Meirose, Astrid / Pruß, Volker / Bertling, Simon / Hagitte, Christian / Sieper, Marc / Ihrens, O. – Schattenreich 9: Totengeläut

_Ödipale Fahndung nach der Mutter_

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt – er war fünf Jahre im Ausland – wird der junge Kulturwissenschaftler Christian Wagner in mysteriöse Todesfälle verwickelt. Als ihn eine unsichtbare Macht ins Schattenreich entführt, enthüllen sich ihm die Nachtseiten der menschlichen Natur. Hinter den Masken bürgerlicher Wohlanständigkeit treibt ein skrupelloses Netzwerk ein größenwahnsinniges Spiel.

Der Äygptologe Prof. Jan Erik Walberg, der Christian anrief und treffen wollte, ist unauffindbar: Wurde er entführt? Oder hat er sich absetzen müssen, weil seine Forschungen an Mumien alle moralischen Grenzen überschritten haben? Ein grausiger Fund, den Christian Wagner in Walbergs Labor macht, lässt Schreckliches erahnen.

In einem unterirdischen Archiv entdeckt Wagner eine alte Inventarliste über die Öffnung eines Pharaonengrabs, signiert mit dem Zeichen der Nephilim, dem Auge des Horus. Wagner erkennt, dass die Vergangenheit die Gegenwart auf grausame Weise einholen wird. Oder ist er selbst Akteur in einem Spiel, welches das Leben nur simuliert? Eine Sternenkarte könnte ihm den Weg weisen.

Die Karte zeigt eine Planeten- und Mondkonstellation, die nur an einem bestimmten Tag stattfindet und auf eine Kultstätte verweist, die er finden muss – auf einer Nordseeeinsel. Dort findet ein ungeheuerliches Ritual statt, vorgenommen von seinem Mentor Dr. Bruno Schwab. Doch plötzlich tritt eine feindliche Gruppe auf. Ist die finale Auseinandersetzung der Nephilim mit den Titanen gekommen?

Was geschah vor fast 100 Jahren, das zwei befreundete Familien zu Feinden werden ließ? Des Rätsels Lösung scheint in den Tiefen der Villa Scholl zu ruhen. Wagner bemerkt zu spät, dass er selbst der Hüter des Geheimnisses ist. Er gerät unter den Einfluss einer Geheimgesellschaft. Deren Mitglieder sind Anhänger eines genialen Herrscherpaares, dessen Wirken die Kultur fast für immer aus dem Gedächtnis gelöscht hätte. Nun scheint ihre Zeit des Handelns gekommen zu sein. Doch wohin wird ihr Weg sie führen?

Folge 9: Abermals kehrt Christian Wagner auf die Insel seiner Kindheit und Jugend zurück. Hier hofft er die Wurzeln seiner ungeklärten Herkunft zu ergründen. Wird ihm der Weg in die eigene Vergangenheit zum Verhängnis werden? Als eine Sturmflut aufkommt, offenbart ihm die Insel noch ein anderes Geheimnis.

_Die Autoren_

Als Autoren zeichnen Astrid Meirose und Volker Pruß verantwortlich. Mehr über die Serie findet man unter http://www.schattenreich.net.

Folge 1: [Die Nephilim 2912
Folge 2: [Finstere Fluten 2914
Folge 3: [Spur in die Tiefe 3767
Folge 4: [Nachthauch 3790
Folge 5: [Im Grab des Ketzers 4437
Folge 6: [Echnatons Vermächtnis 4466
Folge 7: [Hinter schwarzen Spiegeln 5047
Folge 8: [Das blinde Auge des Horus 5186
Folge 9: Totengeläut
Folge 10: Prolog im Himmel (Schluss?)

_Die Sprecher & Die Inszenierung_

Die Rollen und ihre Sprecher:

Christian Wagner: Alexander Scheer
Tina Müller: Anna Thalbach
Alexa Voss: Anne Moll
Dr. Bruno Schwab: Volker Brandt (dt. Stimme von Michael Douglas)
Adrian Bloch: Norman Matt (Cillian Murphy, Jonathan Rhys-Meyers)
Max Lohmann: Manfred Lehmann (dt. Stimme von Bruce Willis)
Geheimnisvolle Frau/Billie Scholl: Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts)
Gruftie / Gerold Gruber: Dero (|Oomph!|)
sowie Christian Stark (Arzt), Natalie Spinell (Taxifahrerin) und Oliver Rohrbeck (JJ) u. a.

