlichem Ausgang ausgetragen. Dennoch überzeugt die erzählerische Form dieser Shortstory nicht.

_6) Totentanz_

Im Jahr 1997, Jahre nach dem Dritten Weltkrieg, fahren zwei junge Pärchen in ihrem flotten Sportwagen aus der Provinz in die verwüstete Stadt Saint Louis. Sie wollen die berühmten Saint Louis Loopys sehen, und für dieses grausige Schauspiel dröhnen sie sich mit Drogen und Alkohol zu. Mit einer Ausnahme: Peggy ist erst 18 Jahre alt und hört noch auf die Anweisungen ihrer Eltern.

Erst als sie alle in dem schummrigen Kellerclub sitzen, erlaubt sie sich einen Schluck Sumpfwasser, ganz speziellen Alkohol. Die Szenerie wird bizarrer, und als dann die Hauptattraktion auftritt, wird die Szene irreal. Loopy kommt von LUP, und LUP steht für „Lebendig-tot-Phänomen“. Die Frau in dem durchsichtigen Fummel sieht bleich und halbtot aus, ihre Tanzbewegungen wirken eckig und unnatürlich.

Doch als sie unter dem Einfluss der dröhnenden Musik die Kontrolle über sich verliert, sich über die Brüstung stürzt und auf Peggys Tisch vor der Bühne knallt, kippt Peggys Welt in eine Katastrophe. Sie erwacht weit vor den Toren der Stadt und trinkt aus Buds Flachmann. Sein Fummeln ist ihr egal. Dieser neue Körper, in dem sie steckt, ist klasse: jung, heiß und so – lebendig …

Mein Eindruck

Der Titel „Totentanz“ ist hier wörtlich zu nehmen und erhält auf diese Weise eine höchst makabere Bedeutung. Die Seelenwanderung, die hier stattfindet, bedeutet für die Hauptfigur Peggy zugleich den Tod ihrer eigenen Seele. Was ihren Körper künftig bewohnt, ist etwas Untotes, ein Wiedergänger, und sie hat nichts dagegen, „Olivia Oyl“ genannt zu werden. Denn schließlich ist ihr Freund Bud ja Popeye, der furchtlose Seemann.

Ein trockener Humor mit großer Schadenfreude ist am Werk und vereint seine Kreativität mit einer einfallsreichen und stimmungsvollen Schilderung von jungen Twens, die in jedem „American-Graffiti“-Remake auftreten könnten. Nur, dass sie diesmal mit einer boshaften Hinterlassenschaft des Weltkriegs, bei dem Biowaffen eingesetzt wurden, zu kämpfen haben.

_7) Ein weißes Seidenkleid_

Das Mädchen liebt es, das weiße Seidenkleid seiner toten Mutter anzuziehen. Die Großmutter ist aber dagegen und hat den Schlüssel zum Kleiderschrank verborgen. Das Mädchen hält seine Mutter für die schönste Frau der Welt. Doch als Mary Jane, die Tochter der Nachbarn, daran zweifelt, dass die Mutter überhaupt existiert hat, wird die Erzählerin wütend und will ihr das Gegenteil beweisen.

Das Bett duftet nach der Mutter, der Frisiertisch duftet nach ihr, dort im Schrank ist das Seidenkleid und an der Wand hängt das Bild ihrer wunderschönen Mutter. Aber Mary Jane meint, das Zimmer rieche muffig, das Kleid habe ein Loch, im Schrank rieche es nach Müll und die Hände der Mutter sehen komisch aus und die Zähne stünden komisch vor. Da rastet unsere junge Erzählerin komplett aus.

Mein Eindruck

Der Leser muss die Hinweise selbst deuten, und das ist schon das halbe Vergnügen. Es handelt sich um eine Vampirgeschichte. Die Mutter der Erzählerin war eine Vampirin, daher die vorstehenden Zähne und klauenbewehrten Hände. Das Loch im Kleid könnte von einer Pfählung herrühren, was den fehlenden Körper erklärt. Aber die Essenz, der Geist der Mutter, befindet sich im Kleid, und als ihre Tochter dieses anzieht, werden die Bewusstseine von Tochter und Mutter eins – mit ensprechendem Appetit auf frisches Blut …

Wie so oft bei Matheson ist auch dies eine Story über Seelenwanderung.

