McCaig, Donald – Rhett

Charleston zur Mitte des 19. Jahrhunderts: Der junge unbeugsame Rhett Butler wächst auf der Reisplantage seines Vaters auf. Schon früh überwirft er sich jedoch mit Langston Butler und verlässt das Elternhaus. Vor allem der Abschied von seiner jüngeren Schwester Rosemary fällt ihm schwer. Erst viele Jahre später treffen sich Rhett und Rosemary wieder. Rhett Butler ist inzwischen ein erfolgreicher Geschäftsmann, der für seinen Charme und seine Schlitzohrigkeit bekannt ist. Während seine geliebte Schwester Rosemary in die Ehe mit dem zuverlässigen aber langweiligen John Haynes gedrängt wird, bietet er ihr Halt, wann immer er kann.

1861 bricht der Sezessionskrieg aus, der Norden und Süden spaltet. Rhett ist einer der wenigen Südstaatler, der schon zu Beginn die Chancenlosigkeit des Südens erkennt, der zahlenmäßig bei aller Tapferkeit zu stark unterlegen ist. Auf einem Ball in Atlanta begegnet Rhett der jungen Scarlett O’Hara, einer temperamentvollen und eigensinnigen Südstaatenschönheit, die den sensiblen Ashley Wilkes begehrt, der jedoch bereits an die ebenfalls ruhige und sanfte Melanie Hamilton vergeben ist.

Rhett begreift sofort, dass er und Scarlett füreinander bestimmt sind. Noch nie hat ihn eine Frau dermaßen faszinieren können, und für ihre sinnlose Schwärmerei für den Gentleman Ashley hat er nur Spott übrig. Scarlett aber ignoriert sein Werben. Auch nach seiner Hochzeit trauert sie noch Ashley Wilkes hinterher. Während der Krieg tobt, nimmt sich Scarlett widerwillig ihrer heimlichen Rivalin Melanie an, um wenigstens auf diese Weise regelmäßig Kontakt zu Ashley zu haben. Und immer wieder stiehlt sich Rhett Butler in das Leben von Scarlett …

„Vom Winde verweht“ ist auch rund achtzig Jahre nach seinem Erscheinen ein höchst beliebter Klassiker, der auch durch die grandiose Verfilmung mit Clark Gable und Vivien Leigh unsterblich wurde. Das offene Ende, in dem sich die beiden – womöglich nur zeitweilig? – trennen, hat seitdem unzählige Fans beschäftigt und zu Spekulationen aufgerufen. 1991 folgte die Fortsetzung [„Scarlett“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3455063268/powermetalde-21 von Alexandra Ripley, die die Geschichte fortsetzte und ihr zu einem glücklichen Ende verhalf. Wer sich immer noch nach weiterem Material um eines der berühmtesten Liebespaare der Literatur sehnt, für den bietet „Rhett“ einen interessanten Stoff – diesmal mit dem Fokus auf Rhett Butler.

|Alte und neue Bekannte|

Ohne Zweifel ergibt sich erst dann ein besonderer Reiz aus „Rhett“, wenn man ihn mit dem Wissen um [„Vom Winde verweht“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3548269338/powermetalde-21 liest. Stand dort fast ausschließlich Scarlett im Mittelpunkt, erfährt man hier endlich Details aus dem Leben des legendären Schlawiners: Ereignisse aus seiner Kindheit und Jugend, der Bruch mit seiner Familie, das Verhältnis zu seiner Schwester Rosemary und die Bezüge zu Belle Watling. Belle Watling ist die rothaarige Prostituierte, die mit Rhett in enger Verbindung steht und für Scarlett in „Vom Winde verweht“ daher ein rotes Tuch war. Der Leser erfährt, dass er sich in jungen Jahren einmal wegen ihr duelliert hat und Belle ihm eine clevere Geschäftspartnerin war. Dennoch ist es keine Bedingung, Margaret Mitchells Roman zu kennen (auch wenn nur Banausen ihn nicht spätestens danach lesen wollen und werden).