ANNA THALBACH steht seit ihrem sechsten Lebensjahr vor der Kamera, dabei war der Weg zur Schauspielerei nicht so gerade, wie man es bei der Tochter von Katharina Thalbach annehmen könnte. Sie beginnt nach dem Abschluss der Mittleren Reife zunächst eine Hospitanz als Kostümbildnerin am Schillertheater. Doch der Hang zum Schauspiel überwiegt, und bald schon feierte sie selbst große Bühnenerfolge, so auch an der Seite ihrer Mutter in „Mutter Courage“.

DERO wurde am 16. April 1970 in Wolfsburg geboren. In der Band Oomph!, die 1989 gegründet wurde, ist er der Mann für den Gesang, die Texte, Drums, und Kompositionen. Der Weg zur Musik sah laut eigener Aussage für Dero so aus: „Auf diversen Familienfeiern in den 70ern wurde ich ‚gezwungen‘, mit meinem Vater (Gitarrist, Sänger) alle nur erdenklichen Elvis-Songs in grauenhaftem Englisch rauf und runter zu schmettern.“

|Die Musik:|

Secret Discovery: „Follow Me“
Arts of Erebus: Dawn of the Dead
Crematory: Pray
Red Cell: Substitute
Berliner Filmorchester und Kammerchor

Regisseur Simon Bertling und Tonmeister Christian Hagitte von |STIL| sorgten für die gute Produktion, die Musik und die Sounds; ihnen half Florian Müller. Die Produzenten sind Marc Sieper von |Lübbe Audio| sowie Oliver Ihrens von |Radar Media|, Bochum. Das interessante Booklet-Design stammt von Kai Hoffmann.

_Vorgeschichte_

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt – er war fünf Jahre im Ausland – wird der junge Kulturwissenschaftler Christian Wagner in mysteriöse Todesfälle verwickelt. Christian ist einer von neun Spezialschülern, den „Titanen“. So nannten sich vor 15 Jahren die Mitglieder einer Gruppe von jungen Hochbegabten, die von der Scholl-Stiftung gefördert und von ihrem Lehrmeister Dr. Volker Brandt ausgebildet wurden. Die Titanen, so Bruno, waren in der antiken Sage die Kinder von Göttern und Menschenfrauen. Die Nephilim hingegen waren die Kinder von Dämonen, die sich mit Menschenfrauen paarten: negative Titanen. Treibt hier jemand ein fieses Spiel mit den letzten Titanen?

Auf der rechten Ferse jeder Leiche findet er das gleiche Tattoo, das er selbst auch trägt: das ägyptische Ankh-Symbol, ein Henkelkreuz, das „Leben“ bedeutet. Es ist kombiniert mit dem „Auge des Horus“, das, wenn geöffnet, einen Schutzzauber darstellt. [Beide Symbole sind auf der CD selbst aufgedruckt.] Ist dieses Horus-Augen-Tattoo jedoch pupillenlos, also blind, dann handelt es sich um einen Nephilim, ein früheres, aber abtrünnig gewordenes Mitglied der „Titanen“.

Da Christian ein Waisenkind ist, das von der Industriellenfamilie Scholl aufgezogen wurde, bildet Brandt seinen Vaterersatz. Bei den Scholls lernte er Sibylle Scholl als seine Schwester kennen und machte sie zu seiner ersten Geliebten. Adrian Bloch, den er nun in seiner Heimatstadt wiedertrifft, war ebenfalls einer der „Titanen“. Die Familie Bloch ist mit den Scholls seit jeher befreundet.

