Merlau, Günter – Vril (Die Schwarze Sonne 4)

Folge 1: [„Das Schloss der Schlange“ 2317
Folge 2: [„Böses Erwachen“ 4022
Folge 3: [„Weißes Gold“ 4023

_Story_

1886: Nathaniel de Salis und sein inoffizieller Ziehsohn Adam Salton reisen von Bombay in die Bergregionen Tibets, wo sie sich Antworten auf einige drängende Fragen erhoffen. Durch ein gefährliches Bergmassiv gelangen sie endlich in die Nähe des heiligen Berges Kailash. Unterdessen haben sich zwei verbündete Missionare der Expedition angeschlossen und begleiten Adam und Nathaniel durch die unwegsame Landschaft. Durch Sturm und Kälte quält sich vor allem der stark angeschlagene, fast todkranke de Salis, dessen merkwürdige Ambitionen Salton immer mehr zweifeln lassen. Selbst in größter Gefahr fasst er kein Vertrauen und scheint seinem Unglück geradezu in die Arme zu laufen.

1938, Wewelsburg, Deutschland. Die obersten Gestalten des Nazi-Regimes stehen kurz vor dem Abschluss eines gewaltigen Forschungsexperiments. Himmler und dem mysteriöse Gefolgsmann Weisthor gelingt es tatsächlich, eine allzu scheußliche Kreatur zum Leben zu erwecken. Mit Hilfe des sagenumwobenen Speer des Longinus wollen sie das Wesen zum Avatar ihrer rassistischen Ideologie aufsteigen lassen – doch ein Unbekannter stellt sich ihnen in den Weg; ein Mann aus vergangenen Zeiten, der sich mit ganzer Kraft gegen den Wahnsinn aufbäumt …

Unterdessen wird Major Berger seit geraumer Zeit vermisst. Nach dem Flugzeugabsturz hat er seinen Lebensodem fast ausgehaucht und wird von seinen einstigen Auftraggebern sogar gejagt, um ein weiteres Experiment durchführen zu können. Berger bleibt keine Chance, aber dennoch gelingt ihm die Flucht – ins Jenseits?

_Persönlicher Eindruck_

Im vierten Teil der fantastischen Mystery-Saga ist nicht nur äußerste Konzentration, sondern auch eine ganze Menge Geduld gefragt. Die Story nimmt hinsichtlich ihrer Komplexität nämlich Formen an, die allen herkömmlichen Strukturen widersprechen und somit auch mit gewöhnlicher Logik kaum noch zu durchschauen sind. Günter Merlau erlaubt sich in „Vril“, gleich drei Stränge parallel zu forcieren und den Hörer mit rasanten Sprüngen durch die Zeit zu jagen, bis dieser irgendwann droht, völlig den Überblick zu verlieren, weil die Unterschiede zwischen Jetztzeit und Vergangenheit aufgrund des hohen Action- und Spannungsanteils kaum noch zu differenzieren sind. Zwar ist diesmal ein klarer Fokus auf die Machenschaften zu Zeiten des Dritten Reiches zu erkennen, die Merlau auch tatsächlich mit einigen eigenwilligen Theorien adäquat in die Historie einordnet, doch sind die permanenten Wechsel teilweise derart überraschend und anspruchsvoll, dass selbst deutliche Definitionen und Einteilungen zu weiten Teilen nicht mehr ziehen. Wider den Mainstream, wider die Massenware – nicht nur Theorie, sondern hier wundervoll zelebrierte Realität!

Aufmerksamen Hörern wird dabei von Beginn an klar, dass man ohne Hintergrundwissen nicht nur Verständnisprobleme haben, sondern insgesamt wahrscheinlich völlig überfordert sein wird. Die Handlung wird mit Zitaten aus Vergangenheit und Zukunft durchsetzt, die unterschiedlichen Entwicklungen werden teils herb durcheinander gemischt, dazu ein gewisses historisches Wissen vorausgesetzt und als Letztes auch noch knallhart eingefordert, dass man die Motivation der einzelnen Protagonisten begreift, da andernfalls die gesamte Story auf wackligen Beinen steht. Hörspiel-Action mit höchstem Anspruch also, diesbezüglich aber auch durchweg feine Kost mit garantierter dynamischer Entwicklung und fantastisch ausgeprägten Charakteren.

Immer mehr Figuren werden in die Handlung eingebaut, somit auch die Last der Geschichte auf Dutzende Schultern verteilt. Natürlich sind es noch immer Salton und de Salis, an denen das Hauptpaket des Plots haftet, jedoch inszeniert Merlau anderweitig eine Brisanz, infolge derer sich die inhaltlichen Highlights in kurzen Schüben aneinanderreihen, um schließlich den Zuhörer regelrecht zu überrollen. Die Fülle der Details ist enorm, die differenzierte Umsetzung indes eine Kunst, für die den Beteiligten größter Respekt zusteht. Die Sprecher leben die Story, die klanglichen Effekte sorgen einmal mehr für eine absolut stimmige Inszenierung, das inhaltliche Geschehen verlangt dem Hörer alles ab, darf letztendlich aber auch als eine echte Belohnung betrachte werden – schließlich mischt sich sphärisch und erzähltechnisch die Genialität des Cthulhu-Mythos mit der Kraft und Poesie von Meistern wie Lovecraft, Stoker und dem einst noch |in personae| eingeflochtenen Jules Verne.

Und worum geht es in „Vril“ nun konkret? Tja, dies auf den Punkt zu bringen, hieße, all die bisherigen Ungereimtheiten aufzulösen und Ausblicke zu geben, die jegliche Spannung zunichte machen würden. Das Produktionsteam hat sich sehr weit aus dem Fenster gelehnt, in Sachen Esoterik und Spiritualität in seinem Metier neue Grenzen definiert und Inhalte verknüpft, die auf den ersten Blick einer homogenen Struktur entbehren, in all ihrer Komplexität aber gerade durch diese kuriose Mixtur erst so lebendig erscheinen. Insofern sollte es wohl niemanden verwundern, dass man nach unzähligen Enthüllungen nach wie vor den Eindruck nicht loswird, man stehe erst am Anfang eines kaum durchschaubaren, gewaltigen Gedankenkonstrukts, dessen innere Tiefe und besonderer Geist in gewisser Weise zu Höherem berufen sind. Feststeht bis dato jedenfalls, dass „Die Schwarze Sonne“ sich Folge für Folge zum wohl besten phantastischen Independent-Titel einer ganzen Dekade mausert. „Die Schwarze Sonne“ ist Abenteuer, Erlebnis und Herausforderung zugleich und derzeit das wohl am ambitionierteste Projekte der modernen deutschen Hörspielgeschichte. Und was dies für das gesamte Genre bedeutet, muss sicher nicht mehr näher erläutert werden …

http://www.die-schwarze-sonne.de/
http://www.merlausch.de

Auf der Website zur Serie gibt es übrigens Hintergrundinformationen und ein noch im Aufbau befindliches Lexikon, um den Überblick besser wahren zu können.

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