Eine interessante Figur ist Rosemary Butler, die sich in den hübschen, schneidigen Andrew Ravenel verliebt. Trotz eines leidenschaftlichen Kusses in der Öffentlichkeit muss sie, um dem strengen Vater zu entfliehen, den weit weniger attraktiven, wenn auch anständigen John Haynes heiraten. Andrew dagegen, der im Krieg zu einem gefeierten Helden wird, heiratet die unscheinbare Charlotte. Ihre Tochter Meg bedeutet für Rosemary einen Lichtblick und eine der wenigen Gemeinsamkeiten mit ihrem Ehemann, doch viel zu früh muss diese in den Kriegswirren sterben – und damit hat Rosemary noch längst nicht alle schwierigen Zeiten hinter sich gebracht.

Ein ebenfalls oft leidvolles Schicksal ist Belle Watling zugedacht. Die Besitzerin des prunkvollen Etablissements „Chapeau Rouge“ ist zwar Rhett Butlers Vertraute, kann aber nicht mehr als seine platonische Liebe erringen. Der Leser erfährt die Herkunft ihres unehelichen Sohns Taz, der lange Zeit glaubt, dass Rhett Butler sein Vater sei, und gewinnt Einblicke in die enge Freundschaft zwischen Rhett und Belle. Zur tragischen Figur wird Belle, als sie sich mit Melanies Hilfe darum bemüht, eine „feine Dame“ zu werden und nicht mehr als Prostituierte zu arbeiten, ein Versuch, der bitter endet und Belle demonstriert, dass sie ihre Hoffnungen auf ein Leben als Mrs. Butler endgültig begraben muss.

Die Zeit des Bürgerkrieges wird längst nicht so intensiv wie in „Vom Winde verweht“ aufbereitet, dennoch gewinnt der Leser auch hier einen Einblick in die Schrecken des Krieges. Familien werden auseinandergerissen, Städte zerbombt und Plantagen in Brand gesetzt. Die wichtigsten Schlachten und Schachzüge der Unionisten und Konföderierten werden eingebracht. Angedeutet wird auch das wechselhafte Verhältnis zu der farbigen Bevölkerung. Selbst unter ihrem eigenen Volk stehen sich freie Schwarze und Diener, die bei ihren Herren bleiben, oft misstrauisch und ablehnend gegenüber, und es fehlt nicht an grausigen und schockierenden Szenen, in denen nach dem Krieg der neu gegründete Ku-Klux-Klan die Schwarzen verfolgt.

|Kopie mit Schwächen|

Auch wenn es auf der Hand liegt, soll ruhig noch einmal deutlich gesagt werden, dass „Rhett“ in keiner Weise mit „Vom Winde verweht“ mithalten kann. Es ist eine bestenfalls nette Light-Version und bietet vor allem den Fans des Originals neuen Diskussionsstoff sowie den Reiz einiger zusätzlicher Figuren. Doch allein schon der geringere Umfang bedeutet automatisch, dass „Rhett“ sich nicht viel Zeit für die Entwicklung der Handlung nimmt. Das Epos der Mitchell umfasst beinah tausend Seiten, McCaigs Werk ein paar hundert weniger, und das trotz rund zwanzig Jahren mehr Handlung. Viele Szenen, die man liebevoll-detailliert aus dem Original kennt, werden hier in wenigen Sätzen abgehandelt. Die Zeit zwischen dem Tod von Scarletts zweitem Ehemann und ihrer Hochzeit mit Rhett wird kaum erwähnt, die Umstände von Gerald O’Haras Tod nicht erklärt und den tödlichen Unfall von Scarletts und Rhetts Tochter Bonnie, die sie für lange Zeit entzweit, erfährt man sogar nur aus einem Briefwechsel zwischen Melanie und Rosemary. Auch das Sterben von Melanie verläuft unspektakulär und erreicht nicht im Mindesten die traurige Intensität der Vorlage. Für Nichtkenner des Originals wird außerdem die Figur von Will Benteen, der später Scarletts Schwester Suellen heiratet, unzureichend eingeführt.

