Mayall, Felicitas – Hundszeiten

_Inhalt_

Laura Gottberg, zweifache alleinerziehende Mutter und Kommissarin, kann ihr Glück kaum fassen: Ihre Kinder Sofia und Luca sind in Sprachferien in England, und sie hätte theoretisch noch ein bisschen Zeit für sich, um zur Ruhe zu kommen und aufzutanken, und dann entspannt ihren Freund, den Commissario Angelo Guerrini, empfangen zu können.
Praktisch aber herrscht in München in diesem Sommer eine derartige Gluthitze, dass an Entspannung nicht zu denken ist. „Erholsamer Nachtschlaf“ sind nur mehr zwei Worte ohne Bedeutung, und die Sterblichkeitsrate vor allem alter Menschen steigt rapide an.

Laura und ihre Kollegen haben alle Hände voll zu tun, bei den vielen Todesfällen am Ball zu bleiben. Für Laura gewinnt auch ein etwas älterer Fall durch die Wiederverfügbarkeit eines Zeugen an Bedeutung. Was aber ihr wie auch all ihren Kollegen besondere Kopfschmerzen bereitet, ist die Tatsache, dass die Hitze sich auf ganz München so seltsam auswirkt. Alle sind gereizt, unkonzentriert – gewaltbereiter als sonst.

Durch einen Zufall lernt Laura am Isarufer einen Obdachlosen kennen, Ralf. In einem Nebensatz erwähnt er eine Gruppe, die sich am Fluss herumtreibt und die man besser meiden sollte.
Bald darauf wird Laura an die Isar gerufen: Ein Obdachloser wurde zu Tode geprügelt. Der Kommissarin fährt der Schreck in die Glieder: Hat Ralf seine eigene Warnung in den Wind geschlagen?

Berichte von nächtlichen Zusammenrottungen werden laut, von Menschen, die sich treffen, Reden halten, Lieder singen, die längst verboten sind. Der alte Fall Lauras und die neue bedrohliche Situation scheinen durch unsichtbare Fäden miteinander verwoben, und die Androhung von Gewalt hängt über der schwül-heißen Stadt wie eine düstere Gewitterwolke. Es ist klar, dass alles auf irgendeinen Punkt der Entladung hinausläuft, und Laura fragt sich schaudernd, wer danach noch stehen wird …

_Kritik_

Laura Gottberg steckt diesmal in einer Kombination aus Fällen, die aus dem Ruder zu laufen drohen. Während einer etwas wieder aufleben lässt, das längst vergangen sein sollte, stecken die Wurzeln des anderen tatsächlich tief in der Vergangenheit, und Laura muss wie bei einer Zwiebel Schicht um Schicht abtragen.

Die Fast-Fünfzigerin ist übrigens eine sympathische Hauptperson, manchmal etwas zu harsch, aber letztlich herzensgut. Und da ihre Mitarbeiter das auch wissen, gibt es zwar Reibereien, aber selten ernstlich Krach.

„Hundszeiten“ besticht durch die bedrückende Atmosphäre der sonnenheißen Großstadt, durch die aufgeladene, träg-hysterische Stimmung, in der jeder ein bisschen neben der Spur ist. Wer kann sich nicht noch gut an diesen Sommer erinnern, den die Medien als „Glutsommer“ titulierten und in dem den Radiohörern und Fernsehzuschauern an manchen Tagen nahe gelegt wurde, das Haus erst abends zu verlassen? Mayall fängt all diese Erinnerungen ein und verwebt sie mit den Fällen, die sie ihrer Protagonistin zu knacken gibt.

Nebenher hat Laura zusätzlich zu aller Gereiztheit auch noch mit dem Gedanken an die zögerliche, wenngleich innige Beziehung mit Guerrini zu kämpfen: Wie viel Raum will sie ihm in ihrem Leben lassen? Braucht sie ihn? Möchte sie sich überhaupt noch einmal auf so etwas einlassen? Und hat sie denn noch eine Wahl?

Wie üblich stellt Mayall ihrer Protagonistin diese und alle anderen Fragen stilistisch nicht nur einwandfrei, sondern wunderschön.

_Fazit_

„Hundszeiten“ ist der fünfte Fall, in dem Laura Gottberg von Felicitas Mayall auf die Pirsch geschickt wird. Schon der Erstling („Die Nacht der Stachelschweine“) war beeindruckend aufgrund der vielfältigen Variation leiser Töne und eines souveränen Sprachgebrauchs der Autorin, die sich nie im Ton vergriffen und stimmige, einprägsame Bilder geschaffen hat.

Dieses unbestreitbare Talent hat sich bis jetzt noch verfeinert; „Hundszeiten“ ist eine großartige Komposition fein abgestimmter Zutaten. Versprochen: Wenn Sie das Buch zur Hand nehmen und sich in die Beschreibungen vertiefen, werden Sie völlig desorientiert sein, wenn Sie wieder hochgucken. Und ganz abgesehen von diesen Glanzpunkten, die mich hier zu den wildesten Lobeshymnen hingerissen haben, handelt es sich bei diesem Roman um einen ausgesprochen spannenden Krimi mit einem Thema, das bedauerlicherweise viel zu aktuell ist.

|ISBN-13: 978-3-463-40526-1
gebundene Ausgabe: 416 Seiten|
http://www.rowohlt.de

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