Seit seiner Rückkehr sind bereits zwei der „Titanen“ umgekommen. Beide Leichen weisen eine Tätowierung an der rechten Ferse auf: das blinde Auge des ägyptischen Sonnengottes Horus, das Zeichen der Nephilim, eines Geheimordens. In den Rollenspielen der „Titanen“ war Christian stets der Gott Osiris, Sibylle die Göttin Isis und Adrian der eifersüchtige Gott Seth, der Osiris tötete. Doch wer war Horus, der Sohn des Osiris? Adrian treibt sich immer noch in der Stadt herum, als neuer Besitzer der Villa Scholl, dem Sitz der Titanen.

Dieser ägyptisch-mythologische Hintergrund könnte etwas mit dem Schicksal des Ägyptologen Prof. Jan Erik Walberg zu tun haben, der Christian anrief und treffen wollte, aber unauffindbar ist: Wurde er entführt? Als Christian mit der Journalistin Tina Müller zu Walbergs Labor fährt, findet er dort zwar eine Botschaft, wird jedoch auch mit dem Tod bedroht: durch eine Flutwelle aus dem nahen Stausee. Hat ihn jemand im Visier? Christian fühlt sich zunehmend verfolgt.

_Handlung_

|1. Akt|

Christian fliegt an Bord eines kleinen Flugzeugs, das Adrian Bloch steuert, zu der Insel, auf der aufgewachsen ist. Er will mehr über seine Herkunft herausfinden. Ist er wirklich ein Waisenjunge, oder verbirgt jemand ein Geheimnis vor ihm? Er hat eine Kopie des Geburtenregisters gefunden – in Adrians Unterlagen.

Ein Leuchtturm ist sein Ziel, und mit der Armeepistole des alten Scholl zwingt er Adrian, den Kurs zu halten und Antworten über die Titanen zu geben (siehe oben). Doch Christian muss einsehen, dass auch Adrian nur eine Schachfigur in einem größeren Spiel ist. Adrian muss den Anflug abbrechen und versucht eine Notlandung im Wald …

|2. Akt|

Als Christian im Krankenhaus der Insel erwacht, erlaubt der anwesende Arzt keine Polizei. Das macht Alexa Voss, der Polizeiinspektorin, nichts aus, denn sie gibt sich als Christians Freundin aus. Während sich der Patient noch bewusstlos stellt, wundert er sich, dass Alexa und die Journalistin Tina Müller einander duzen. Alexa sagt, sie liebe Christian, aber Tina, die bi ist, liebt auch Alexa.

Da tritt Kommissar Lohmann auf und wirft alle raus. Nachdem ihre Proteste verklungen sind, versucht er, sich von Mann zu Mann mit Christian zu unterhalten, um ein paar Antworten zu erhalten. Der immer noch simulierende Christian erhält auf diese Weise mehr Informationen. Lohmann will wissen, warum in Adrians Lungenflügel eine Kugel steckt. Handelt es sich etwa um einen perfiden Mordversuch? Zu dumm, dass Christians Waffe verschwunden sei. Es sei die gleiche Pistole, mit der seinerzeit auch Nathanael Bloch erschossen wurde.

Nachdem der Arzt seinerseits Lohmann rausgeworfen hat, fragt er ihn, warum sich im Kopf seines Patienten ein Chip befinde. Ist es ein Sender? Ein Dr. Schwab habe angerufen, der Christian als seinen Sohn bezeichnete. Aber auch Tassilo Bloch habe Christian seinen Sohn genannt. Wie das denn, bitteschön, zusammenpasse? Schwab wolle ihn in eine Privatklinik verlegen lassen.

|3. Akt|

Sobald Christian etwas mehr Schlaf getankt hat, begibt er sich zu Adrian, um sich bei ihm zu entschuldigen. Er weiß, er muss hier weg. Mit dem Taxi lässt er sich zum Leuchtturm kutschieren. Bei dem Sauwetter?, fragt die Taxifahrerin zickig. Sie kennt den dort wohnenden Sterngucker JJ ebenfalls. JJ ruft dem eintretenden Besucher aufmunternd zu, es seien bloß 176 Stufen bis zur Plattform. Na, prächtig.