_8) Irrenhaus_

Chris Neal lebt seit 18 Jahren mit seiner Frau Sally in diesem Haus. Er ist ein frustrierter Englischdozent an der Uni von Fort City und seine Schriftstellerhoffnungen haben sich alle in Luft aufgelöst. Die Dinge im Haus scheinen sich gegen ihn verschworen zu haben. Der Bleistift bricht ab, die Schreibmaschinentypen verhaken, der Teppich rutscht. Sein Hass verbreitet sich wie eine Rauchwolke im ganzen Haus und vergiftet die Atmosphäre.

Heute ist es so weit: Sally verlässt ihn. Soll sie doch! Er bringt es vor Hass und Zorn nicht über sich, sie um Verzeihung zu bitten. In der Uni macht er sich erneut unmöglich, als er grundlos eine Studentin schikaniert. Und seinem naturwissenschaftlichen Kollegen Dr. Morton möchte er auch nicht zuhören. Was für ein Spinner! Faselt etwas von „Psychobolismus“, der bewirke, dass sein, Chris‘, Hass das Haus vergifte und verändere. „Bislang hat Sally als eine Art Blitzableiter fungiert.“ Man höre sich diesen Schwachsinn an!

Als Chris in sein Haus zurückkehrt, findet er wieder Sally vor, die ihn um Wiederaufnahme bittet. Er wirft sie trotzdem hinaus. Kaum ist sie weg, attackieren ihn die Gegenstände des Hauses. Das letzte Objekt ist sein scharfes Rasiermesser …

Mein Eindruck

Diese längere Erzählung hebt sich von der Mehrzahl der Storys in dieser Sammlung ab. Sie ist nicht nur eine Horrorgeschichte, sondern auch das Psychogramm eines verhinderten Schriftstellers – etwas, was der Autor vielleicht ganz am Anfang seiner Karriere kannte (die Story wurde 1952 veröffentlicht), aber ganz sicher nicht mehr, als er zu einem der erfolgreichsten Drehbuchschreiber in Hollywood wurde.

Die Lektüre mag faszinierend sein, aber sie ist auch mit vielen negativen Gefühlen gespickt. Das Vergnügen hält sich daher stark in Grenzen. Vielleicht hat der Autor sie in diese Auswahl aufgenommen, weil sie am besten sein stilistisches Können zeigt.

_9) Bestattungsfeier_

Morton Silklines Bestattungsinstitut erhält ungewöhnlichen Besuch. Der Mann, der sich Mr. Asper nennt, bestellt eine Bestattungsfeier mit allen Schikanen. Nachdem sich Morton bereits mental sämtliche Finger ob der Einnahmen geleckt hat, fragt er nach dem Namen des zu Bestattenden. Mr. Asper antwortet, es handle sich um ihn selbst. Mortons Empörung über dieses schlechten Scherz legt sich erst, als Asper volle Bezahlung zusagt.

Der Tag der Feier ist gekommen. Morton hat geschuftet wie ein Irrer, um alles rechtzeitig fertig zu bekommen. Doch was ist das für eine Leichengesellschaft, die Mr. Asper da mitbringt? Eine Hexe mit Katze auf der Schulter, ein behaarter Werwolf, ein alter Graf im Umhang, ein Buckliger, der sicherlich Igor heißt … Und was mag wohl Ludwig Asper selbst sein? Als die Leichenfeier nach einem gesitteten Anfang und einer angemessenen Lobrede in wüstes Gezänk sowie in einen Brand ausartet, fällt Morton Silkline in eine gnädige Ohnmacht.

Doch Mortons ausgezeichnete Dienstfertigkeit hat sich unter den Kreaturen der Nacht herumgesprochen …

Mein Eindruck

Diese Story ist schon ziemlich betagt. Dass sie zuerst im Jahr 1955 erschien, merkt man auch der Beschreibung der Kleidung von Mr. Asper an. Der Vampir-Gentleman achtet ja aus Prinzip auf modisches Outfit: ein alter Hut, ein Mantel mit Samtkragen. Solche Kleider habe ich zuletzt in alten Hitchcock-Streifen gesehen.

Das Personal der Albtraumgestalten ist inzwischen wohlfeil, führt sich ungehörig auf und erinnerte mich daher an die Horrorparodie „Die Munsters“. Die Story wird lediglich durch die schaurige Pointe gerettet.

