McDermid, Val – Alle Rache will Ewigkeit

_Story:_

Für Magda Newsam soll mit der Eheschließung endlich ein neuer, unabhängiger Lebensabschnitt beginnen. Doch noch vor der Hochzeitsnacht wird ihr Bräutigam Philip während der Feierlichkeiten ermordet und hinterlässt die junge Witwe ratlos. Die Spur führt direkt zu Philips Geschäftspartnern Paul Barker und Joanna Sanderson, die in der gleichen Nacht bei einer wilden Orgie ertappt werden und offenbar vertuschen wollten, dass sie im Hintergrund zwielichtige Geschäfte geführt haben, um in die eigene Tasche zu wirtschaften – und der Ermordete soll dies gewusst und mit Verrat gedroht haben.

Die Sache scheint auch den Richtern klar, die Joanna und Paul nun den Prozess machen. Doch ausgerechnet Magdas Mutter Corinna will nicht glauben, dass sich die Ereignisse so zugetragen haben. Schließlich beauftragt sie ihre ehemalige Studentin Charlotte Flint, die als Profilerin jüngst großen Schaden davongetragen hat. Mit einem Gutachten boxte sie einen offenkundig unschuldig angeklagten Mordverdächtigen aus der Patsche, musste später jedoch miterleben, wie der Klient vier Frauen umbrachte. Eine Rehabilitation wäre dringend vonnöten, um ihren Ruf wiederherzustellen – und gerade deshalb kommt Corinna Newsams Angebot auch zur richtigen Zeit.

Doch die Spurensuche erweist sich als äußerst schwierig, da Corinna bereits den Verdacht hegt, Magdas neue Liebhaberin Jay sei in die Sache verstrickt. Anhand eines mündlichen Dossiers erläutert sie ihrer einstigen Studentin am Oxford-College, dass die neue Partnerin eine Blutspur hinter sich herzieht und bereits mehrere Leichen auf ihre Kosten gehen. Charlie sieht die logischen Parallelen, will sich davon jedoch nicht blenden lassen und begibt sich schließlich auf die Suche.

Derweil nutzt sie die Gelegenheit, um ihre aufregende Internetbekanntschaft Lisa Kent aufzusuchen und zu sehen, inwiefern ihre Gefühle für Dr. Flint echt sind und ob es erstrebenswert ist, ihre treuherzige Partnerin Maria zu verlassen, um sich auf dieses Abenteuer einzulassen. Oft genug wird sie von diesen Gedanken angespornt, doch gleichzeitig kümmert sie sich um die heimlichen Ermittlungen, die immer weitere Skandale ans Licht bringen und die Autorin Jay Stewart zur einzig möglichen Verdächtigen für gleich mehrere Mordfälle machen.

Doch je weiter sich Flint in die Sache hineindenkt, desto widersprüchlicher scheinen die Argumente. Also muss sie ganz weit in die Vergangenheit reisen, auf ihr Glück vertrauen und schließlich mit absurden Mitteln den Fall lösen – allerdings wird genau dies zur größten Gefahr, der sich die Psychologin bis dato ausgesetzt hat …

_Persönlicher Eindruck:_

Standalone-Roman von Val McDermid sind immer eine recht eigenwillige Sache. Zu sehr hat man sich inzwischen an ihren Protagonisten Tony Hill gewöhnt, als dass man sich von dem Gedanken lösen könnte, der inzwischen Erfolg garantierende Hauptdarsteller könnte mit seiner Abstinenz genügend Spielraum für eine wirklich starke, unabhängige Story schaffen. In „Alle Rache will Ewigkeit“ hat die Bestseller-Autorin tatsächlich große Mühe, einen Spannungsbogen zu kreieren und ihre Figuren insofern sympathisch für den Leser zu machen, dass dieser hier auch ein paar Identifikationswerte erkennt, die ihn schließlich an die Story binden.

Gerade im ersten Drittel des Romans schleppt sich die Handlung zu uninspiriert vorwärts und enttäuscht mit einigen Längen, die zwar zu einem späteren Zeitpunkt eine logische Erklärung erfahren, den Genuss jedoch merklich trüben, weil man nie so recht sehen kann, was McDermid im Schilde führt und wie aus den geschaffenen Voraussetzungen eine wirklich gute Kriminalgeschichte entwachsen soll. Erst im Schlussabschnitt nimmt die Sache Fahrt auf, wirkt aber phasenweise wie ein alibimäßiges Plädoyer, um die teilweise übermäßig ausgedehnten Teilstränge als notwendig zu rechtfertigen. Doch gerade im Hinblick auf die eigentlich überflüssigen Beziehungsgeflechte der hauptsächlich lesbischen Hauptfiguren wäre eine Beschränkung auf die wesentlichen Punkte oftmals von Vorteil gewesen.

