Meißner, Tobias O. – Brücke der brennenden Blumen (Im Zeichen des Mammuts 4)

Band 1: [„Die dunkle Quelle“ 1938
Band 2: [„Die letzten Worte des Wolfs“ 2418
Band 3: [„Das vergessene Zepter“ 3447

_Wenn die Eisenbahn …_

doch so pünktlich wäre wie Tobias O. Meißner, dann hätten die Lokführer von Seiten der Kundschaft vielleicht ein bisschen mehr Rückendeckung angesichts ihrer Streikvorhaben gehabt. Wieder ist nämlich kaum ein Jahr vergangen und wieder, wie versprochen, liefert der deutsche Underground-Fantast ein neues Abenteuer des Mammuts, das trotz dieser kurzen Zeit ausgereift, originell und spannend daherkommt.

_Das Mammut hat zu kämpfen …_

und zwar nicht zu knapp. Naenn, das hübsche Schmetterlingsmädchen, liegt schwanger im Warchaimer Hauptquartier, Helfer Cajinn ist vollkommen mit ihrer Pflege ausgelastet, da Rodraeg mit einem Herzschuss in seiner Kammer liegt, eher tot als lebendig, weil ihm Hellas, ehemaliger Mitstreiter, diesen tödlichen Pfeil verpasste und seither die Gemeinschaft verließ. Übrig geblieben sind der ungestüme Klippenwäldler Bestar und der Lichtmagier Eljazokad, der seine komplette Magie allerdings während des letzten Mammut-Abenteuers verloren hat. Bestar ist zwar ein furchteinflößender Krieger, aber ein Führer ist er nicht, weshalb es an Eljazokad bleibt, diese Rolle zu übernehmen, als ein neuer Auftrag für das Mammut hereinschneit.

Alle Kaninchen sind aus dem Thostwald verschwunden, heißt es dort; das Mammut möge sich also in den Thost begeben, um sich dort an Forker Munsen zu wenden, der sich in diesem Wald vorzüglich auskennt und den Mammutstreitern sicherlich weiterhelfen können wird. Eljazokad und Bestar hoffen darauf, dass Rodraeg genesen wird, um sie auf diesem Auftrag zu begleiten, aber sein Zustand ändert sich nicht. „Er befindet sich auf der Brücke der brennenden Blumen“, behaupten die geheimnisvollen Dreimagier, „auf einer Schwelle zwischen dem Land der Lebenden und der Toten.“ Um Rodraeg zu heilen, muss er von dieser Brücke wieder ins Reich der Lebenden geführt werden. Aber weder Eljazokad noch Bestar noch Naenn wissen, wie sie das anstellen sollen, und deswegen bleibt den ersten beiden nichts anderes übrig, als sich alleine um das Rätsel der verschwundenen Kaninchen zu kümmern.

Wie auch schon die ersten drei Aufträge klingt dieser harmloser, als er ist. Das bemerken die beiden Streiter schon, als sie im Thost ankommen: Forker Munsen, der ihnen eigentlich hätte weiterhelfen sollen, hat sich nämlich umgebracht. Einzig ein Tagebuch kann Bestar und Eljazokad knappe Auskunft darüber geben, was den Waldläufer in den Tod getrieben haben mag. Munsen erwähnt darin einen gewissen Tellures, der ihm „eine neue Perspektive“ versprochen hat, dafür viel von Munsen verlangte und ihm am Ende statt der versprochenen neuen Perspektive nur nach dem Leben trachtete. In der Ortschaft können die beiden Mammutstreiter nicht herausfinden, was diese rätselhafte Tagebucheinträge bedeuten mögen, deswegen marschieren sie selbst in den Wald, um dort eine Waldläuferin zu finden, der sich Munsen vielleicht anvertraut hat. Sie finden diese Waldläuferin, aber nicht nur das, sie erfahren, wonach Forker Munsen und sein Widersacher Tellures suchten und müssen dabei ihr verstörendstes Abenteuer erleben, in dem das grausame Geheimnis um die verschwundenen Kaninchen und das Rätsel um die Brücke der brennenden Blumen nur Spitzen eines weltenzermalmenden Eisbergs sind.