_10) Aus den Schatten_

Dr. Jennings eilt in die Wohnung von Peter Lang, wohin seine Tochter Patricia ihn gerufen hat. Ihrem Verlobten gehe es nicht gut und höchste Eile sei geboten. In der Tat erhält Jennings eine vage Vorstellung davon, dass mit Peter etwas nicht stimmt, als er die Wohnung verwüstet vorfindet. Peter selbst windet sich in schrecklichen Krämpfen unter dem Schlafzimmerfenster, gehalten nur von den schwachen Armen seiner Verlobten. Er wollte sich aus dem Fenster werfen, um so die schrecklichen Schmerzen zu beenden, die ihn peinigen. Jennings gibt ihm eine Beruhigungsspritze.

Was stimmt nicht mit Peter, will er wissen. Die Anfälle begannen bald nach Peters Rückkehr aus Afrika, wo er wieder mal Großwild gejagt hatte, erzählt Pat. Angeblich habe ihn ein Schamane verhext, behaupte Peter. Doch sie kann ebenso wenig an Hexerei glauben wie Jennings. Dennoch ruft sie mit Peters Einverständnis Dr. Howells, eine New Yorker Anthropologin. Die Schwarze sagt Peter gleich, was mit ihm los ist: Juju – schwarze Magie. Die Symptome, die sie beschreibt, jagen Dr. Jennings Schauder über den Rücken. Er traut seinen Ohren nicht.

Sie habe selbst vor sieben Jahren von einer Ngombo, einer Zulu-Schamanin, die Geheimnisse des Juju erfahren, erzählt Lurice Howells, und wurde selbst verhext – aber auch wieder davon geheilt, mittels Kuringa. Sie darf nun mit Patricias Einverständnis die Heilungszeremonie durchführen. Sie warnt Pat vor dem Kommenden, verschweigt aber das Schlimmste. Als sie aus dem angrenzenden Zimmer zurückkehrt, ist sie unter den Halsketten und dem Rock aus Taschentüchern völlig nackt. Patricia erblickt sofort eine Rivalin in ihr und hasst sie auf der Stelle aus Angst, sie könnte ihr Peter wegnehmen.

Doch das ist erst der Anfang. Die Zeremonie beginnt. Trommeln erfüllen das Zimmer. Und bald auch Schreie …

Mein Eindruck

Es geht hier nicht um Voodoo, und natürlich werden auch keine Zombies produziert. Es geht um den viel älteren Schamanenzauber Juju. Hexer soll es ja noch heute in Ostafrika geben. Der besondere Reiz der Geschichte liegt im Aufeinandertreffen dieser Hexerei mit Dr. Jennings moderner Medizin und der räumlichen Umgebung, einem modernen New Yorker Apartment. Auch Peter Lang, das Juju-Opfer, glaubt nicht an diesen „heidnischen Unsinn“. Aber er muss sich eines Besseren belehren lassen.

Bei der Zeremonie kommen zwei weitere gefährliche Faktoren ins Spiel: Rassismus und Sex. Nicht nur die Tatsache, dass Lurice Howells in ihrer Verkleidung als Schamanin aus einem anderen Kulturkreis stammt als aus dem des weißen, angelsächsischen Protestantismus (WASP), verursacht Unsicherheit und Angst. Nun hat sie sich auch noch nackt ausgezogen, eine üppige und höchst attraktive Frau. Sofort reagieren Mann und Frau unter den Anwesenden, als wären sie wilde Tiere in einem Käfig, völlig unbewusst. Pat wittert sofort die Rivalin in der Schamanin, die Männer den potenziellen Sexualpartner.

Als Lurice auch noch sexuelle Handlungen an Peter vornimmt, rastet Patricia komplett aus und verhält sich wirklich wie ein Tier ohne Sinn und Verstand. Das Gleiche gilt jedoch auch für Peter, der auf Lurices Verlockung eindeutig sexuell reagiert. Nur Jennings gelingt es halbwegs, bei Verstand zu bleiben. Es ist schon bemerkenswert, wie schnell die animalischen Instinkte auch in modernen Menschen geweckt werden können, die sich sonst einiges auf ihre kontrollierte Zivilisiertheit zugute halten. Und es ist enorm spannend zu lesen.

_11) Von Mensch zu Mensch_

David Millmann wacht mitten in der Nacht vom Klingeln des Telefons auf. Als er den Hörer seines Telefons, das auf dem Nachttisch steht, abhebt, ertönt das Freizeichen! Das Klingeln erklingt nur in seinem Kopf. Stundenlang. Er konsultiert seinen Therapeuten Dr. Palmer. Der rät ihm: „Gehen Sie ran.“ Millman tut so, als täte er es. Eine Stimme ertönt. Der Mann gibt sich als Regierungsagent aus, der Millmann als Teil eines Geheimprojekts mit einem Implantat versehen habe, damit er mit ihm „gehirnintern“ kommunizieren könne. Cool, nicht? Dr. Palmer findet das nicht witzig und erklärt, dieser Regierungsagent sei Einbildung, hervorgerufen von Millmans Unterbewusstsein. Ach so.