Schon das Blut auf den Stufen kommt Christian reichlich unheimlich vor. Erschreckend sind jedoch das Chaos und die Verwüstung, die er in der Wohnung des Leuchtturmwächters vorfindet. Da geht plötzlich das Licht aus. Christian wird niedergeschlagen und sieht wieder mal Phantome. Als es wieder angeht, liegt die Scholl-Pistole auf dem Tisch des Zimmers. Und dahinter steht Dr. Bruno Schwab. Wieso nur sieht er Tassilo Bloch so ähnlich?

Christian misstraut Schwab, der erneut behauptet, er sei sein Vater und habe die Pistole hier vorgefunden. Er lehnt es sogar ab, Schwabs Tee zu trinken. Schwab sieht ein, dass hier nur noch die Wahrheit hilft. Endlich erfährt Christian, wer seine Mutter war …

|TOP SECRET!|

((CWs Mutter Sylvia verschwand vor seiner Geburt und kehrte ohne den Enkel des alten Siegmund Scholl zurück, um ihren Sohn vor dessen Ränkespielen zu bewahren. Die Familie log und verbarg, was geschehen war, so auch das Kind. Schwab fand Christian endlich auf der Insel und musste seinen Sohn als Findelkind ausgeben. Seine Amme war Madame Margarethe. Sylvia wollte verhindern, dass eine Weissagung sich erfüllte.))

_Mein Eindruck_

Es sieht ganz so aus, als wollte diese ziemlich überflüssige Hörspiel-Serie tatsächlich endlich auf die Zielgerade einbiegen. Was ich mich schon die ganze Zeit gefragt habe, kommt Christian Wagner jetzt erst in den Sinn: Wer, zum Geier, war seine Mutter und was wurde aus ihr? Die arme Sylvia – da soll sie nun den Heiland der Christenheit zur Welt bringen, wenn es nach den Nephilim geht! Kein Wunder also, dass sie ausbüchst, untertaucht und den Sohnemann erst einmal undercover großzieht. Klar, dass Christian sich jetzt – eigentlich – auf die Socken machen sollte, sein Mütterlein zu finden.

|Rätsel|

Ansonsten bietet die Folge weitere Rätsel der gleichen Marke, die wir schon zur Genüge vorgesetzt bekommen haben, und deren Nichtbeantwortung die Macher der Serie in die Lage versetzte, diese Serie schier ad infinitum weiterzuführen. Was soll beispielsweise der Chip in Christians Kopf bewirken? Wird er ferngesteuert und überwacht, oder hat das Ding einen anderen Zweck?

Damit auch ein wenig Erotik das gewohnte Verwirrspiel würzt, wird der umtriebigen Tina Müller, ansonsten stets als Christians Schutzengel aufgetreten, flugs eine bisexuelle Veranlagung angedichtet. Klar, dass sie nun Alexa begehrt, doch die hat nur Augen für ihren Schwarm Christian. Da fragt man sich doch nach dem wahren Grund. Der natürlich (vorerst) nicht verraten wird.

|Der Vater|

Fragwürdig ist auch die Rolle von Dr. Bruno Schwab. Zunächst hat er sich als Mentor Christians aufgeführt, doch nun behauptet er auf einmal, sein leiblicher Vater zu sein. Hätte er ihm das nicht früher sagen können? Doch auch dies ließen die Autoren nicht zu, um uns mit Chris im Dunkeln tappen zu lassen. Frei nach dem sattsam zitierten „Faust“-Vers „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange“ usw. (Gemeint ist wohl nicht der Harndrang …)

|Faust|

Derlei Banalitäten kann man nur mit dem Spruch „Ein blindes Huhn findet auch mal nen Korn“ beantworten. Denn Christian ist weiß Gott kein faustischer Typ, der nach dem Geheimnis strebt, das die „Welt im Innersten zusammenhält“. Er geht auch keinen Teufelspakt mit einem Mephistotypen ein. Er ist lediglich ein Experiment, ein Wetteinsatz, und versucht sich aus der Verstrickung in die Verschwörung der Puppenspieler, der Nephilim, zu befreien. Na, dann viel Erfolg! Vielleicht ist Chrissi nur ein später Nachfahre von Ödipus, der seinen Vater töten und mit seiner Mutter schlafen will. Nix is unmöglich.