_Kein Grund in Sicht._

Was mit der „dunklen Quelle“ als unterhaltsames und recht originelles Fantasy-Spektakel begonnen hat, bekommt mit jedem weiteren Band mehr Fahrt und Tiefe, und auch dieser vierte Band macht da keine Ausnahme. Wiederum sind die Ereignisse eng mit den vorherigen Büchern verknüpft, und wer versuchen sollte, mit späteren Bänden einzusteigen, wird keine Chance haben, die Story verfolgen zu können. Es wimmelt nur so von Querverweisen zu vorherigen Ereignissen und Namen; der Vergewaltiger Ryot Melron (Band 1) spielt hier ebenso eine wichtige Rolle wie der tragische Wolf Dasco (Band 2) und der Schlüssel zu der Höhle der Riesen (Band 3). Auch erfährt der Leser endlich, was es mit dem Stadtschiff von Tengan auf sich hat, die Träume, die Eljazokad zum Mammut getrieben haben, werden ergründet und viele Namen, die irgendwo in den vorherigen Bänden aufgetaucht sind, bekommen endlich ein Gesicht.

Wer jetzt vermutet, dass „Die Brücke der brennenden Blumen“ eine hochkomplexe Story ist, der hat Recht. Wer aber weiterhin annimmt, dass einem der vierte Teil der Mammut-Saga Kopfschmerzen bereitet, könnte nicht weiter daneben liegen. Wie schon in den vorherigen Bänden lässt Meißner die Story wunderbar leichtfüßig voranmarschieren, die Details und Informationen sind stets so eingewoben, dass sie den Storyfluss nicht stören, sondern vom Leser fast schon unbewusst aufgenommen werden. Na gut, das klappt nicht immer. Manchmal bekommen es Bestar und Eljazokad mit Rätseln und Gedichten zu tun, die vor Namen und Ereignissen nur so wimmeln, Namen und Ereignisse, die irgendwann im Laufe der Geschichte noch wichtig werden, die sich aber kein Mensch auf Gottes weiter Erde je merken könnte.

Das ist aber nicht weiter schlimm, da man von den Enthüllungen und Ereignissen dieses vierten Mammut-Abenteuers derartig mitgezogen wird, dass man es schon sehr bald aufgibt, selbst irgendwelche Rätsel ergründen zu wollen. Was wie ein mysteriöses Waldabenteuer beginnt, wird zu einem surrealen, traumartigen Trip, der eher etwas mit einer Vision gemein hat als mit einem Fantasy-Abenteuer. „Die Brücke der brennenden Blumen“ ist damit die konsequente Fortführung des dritten Bandes, denn die Mammutstreiter hatten schon in der Höhle der Riesen bizarre, visionsartige Abenteuer zu bestehen, diesmal allerdings nimmt das Fantastische ganz andere Dimensionen an.

Die Spannung bleibt dabei nicht auf der Strecke, im Gegenteil; es gibt da ganz einschneidende Faktoren, die bewältigt werden wollen. Wenn es denn etwas zu meckern gibt, an der „Brücke der brennenden Blumen“, dann, dass sich die Ereignisse am Ende des Buches zu überstürzen scheinen und man den Eindruck bekommen könnte, nicht die Figuren, sondern der Autor möchte die Story zu einem Ende treiben. Auch prasseln hier erneut arg viele Informationen auf den Leser ein, die im Rausch der Ereignisse kaum zu verarbeiten sind – wirklichen Abbruch an der hohen Qualität des vierten Mammutabenteuers tut das freilich nicht.

_Ein weiteres Lebensjahr Erfahrung für das Mammut._

Es wächst und reift und ist wiederum nicht mit dem Mammut zu vergleichen, das man aus den vorherigen Abenteuern kennt. Ich kann mich nur wiederholen: „Im Zeichen des Mammuts“ ist ein straff gezeichnetes Geschichtengeflecht, das nicht das Geringste mit den gewohnten Endlosreihen zu tun hat, mit denen der Fantasy-Leser derzeit überschüttet wird. Hier gibt es keine Information zu viel; wer sich epische Breite wünscht, soll einen weiten Bogen um diesen Zyklus machen, aber wer eine wirklich abwechslungsreiche und originelle Fantasy-Saga lesen möchte, kommt an „Im Zeichen des Mammuts“ nicht vorbei.

Tobias O. Meißner hat hier etwas Respektables geschaffen und mit jedem Band, den ich lese, wächst mein Respekt für das Projekt und seine Umsetzung. Noch drei Bände folgen und ich kann es schon jetzt kaum erwarten, bis das nächste Mammut-Abenteuer in meinem Briefkasten landet! So muss originelle Fantasy geschrieben sein!

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