McGuire, Seanan – Winterfluch (October Daye 1)

Vampire, Werwölfe, Dämonen – bislang sind die übersinnlichen Wesen, die die Urban Fantasy bevölkern, vor allem groß und gefährlich. Das ändert sich allmählich. Das kleine Volk drängt sich ins Bücherregal, zuletzt Seanan McGuires Reihe „October Daye“, in deren Mittelpunkt ein Wechselbalg steht.

October Daye, genannt Toby, hat einen Menschen als Vater und eine Elfe als Mutter. Sie ist ein Wechselbalg und ihr Stand in der Welt der Fae ist ungefähr so schmeichelhaft wie diese Bezeichnung. Wechselbälger gelten als niedere Kaste in San Francisco, da ihre magischen Kräfte beschränkt und sie nicht unsterblich sind. Nur einige der Fae lassen sich dazu herab, sie gut zu behandeln. Eine davon ist Evening Winterrose, eine strenge, aber gerechte Fürstin in der adligen Welt der Feen. Eines Tages wird sie kaltblütig ermordet, doch sie hat ihren Tod vorausgeahnt und eine Nachricht auf Tobys Anrufbeantworter hinterlassen. Und einen Fluch, der dafür sorgt, dass Toby sterben wird, sollte es ihr nicht gelingen, Evenings Mörder zu stellen.

Eigentlich hatte sich Toby seit einem Vorfall vor einigen Jahren sowohl von Menschen als auch Fae zurück gezogen. Nun muss sie unfreiwillig wieder unter Leute gehen. Gut ist, dass sie sich auf alte Freunde verlassen kann. Sylvester, ihr Lehnsherr und Herzog des Feenreichs Schattenhügel, bietet ihr sofort jede Hilfe bei der Suche nach Evenings Mörder an. Auch Devin, ebenfalls ein Wechselbalg, mit dem Toby eine unglückliche Beziehung hatte, steht ihr zur Seite. Doch nicht alle sind ihr gewogen. Ein Unbekannter hat es auf sie abgesehen, und er macht keine halben Sachen …

Nach den Erfolgen von Holly Black und Melissa Marr veröffentlicht die Amerikanerin Seanan McGuire ihr Debüt „Winterfluch“. Ähnlich wie Marr bezieht sie sich dabei sehr stark auf Sagen und Legenden über Feen. Die Verwundbarkeit durch Eisen, die Verwendung von Salbe unter den Augen, damit Sterbliche die Wesen sehen können, das Feudalwesen – dies alles ist bekannt. Leider schafft die Autorin es nicht, diesen Elemente ein neues Gesicht zu geben. Die Kulisse wirkt zwar gut recherchiert, doch es möchte kein rechter Zauber entstehen. Es gelingt McGuire nicht, das verzauberte San Francisco so dar zu stellen, dass der Leser darin versinkt wie in einer komplett neuen Welt. Auch die Verknüpfung mit dem Großstadtsetting hätte besser sein können. „Winterfluch“ erweckt den Eindruck, dass es auch in jeder anderen amerikanischen Großstadt hätte spielen können, da das entsprechende Lokalkolorit nicht richtig herauskommt.

Toby Daye hat eigentlich alles, was einen guten Charakter ausmacht: Eine düstere Vergangenheit, ein überhöhtes Misstrauen gegenüber Menschen und Feen und eine clevere, kämpferische Persönlichkeit. Wie viele Protagonisten im Genre ist sie eine Einzelgängerin. Obwohl die Autorin ihre Wesenszüge und Eigenschaften gut darstellt und sie durchaus von anderen Figuren abgrenzt, springt der Funke nicht über. Ähnlich wie bei der Kulisse hat man das Gefühl, dass Toby in gewisser Weise austauschbar ist. Das ist auch bei anderen Charakteren so. Die Personen sind nicht schlecht, aber einfach nicht originell genug, um die Geschichte lebendig werden zu lassen. Das hängt möglicherweise auch damit zusammen, dass McGuires Schreibstil nicht gerade besonders sprühend ist. Sie erzählt aus Tobys Perspektive, allerdings sehr ruhig und beherrscht mit gemäßigtem Humor. Dadurch hält sie den Leser auf Distanz, was nicht gerade geschickt ist.

Die Handlung hingegen kann punkten. Sie besitzt einen guten Spannungsaufbau, der zwar am Anfang etwas flach verläuft, gegen Ende aber ordentlich anzieht. McGuire macht nicht den Fehler, die Geschichte durch Nebenhandlungen ausfransen zu lassen. Sie konzentriert sich auf die Suche nach dem Mörder und deckt parallel dazu wichtige Details aus Tobys früherem Leben auf. Außerdem gestaltet sich das ganze wie ein Spaziergang durch San Franciscos übersinnliche Welt. Schrittweise führt sie neue Arten von Wesen oder Fae ein, dies jedoch so geordnet und ruhig, dass man als Leser nicht den Überblick verliert. Am Ende steht ein Finale, bei dem man das Buch nicht aus der Hand legen kann und das vor allem durch seine überraschenden Wendungen gefällt.

Eine gute Handlung auf der einen, schwache Charaktere und eine austauschbare Welt auf der anderen Seite – „Winterfluch“, der Auftakt der „October Daye“-Reihe, ist nicht unbedingt ein Pageturner. Gerade die Protagonistin, die in einer Serie sehr wichtig ist, schafft es nicht, den Leser an sich zu binden. Das Ende der Handlung besitzt zwar einige wirklich spannende Stellen, doch das entschädigt nicht dafür, dass die Geschichte auf weiten Strecken nicht überzeugen kann.

|Originaltitel: Rosemary and Rue – An October Daye Novel
Aus dem Englischen von Michael Krug
339 Seiten, Taschenbuch
ISBN-13: 978-3802582882|
http://www.egmont-lyx.de
[„Website der Autorin“]http://www.seananmcguire.com

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