Zunächst versucht die Autorin jedoch, ihre Charaktere mit viel Liebe zum Detail aufzubauen. Im Fokus ist dabei Charlotte ‚Charlie‘ Flint, die seit einiger Zeit Mail-Kontakt zu einer Frau hat, von deren Art sie sich magisch angezogen fühlt. Der Zwiespalt, ob sie an ihrer treuen Beziehung festhalten oder doch lieber das riskante Abenteuer wagen soll, frisst sie auf. Gleichzeitig leidet sie sehr an ihrer jüngsten beruflichen Vergangenheit, da sie indirekt dazu beigetragen hat, dass ein unberechenbarer Psychopath vier Frauen um die Ecke bringen konnte.

All diese Gedanken spielen auch weiterhin eine Rolle, als sie eine verschlüsselte Nachricht enthält, die sie zu ihrer früheren Dozentin Corinna Newsam führt – und ihr in allerlei Hinsicht eine neue Chance bereitet. Nun kann sie offiziell die Nähe zu Lisa suchen, kann ihren Fauxpas ausgleichen, kann etwas Distanz zu Maria aufbauen, um sich ihrer Gefühle klar zu werden, gleichzeitig aber auch ihre persönlichen Interessen ausleben, da es ihr verlockend scheint, die polarisierende Jay Stewart ins Abseits zu drängen. All diese Motive kulminieren bei den Ermittlungen und sind grundsätzlich eine ausreichende Basis, um einen sehr emotionalen, spannenden Thriller zu kreieren.

Doch allzu oft vermasselt McDermid diese Gelegenheit, indem sie sich zu sehr in vermeintlich wichtige, aber schlussendlich fast belanglose Entwicklungen innerhalb der Story hineinsteigert. Die Techtelmechtel zwischen Charlie und Lisa verleihen der Erzählung keine Impulse, die Spannung, die zwischen beiden besteht, ist recht bald ein lästiger Nebeneffekt. Aber auch die übrigen homosexuellen Liebschaften vertiefen sich zu sehr in Klischees und scheinen zumeist lediglich dazu verwendet worden zu sein, die gleichgeschlechtliche Emanzipation voranzubringen. Doch dazu ist schon etwas mehr nötig, als hier und dort ein paar Pro-Statements abzugeben und sie einfach so stehenzulassen.

Die nächste interessante, später aber nicht mehr so gut umgesetzte Alternative, die McDermid für „Alle Rache will Ewigkeit“ gewählt hat, ist der Text im Text. Im steten Wechsel erfährt man aus der Autobiografie von Jay Stewart, welche Gedanken die Tatverdächtige plagen, wie sie ihre Kindheit verbracht hat, was sie aus ihrer Sicht während der Phasen der Mordkomplotte getan hat, usw. Dieses Element weckt zu Beginn noch Interesse, da die Geschichte auf zwei Ebenen gut funktioniert. Doch auch hier verliert die Autorin irgendwann den Pfaden und setzt nicht mehr die nötigen Akzente.

Die Rettung für Val McDermid besteht am Ende darin, dass sie mit der Kraft ihrer Worte noch eine Menge herausreißen kann und sich daher auch auf ihre stilistische Raffinesse verlassen darf. Trotz der inhaltlichen Schwächen ist der Roman sehr intelligent und einfach gut geschrieben, weshalb man auch problemlos bei der Stange bleibt und keine gezielte Abneigung entwickelt. Doch man hat an eine solch namhafte Schreiberin natürlich auch eine etwas höhere Erwartung, was die Story und vor allem die kriminalistischen Passagen betrifft. Und diesbezüglich ist „Alle Rache will Ewigkeit“ nicht auf dem Niveau angesiedelt wie so manch anderer Roman aus der Feder von Val McDermid!

|576 Seiten, broschiert
Originaltitel: Trick of the Dark
Übersetzung: Doris Styron
ISBN-13: 978-3426509937|
http://www.droemer-knaur.de
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