Da die Geschichte den Fokus auf Rhett legt, fallen zwangsläufig einige Szenen aus „Vom Winde verweht“ heraus, die damals von Scarlett erlebt werden, etwa die schwierige Geburt von Melanies Sohn, während die Yankees in Atlanta einfallen. Leider können die Erlebnisse von Rhett, die man dafür im Gegenzug präsentiert bekommt, in kaum einem Fall an diese Schilderungen heranreichen, sondern bleiben blass dahinter zurück. Anhänger der Fortsetzung „Scarlett“ müssen außerdem erkennen, dass dieses Werk hier ignoriert und quasi eine Alternativ-Fortsetzung geschrieben wurde.

Zudem gibt es mehrere Unstimmigkeiten bei den Charakteren. Sind Rhett und Scarlett im Wesentlichen mit den Originalen identisch, so ist Melanie Hamilton Wilkes deutlich unglaubwürdiger geraten. Unbeabsichtigt belauscht sie ein Gespräch zwischen Rhett und Scarlett, das enthüllt, das Scarlett ihren ersten Ehemann, Melanies Bruder Charles, nie geliebt hat. Schwer vorstellbar, dass die sensible Melly, die ihren Bruder abgöttisch liebte und nichts mehr hasste als Unaufrichtigkeit, mit diesem Wissen Scarlett nach wie vor wie eine Schwestern geliebt haben soll. Noch schwerer vorstellbar sind die Briefe, die Melly an Rosemary schickt, in denen sie, zwar verhalten, aber dennoch ungewohnt offen über ihr sexuelles Verlangen nach Ashley schreibt – dem sie nicht nachgeben darf, da eine zweite Geburt ihr Leben gefährden würde – und ihre Eifersucht gesteht, weil sie über Scarletts und Ashleys gegenseitiges Begehren Bescheid weiß. Margaret Mitchells Melanie mag zwar geahnt haben, dass sich ihr Ehemann zur unbändigen und lebenslustigen Scarlett hingezogen fühlte – doch gleichzeitig wusste sie auch, dass sie ihm stets vertrauen konnte, dass er Melanie niemals für eine Affäre ohne Zukunft verlassen hätte. Die eifersüchtige Melly, die Rosemary gesteht, dass sie sich bemüht, bisweilen Zusammentreffen von Ashley und Scarlett zu verhindern, passt einfach nicht zum Verhalten des Originals und lässt die beeindruckende Stärke dieser Melanie vermissen.

_Als Fazit_ bleibt ein Wiedersehen mit Scarlett O’Hara und Rhett Butler, das sich vor allem für Hardcore-Fans des Originals eignet, die sich neuen Stoff um das Traumpaar herbeiwünschen. Nicht alle Personendarstellungen passen zur Vorlage, und das Werk erinnert nur in ganz wenigen Momenten daran. „Rhett“ ist ein lesbares Buch, das sich als Zeitvertreib eignet, aber keinesfalls ein Ersatz oder eine wirkliche Ergänzung für „Vom Winde verweht“.

_Der Autor_ Donald McCaig wurde 1940 in Montana geboren und zog 1971 mit seiner Frau ins Hochland von Virginia. McCaig hat sowohl Gedichtsammlungen herausgegeben als auch Artikel für Zeitschriften verfasst und bereits mehrere Romane über den Amerikanischen Bürgerkrieg geschrieben. Für seine Werke erhielt er bereits mehrfach Preise, unter anderem den |American Library Association Award| für das Beste Kriegsbuch, den |John Esten Cooke Award| für das Beste Südstaatenbuch und im Jahr 2000 den Ehrendoktortitel der Christopher Newport University. Die Fortsetzung „Rhett“, an der er vierzehn Jahre lang arbeitete, wurde von den Erben Margaret Mitchells autorisiert.

|Originaltitel: Rhett Butler’s People
Übersetzerin: Kathrin Razum
640 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag|
http://www.rhett-dasbuch.de
http://www.hoffmann-und-campe.de

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