|Titel|

Der Episodentitel bezieht sich auf die Schlussszene, in der inmitten einer Sturmflut eine versunkene Stadt ihre Glocken läuten lässt und ein Meer toter Gesichter Christians halb träumendes Auge erschreckt. Was dies alles mit dem Rest zu tun hat, wissen nur die Autoren. Und die verraten nix.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Alexander Scheers raue Raucherstimme passt zum Möchtegerndetektiv à la Philip Marlowe, der nur per Zufall zum Kulturwissenschaftler geworden zu sein scheint. Der Typ Humphrey Bogart steht im Widerspruch zu Chrissis bisherigem Herumgestolpere. Jetzt erst nimmt Chrissi auch eine Knarre in die Hand und weiß sie einzusetzen, um Antworten zu erhalten.

Sein Gegenteil, ein Ausbund an Disziplin, Liebe und Pflichtbewusstsein, bildet die Rolle der Alexa Voss, gesprochen von Anne Moll (zuvor Sandra Speichert) Sie tritt in dieser Episode gleichberechtigt neben der kindlich-eifrigen Tina Müller, gesprochen von Anna Thalbach, auf. Tina Müller hat die Funktion des Schutzengels und darf folglich überall auftreten, wo Chris in Not ist.

Diesmal sprechen mehrere Stimmen aus dem Off, befinden sich also nicht auf der „Bühne“, sondern nur in Christians Erinnerung. Dazu gehören Bruno, Christians leiblicher Vater, sowie Sigmund Scholl, sein Ziehvater, bei dem er aufwuchs. Dass immer mal wieder Isis alias Billie Scholl etwas zitiert, sollte man ebenfalls festhalten.

|Die Geräusche|

Die Geräuschkulisse des Hörspiels ist nicht allzu realistisch. Man hört nicht jede Tasse klappern, nicht jedes Auto vorbeirauschen. Vielmehr stehen die Kommunikationsmittel im Vordergrund: Der Tower des Flughafens der Insel meldet sich, schier überlagert vom Motorengeräusch des Propellers. Das EKG-Gerät piept ebenso im Hintergrund, um zu signalisieren, dass die Hauptfigur in einem Patientenzimmer liegt.

Um das Turmzimmer in luftiger Höh‘ zu positionieren, brausen Wind und Brandung derart, dass sich Christian nicht hinaus auf die Plattform traut. Klasse fand ich das Geräusch des Schusses aus Christians Pistole. Wen es trifft, soll hier nicht verraten werden.

Häufig sind die Stimmen durch Hall verstärkt oder durch Effekte verzerrt, so etwa um eine Fluglotsenstimme aus dem Lautsprecher nachzubilden. (Die Lautsprecher sind in Hörspielen grundsätzlich auf dem Stand der siebziger Jahre und klingen entsprechend kratzig.)

Darf man sehr tiefe Bässe noch zu den Geräuschen und Effekten zählen, oder sind sie bereits zur Musik zu rechnen? Egal, sie seien an dieser Stelle mal hervorgehoben. Sie werden in den |Schattenreich|-Hörspielen nämlich regelmäßig eingesetzt, um Angst zu erzeugen, nicht etwa bei der jeweiligen Figur, sondern im Zuhörer. Sie sind deshalb so tief, damit dieser Vorgang unbemerkt bleibt und unterschwellig wirken kann.

|Die Musik|

Spätestens nach einer halben Stunde des Anhörens verhärtet sich im Zuhörer der Verdacht, dass die ganze Handlung eigentlich nur ein Vorwand ist. Nämlich der Vorwand, um möglichst viel deutsche Neo-Gothic-Musik abspielen zu können. Die oben aufgeführte Interpretenliste ist nur die Spitze des Eisbergs dessen, was den Zuhörer erwartet. Es verwundert nicht, dass in die Produktion des Hörspiels Firmen wie |Radar Media|, |STIL| (für die professionelle Soundproduktion) und das Musikmagazin |Sonic Seducer| eingebunden sind.

