Michael McCollum – Sternenfeuer (Gibraltar-Trilogie 1)

Im 24. Jahrhundert hat die Menschheit die überlichtschnelle Raumfahrt entdeckt. Erste Erkundungsmissionen und Fehlschläge offenbaren, dass es nur wenige für die Besiedlung geeignete Welten gibt. Fremde Intelligenzen hat man bisher ebenfalls nicht entdeckt.

Das ändert sich, als der Erkundungskreuzer |Magellan| unvermittelt Zeuge einer Raumschlacht zwischen zwei Raumschiffen wird. Eines ihrer Beiboote wird zerstört, die |Magellan| ebenfalls in das Gefecht verwickelt. Es gelingt mit Mühe und Not, das kleine feindliche Kampfschiff zu zerstören. An Bord des ebenfalls schwer beschädigten größeren Alien-Raumschiffs findet man überraschenderweise die Leichen vieler verschiedener Rassen, kann aber nur einen Überlebenden bergen: den affenartigen Sar-Say.

Sar-Say wird unter Geheimhaltung zu einer Raumstation im Erdorbit gebracht. Denn Welt-Koordinatorin Halstrom fürchtet eine Panik; die Entdeckung gleich mehrerer und offensichtlich in militärische Konflikte verwickelter Rassen wäre zudem Wasser auf die Mühlen von Gruppierungen, die eine weitere Expansion in den Weltraum als gefährlich und unverantwortlich ansehen. Auf der Raumstation |PoleStar| wird Sar-Say von der Linguistin Lisa Arden untersucht, die zudem seine Sprache erlernen soll. Es zeigt sich, dass Sar-Say wesentlich intelligenter als ein Mensch ist, denn er lernt viel schneller Englisch als Lisa das Idiom der Broa-Souveränität. Die Broa-Souveränität ist nach seinen Aussagen ein gigantisches Sternenreich vieler Völker, das von den Broa diktatorisch und kompromisslos beherrscht wird: Entweder man unterwirft sich bedingungslos oder man wird ausgelöscht. Doch es gibt Zweifel an Sar-Says Aussagen. Man kann ihn zwar keiner Lüge überführen, aber die von ihm geschilderte Situation ist sehr bedrohlich, und seine Geschichte bedarf der Überprüfung. Angeblich duldet die Broa-Souveränität Clan-Streitigkeiten, solange sie nicht ausufern oder die Vorrangstellung der Broa gefährden. Man plant eine Expedition in den Krebs-Nebel, um der Bedrohung durch die Broa zu begegnen und objektive Daten aus erster Hand zu sammeln.

Mit an Bord befinden sich Mark Rykand, der misstrauische Bruder der getöteten Beiboot-Pilotin, sowie Michail Vasloff, mit dessen Unterstützung er das Geheimnis um das Alien auf der |PoleStar| lüften konnte. Vasloff ist der Vordenker und Sprecher der stärksten isolationistischen Fraktion auf der Erde, „Terra Nostra“, und sieht seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt, lässt sich aber von der Notwendigkeit dieser Expedition überzeugen.

Der Autor: Michael McCollum

Mit „Sternenfeuer“ – im US-Original „Gibraltar Earth“ (1999), erster Teil der |Gibraltar Stars|-Trilogie, deren Fortsetzung „Gibraltar Sun“ (2006) in Deutschland im Juli 2008 unter dem Titel „Sternenstürme“ erscheinen wird – setzt der 1946 in Phoenix, Arizona, geborene ehemalige Luft- und Raumfahrttechnikingenieur Michael McCollum den Auftakt für seine neue Space Opera. Erstaunlicherweise hält er sich mit seinen erwiesenermaßen vorhandenen technischen Kenntnissen im Gegensatz zum Sammelband der [„Antares“-Trilogie 601 extrem zurück. Doch wie bereits in der |Antares|-Trilogie, die er 1986/87 begann, aber mit arger Verspätung erst 2002 knapp drei Jahre nach diesem Buch beendete, thematisiert er den drohenden Konflikt mit einer fremden Spezies. Diesmal stellt er jedoch eine andere Frage: Soll man sich verstecken, oder soll man einer möglichen Bedrohung offensiv begegnen? Die Antwort nimmt McCollum im englischen Titel „Gibraltar Earth“ bereits vorweg, denn Selbstbestimmung und Unabhängigkeit von Spanien sind allen Parteien des britischen Überseegebiets Gibraltar bei allen Unstimmigkeiten das höchste und gemeinsame Anliegen. Über die Umsetzung kann man sich natürlich streiten …

„Pax Terra“ für das ganze Universum, oder doch eher „Terra Nostra“?

Diesen Konflikt eröffnet McCollum zwar, aber er hat ihn, wie bereits erwähnt, grundsätzlich schon im Titel beantwortet. Terra Nostra wird als eine trotz guter Vorsätze grundsätzlich fehlgeleitete Organisation dargestellt. In Krisenzeiten ist die Menschheit eben doch einer Meinung, und die richtige ist es nach Aussage dieses Buches, Weltraumpolizist zu spielen und jeder Bedrohung präventiv und offensiv zu begegnen – und das gesamte Restuniversum zu retten. Das grundlegende Gedankengut amerikanischer „Falken“ ist so stark und offensichtlich vertreten, dass aus dieser Serie eine der politischsten Space-Operas der letzten Jahre wird. So wird Welt-Koordinatorin Halstrom beispielsweise als sympathische und verantwortungsvolle Person dargestellt, denn Atomwaffen sind geächtet und existieren nicht mehr. Dafür hat man Meteoriten im Erdorbit geparkt, um sie beim Bedarf gegen Großstädte einzusetzen, wozu man jedoch hoffentlich nie gezwungen sein wird. Das ist nur eines von vielen Beispielen, die mich an der Gesinnung des Autors haben zweifeln lassen, wobei ich mir aber auch vorstellen kann, dass es in den Folgebänden Konflikte zwischen Terra Nostra, der Expedition zum Krebs-Nebel und der Welt-Koordinatorin geben könnte. Ein schaler Geschmack bleibt dennoch haften, denn McCollum scheint diese Vorgehensweise nicht zu hinterfragen, sondern zu befürworten.