Als Millmann seinen Unglauben äußert, gibt sich der Anrufer als Erfinder zu erkennen, der mit einem coolen neuen Apparat seinen Kopf angezapft habe. Blödsinn! Der Mann gibt sich als Millmanns Vater zu erkennen. Dr. Palmer schüttelt nur stöhnend den Kopf. Was wird sich Millmans Unterbewusstsein als nächstes einfallen lassen? Millmann gibt endlich zu, ein Medium zu sein. Die Fähigkeit werde in der Familie vererbt. Palmer möchte Millman am liebsten schütteln. Auch das ist eine Täuschung seines Unterbewusstseins – schließlich könne es jede Stimme annehmen, die es wolle, oder?!

Dr. Palmer hat Recht, findet Millman. Vielleicht will mein Unterbewusstsein bloß, dass ich mich nicht mehr herumschubsen und ausnützen lasse, sondern endlich die Kontrolle über mein Leben übernehme – über Elaine und die zwei Söhne, über den Job, meinen Boss Fitch und alles andere.

Doch als Millman beim nächsten Anruf leugnet, am Telefon in seinem Kopf sei gar nicht sein Vater, ertönt eine völlig neue Stimme. Und mit ihrem höhnischen Gelächter klingt sie geradezu teuflisch …

Mein Eindruck

Diese Story ist reichlich makaber, denn sie führt das interne Konstruktions- und Spannungsprinzip bis zum Gehtnichtmehr weiter, bis die Hauptfigur an das Ende ihrer Existenz gelangt. Man könnte von einer [„Drehung der Schraube“ 1383 à la Henry James sprechen. Nur, dass diese Story im kurzweiligsten Stil geschrieben ist, den man sich vorstellen kann, fast schon auf dem Niveau eines Witzes oder einer Anekdote. Kein Wunder, dass die Lektüre völlig mühelos voranschreiten kann.

Am Schluss wechselt der Blickwinkel und wird subjektiv. Das führt dazu, dass wir nicht mehr sagen können, ob es den Teufel aus dem Telefon wirklich gibt oder ob es nicht schon wieder Millmans Unterbewusstsein ist, das sich meldet – und endlich die Oberhand gewonnen hat. Die Existenz des Teufels lässt sich also nicht eindeutig daraus ableiten. Und das ist auch gut so.

Als Abschluss des Bandes liefert der Autor etwas Witziges, Komisches und Ausgefallenes. Er hat uns ja zuvor schon genug Angst eingejagt. Aber auch diese Story hat eine boshafte Pointe.

_Unterm Strich_

Alle Beiträge in diesem Auswahlband sind höchst lesbar und wissen stets spannend zu unterhalten. Einzige Ausnahme ist vielleicht „Irrenhaus“, das doch recht langsam und ereignisarm daherkommt, um dann jedoch im Finale umso actionreicher zu werden. Das durchgehende Thema ist Paranoia, Verfolgungswahn. Das Phänomen der Verfolgung erscheint zunächst schlecht und furchterregend, doch es zwingt den Verfolgten, sich etwas einfallen zu lassen und zu wachsen, auf jeden Fall sich zu verändern. Die Art der Veränderung ist ganz unterschiedlich und häufig findet eine Seelenwanderung statt, die in einer Besessenheit mündet. Hier fallen die Pointen meist recht boshaft aus.

Die Übersetzung ist in der Regel sehr gelungen, allerdings ist die Sprache in „Ich bin Legende“ und anderen Erzählungen ein wenig veraltet, so dass ein moderner Leser kaum noch weiß, was die Redewendungen bedeuten. Hier wäre mal wieder eine Modernisierung angebracht. Nur Ralf Schmitz hat die moderne Sprache benutzt, nicht aber Lore Straßl, die seit den fünfziger Jahren SF und Fantasy in deutschen Landen übersetzte. Die Druckfehler, die es in jedem Taschenbuch gibt, halten sich sehr in Grenzen.

Taschenbuch: 400 Seiten
Originaltitel: I am Legend, 1995
Aus dem US-Englischen von Lore Straßl und Ralf Schmitz
www.heyne.de
wwws.warnerbros.de/iamlegend