Melville, Herman – Moby Dick (Europa-Originale 8)

_Besetzung_

Ismael – Erzähler, Siegmar Schneider
Starbuck – Joachim Rake
Quiqueg – Rudolf H. Herget
Elias – Malte Petzel
Stubb – Bernd Kreibich
Flask – Michael Korrontay
Archy – Jürgen Lier
Kapitän Ahab – Benno Gellenbeck
Schmied – Heinz Erdmann
Kapitän Gardiner – Horst Beck
Seeräuber – Chris Heinrich
Fedallah – Hans Meinhardt

Bearbeitung: Eberhard Alexander-Burgh
Regie: Dagmar von Kurmin
Musik: Tonstudio EUROPA

_Story_

An Bord der „Albatros“ befinden sich einige der mutigsten Schiffsleute der ganzen Welt, denn alle wissen sie, dass ihr Kapitän nur eines im Sinn hat: Rache nehmen für die Schmach, die ihm der gefürchtete Riesenwal Moby Dick bei seinem letzten Gefecht zugezogen hat. Schwer verletzt – Moby Dick raubte ihm ein Bein – sticht der entschlossene Kapitän dennoch wieder in See, um dem Monstrum ein für alle Mal den Garaus zu machen. Und schon bald nimmt die „Albatros“ wieder die Fährte des gewaltigen Wals auf und jagt ihn unerbittlich durchs Meer. Allerdings ist das Schiff für einen Kampf gegen Moby Dick nach wie vor nicht gewappnet. Schier blind vor Eifer und Hass steuert Ahab sein Schiff und auch seine Mannschaft auf offener See mitten ins Verderben.

_Meine Meinung_

Herman Melvilles viel zitierte Geschichte um den gefürchteten Riesenwal wurde nun ebenfalls im Rahmen der „Europa-Originale“ neu aufgelegt, leider aber im Vergleich zur ursprünglichen Version ein wenig gekürzt. Ohrenzeugen zufolge fehlt ein großer Teil der Anfangssequenz, was besonders deswegen unverständlich ist, weil zum einen das Fassungsvermögen einer CD den Umfang einer LP deutlich übersteigt, und zum anderen kaum vorstellbar ist, dass inzwischen einige Teile zensiert werden mussten – schließlich hält sich das Hörspiel konsequent an die Vorlage Melvilles und zeichnet die düstere Atmosphäre dieses literarischen Klassikers wunderbar nach.

Nun, wer die Geschichte in dieser Fassung zum ersten Mal hört, wird sich daran aber eher weniger stören, denn „Moby Dick“ ist in der |Europa|-Version ein echtes, wenn auch sehr kurz geratenes Schmankerl. Die Nr. 8 der im letzten Jahr neu gestarteten Serie gehört in Sachen Spannungsaufbau zur internen Spitze, was unter anderem auch an besagter Atmosphäre liegt. Regisseurin Dagmar von Kurmin ist es tatsächlich gelungen, den Hörer nach kurzer Zeit Teil der Besatzung der „Albatros“ werden und ihn dabei auch all die Ängste und Hoffnungslosigkeit spüren zu lassen.

Zugleich ist man auch begeistert und ergriffen von der Beharrlichkeit des sturen Kapitäns, der seinem Leben nur noch dieses eine Ziel gesetzt hat, diesen Wal ein für alle Mal zu fangen und zu töten. Ahab missachtet jegliche Vernunft, lässt sich nur noch von seinen suchtbefangenen Sinnen betäubten und realisiert dabei erst viel zu spät die Ausweglosigkeit seiner momentanen Lage.

Allerdings sind die Vorzeichen für den besessenen Kapitän von Anfang an schlecht. Ohne die tatkräftige Unterstützung seiner ergebenen, später jedoch zweifelnden Mannschaft wird er niemals dazu in der Lage sein, den Wal zur Strecke zu bringen. Aber auch dies scheint ihn nach einer Weile nicht mehr zu interessieren. Er gibt das Kommando, widersetzt sich schließlich der angsterfüllten Mehrheit und führt sie alle in den sicheren Tod.

Die Tragik der Geschichte wird im Hörspiel ebenfalls sehr gut eingefangen, was man insbesondere daran festmachen kann, dass Ahab-Sprecher Benno Gellenbeck seine Rolle sehr überzeugend spielt. Seiner authentischen Darbietung merkt man an, dass er sich komplett in die Lage des verzweifelten Schiffsführers versetzt hat und seine Gedanken auch nachempfinden kann, was für eine solche Produktion ja auch unheimlich wertvoll ist. Nicht weniger überzeugend sind indes die Sprecher der unsicheren Matrosen, wie zum Beispiel der erzählende Ismael (intoniert von Siegmar Schneider), der seinen Entschluss, sich eine zweitklassige Heuer zu verdienen, schon nach wenigen Stunden bereut. Begleitet von tollen, sphärischen Effekten macht das Team von |Europa| hier einen fabelhaften Job, dessen einzige Schwierigkeit in der Tatsache liegt, dass er nach viel zu kurzer Zeit schon getan ist. Hinsichtlich des Umfangs wäre „Moby Dick“ sicherlich noch ausbaufähig gewesen, zumal man gerade in den entscheidenden Schlusssequenzen ordentlich gespart hat. Etwas mehr Detailverliebtheit in diesen Szenen, und es hätte wirklich nichts zu meckern gegeben.

Andererseits: Meckern ist prinzipiell gar nicht angebracht. Die Handlung ist spannend inszeniert, super dargeboten und wird der Vorlage von Herman Melville inhaltlich vollends gerecht. Und somit darf es auch keinen Zweifel daran geben, dass „Moby Dick“ in dieser Variante ein absolutes Hörspiel-Highlight ist. Wer sich nicht dazu entschließen sollte, die erste Staffel als Ganzes zu kaufen, sollte deswegen auch darauf achten, dass zumindest diese achte Episode mit in die Sammlung kommt – auch in der kurzen Fassung.

http://www.natuerlichvoneuropa.de/

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