Bei aller Fiktionalität kann man die Broa-Souveränität ganz klar der recht diffusen Seite des Bösen namens Terrorismus/Irak zuordnen, die tapferen freiheitsliebenden Patrioten der Erde sind natürlich Amerikaner, die gegen ein technisch bemerkenswert rückständiges, obwohl uraltes, riesiges Sternenreich in den Krieg ziehen; in diesem Buch aus unterlegener Position, der Dramatik wegen. Die Broa-Souveränität existierte schon lange bevor der erste Quastenflosser seinen Landgang machte, aber weder waffen-, computer- noch antriebstechnisch ist man den Menschen bedeutend voraus. Im Gegenteil, man verlässt sich auf ein engmaschiges Netz von Sternentoren, weshalb man auf Überlichtantriebe grundsätzlich vollkommen verzichtet; menschliche Neugier oder Freiheitsdrang scheinen allen anderen Rassen auch völlig fremd zu sein. So erhalten die Broa sich mit der Kontrolle über das Netz auch die Kontrolle über alle Völker in ihrem Reich.

Diese recht klischeehafte ideologische Überspitzung verwunderte mich, denn weder im nur drei Jahre danach erschienen Abschlussband der |Antares|-Trilogie noch sonst schlägt McCollum solche Töne an. Auch die Darstellung seines Außerirdischen, Sar-Say, ist verglichen mit der differenzierteren in der |Antares|-Trilogie geradezu primitiv: Er denkt wie ein Mensch und verhält sich auch genauso. Ist er aufgeregt, zeigen sich dieselben physiologischen Auffälligkeiten wie bei einem Mensch, er fällt in seine Muttersprache zurück oder wirkt fahrig, gebärdet sich aufgeregt in Erregungszuständen. Er ist ja auch äußerlich ein haariger Affe mit intensiv gelben Augen, der äußerst gerissen die Menschen aufs Kreuz legen will. Fast war ich geneigt, ihn mir mit einem Bart und Turban/Kufiya vorzustellen. Natürlich kann man so einem Wesen nicht trauen, oder?

Völlig fremdartig kam mir in diesem Roman hingegen das unheimliche Wesen, genannt „Frau“, vor, hier in Person von Lisa Arden. Fast könnte man meinen, der Roman wäre nicht 1999, sondern 1899 geschrieben worden. Ich glaube nicht, dass McCollum hier bewusst mit einem in die ferne Zukunft verlegten rückständigen und extrem gestrigen Geschlechterverhältnis spielt, allerdings war er sich selbst in seinen vorherigen Romanen in dieser Hinsicht bereits weit voraus. Wussten Sie, dass es nicht damenhaft ist, so unerhörte geharnischte Kraftausdrücke wie „verdammt“ zu verwenden? Es kommt aber noch schlimmer; Mark Rykand sieht die holde Lisa vom Raumanzug im Weltraum aus durch das Bullauge der |PolarStar| nackt unter der Dusche. Daraus erwächst eine Liebesbeziehung, die in einer höchst pathetischen, händchenhaltenden Ansprache auf dem Felsen von Gibraltar, der anscheinend zwecks Symbolcharakter zum Ort des ersten Dates auserkoren wurde, mündet. Diese Liebesgeschichte ist eine literarische Katastrophe, was allerdings nicht ganz unerwartet kommt. McCollum überzeugte stets mit spannenden Ideen und interessanten Szenarien, nicht mit seinen literarischen Qualitäten, zu denen die Beschreibung von Liebesszenen zweifellos nicht zählt.

Fazit:

Dieser Auftaktroman hinterlässt leider einen faden Nachgeschmack. Es werden kräftig hehre Ideale auf abgedroschene Weise beschworen und amerikanisches Selbstverständnis in die Zukunft projiziert, das Alien ist menschlicher als die Menschheit selbst, während diese sich gesellschaftlich mehrere Jahrhunderte in der Vergangenheit befindet. Das Buch endet mit einer Kampfansage an die Broa, die noch gar nicht wissen, dass die Menschheit überhaupt existiert. Denn in diesem Buch reist man gerade einmal in den Krebs-Nebel und macht erste Beobachtungen, es folgen markige Worte und der Hinweis, in „Sternenstürme“ weiterzulesen.

Sehr viel Mühe gibt sich McCollum mit Sar-Say und Lisa Arden, Mark Rykand und Michail Vasloff. Als Charaktere sind diese jedoch dünn, McCollum ist kein Charakterdarsteller. Er lebt von Handlung und Ideen, die Handlung wird in diesem Buch jedoch erst aufgebaut. Vielleicht wird daraus noch eine akzeptable, spannende Space-Opera, in diesem ersten Band krankt sie jedoch noch an schwachen Charakteren und schlimmem Pathos. Um |Operation Enduring Freedom| zu erleben, muss ich keine Science-Fiction lesen. Interessanterweise schlägt Michael McCollum im nur drei Jahre später erschienenen „Antares-Krieg“ viel differenziertere Töne an. Das macht mir ein wenig Hoffnung auf eine bessere Fortsetzung in „Sternenstürme“, dessen US-Original 2006 erschienen ist.

Taschenbuch: 448 Seiten
Originaltitel: Gibraltar Earth (1999)
Übersetzt von Martin Gilbert
Deutsche Erstausgabe 2007
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