Letzteres hat sich mit einem Aufkleber auf der Hülle verewigt. |Radar Media| ist im Booklet mit einer ganzen Seite Werbung vertreten. |Radar| hat das Copyright und die Markenrechte für „Schattenreich“ inne, folglich war die Firma auch an der Produktion beteiligt. Und da es in ihrem Interesse liegt, die Bands wie |Rammstein|, |Oomph!| usw. zu vermarkten, packte sie natürlich so viel Musik wie möglich auf die Silberscheibe.

Diese Dinge sollte man wissen, wenn man die Musikeinlagen des Hörspiels bewertet. Plötzlich wird aus der Handlung nicht das Hauptgericht, sondern lediglich die Beilage. Deshalb dröhnt unvermittelt der Leadsong „Follow me“ durch die Boxen, nachdem bereits ein Donnerschlag den Zuhörer aus seiner Bürgerruhe aufgescheucht hat. Es gibt anschließend kaum eine ruhige Minute, in der keine Musik erklingt. Hier hat |Radar Media| ganze Arbeit geleistet.

Immerhin ist es in den jüngsten Episoden nicht mehr ganz so schlimm wie auf den ersten beiden CDs, denn jetzt wird der Hauptfigur mehr musiklose Zeit zum Nachdenken gegönnt. Die Lauscher stellten sich mir auf, als ein deutscher Text von einer Sängerin zu einem Piano gesungen wurde, so dass ich endlich einmal den Text verstehen konnte. (Die Neo-Gothic-Sänger scheinen einen Horror davor zu haben, ihre Stimme unverzerrt und verständlich einzusetzen, wahrscheinlich weil ihre Texte zu schlecht sind.)

|Webseite|

Hinweis: Auf http://www.schattenreich.net findet man das Tagebuch einer Figur, um die es immer wieder im Hörspiel geht. Ich tippe als Autorin auf Sibylle „Billie“ Scholl, die angeblich beim Brand ihrer Klinik umgekommene Billie, Christians Geliebte. Das Tagebuch bietet zusätzliche Hintergrundinformationen.

_Unterm Strich_

Wieder einmal lässt eine „Schattenreich“-Folge den Hörer mit Frustbeulen zurück – und hungrig nach mehr Informationen. Der arme kleine Chrissi Wagner kriegt es einfach nicht geregelt, das Internet zu benutzen und dort nach seiner verschwundenen Mutter zu suchen. Denn dass sie unter der Erde sein soll, wurde meines Wissens nicht erwähnt. Und Chrissis Papi führt sich auch alles andere als glaubwürdig auf.

Die Verlagerung des Showdowns in die Spitze eines Leuchtturms ähnelt diese Folge fatal der 4. Folge von [„Die Alchimistin“. 5263 Man fragt sich, ob die „Inspiration“ der Autoren nicht doch eher aus Imitieren und Kopieren besteht.

|Zielgruppe|

Die Reihe „Schattenreich“ wendet sich an die gleiche Zielgruppe wie die Musik-CDs, die DVDs und die TV-Produktionen (von denen ich bislang nichts gesehen habe): Gothic-Rock-Freunde, für die Musik nicht nur Unterhaltung, sondern eine Lebenshaltung und eine modische Aussage darstellt. Anstelle von Vampiren und anderem blutigem Gesocks treten aber in „Schattenreich“ nur jede Menge mystisch gestimmte Typen auf, die sich irgendwie zwielichtig aufführen. Ford Prefect würde sagen: „Weitgehend harmlos“. Der Einzige, der gefährlich ist, ist die Hauptfigur Chrissi Wagner.

|Design muss sein|

Wie bei allem, was das Studio |STIL| produziert, ist das Produkt hinsichtlich Sound und Optik vom Feinsten. Immerhin erreichen das Studio und der |Lübbe|-Verlag eine neue Zielgruppe, die mit „Offenbarung 23“ nur unzureichend angesprochen wird: die Gothic-Rockfans, die auf Bands wie |Rammstein|, |Oomph!| und |IAMX| stehen. Diesbezüglich kann „Offenbarung 23“ glatt einpacken. Wer die Songs runterladen will, findet auf |schattenreich.net| den Link dorthin.

|55 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3591-6|
http://www.schattenreich.net
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name
http://www.sonic-seducer.de
http://www.radar-net.de