Meyer, Kai – Wasserweber, Die (Wellenläufer-Trilogie 3)

_Sehr vorhersehbar: krönender Abschluss_

„Die Wasserweber“ ist der dritte und abschließende Teil der „Wellenläufer“-Trilogie Kai Meyers.

Ein magisches Beben erschüttert die Küsten der Karibik. Und in finsteren Piratenhäfen werden Kinder geboren, die über Wasser gehen können. Jahre später glaubt Jolly, dass außer ihr keine anderen Wellenläufer mehr am Leben sind. Bis sie Munk begegnet. Auch er versinkt nicht im Wasser – und kann aus Muscheln einen uralten Zauber beschwören. Ein rätselhafter Fremder, der Geisterhändler, schickt die beiden auf eine fantastische Reise. Gejagt von Klabautern, Ungeheuern und allen Seeräubern der karibischen See, stellen sie sich einer tückischen Gefahr: dem Mahlstrom, einem dunklen Strudel, der die Barriere zwischen den Welten niederreißt.

_Der Autor_

Kai Meyer, Jahrgang 1969, studierte Film, Philosophie und Germanistik und arbeitete als Redakteur. Er schrieb schon in jungen Jahren und lieferte u. a. ein paar Jerry-Cotton-Abenteuer. Sein erster großer Erfolg war „Die Geisterseher“, eine historische „Akte X“. Seit 1996 ist er freier Schriftsteller und Drehbuchautor. Bisher sind rund 40 Romane von ihm erschienen. Selbst Kritiker waren von seinem historischen Mystery-Thriller „Die Alchimistin“ begeistert, später folgten „Die fließende Königin“ und „Göttin der Wüste“. Bei |Loewe| erschien mit den „Wellenläufern“ ein Jugend-Fantasyzyklus. [„Frostfeuer“ 2111 aus dem Jahr 2005 ist eigenständiger Jugendroman. Das Buch wurde mit dem internationalen Buchpreis CORINE ausgezeichnet.

Die Wellenläufer-Trilogie:

1) Die Wellenläufer
2) Die Muschelmagier
3) Die Wasserweber

|Kai Meyer bei Buchwurm.info:|

[Interview mit Kai Meyer]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=11
[„Die Alchimistin“ 73
[„Das Haus des Daedalus“ 373
[„Der Schattenesser“ 2187
[„Die Fließende Königin“ 409
[„Das Buch von Eden“ 890 (Hörbuch)
[„Das Buch von Eden“ 3145
[„Der Rattenzauber“ 894
[„Frostfeuer“ 2111 (Hörbuch)

_Vorgeschichte der Trilogie_

Die Romantrilogie spielt Anfang des 18. Jahrhunderts unter den Piraten der Karibik. Ein magisches Beben erschüttert die Küsten der Karibik. Und in finsteren Piratenhäfen werden Kinder geboren, die über Wasser gehen können. Die Heldin Jolly, ein 14-jähriges Seeräubermädchen, verfügt von Geburt an über das besondere Talent des Wellenlaufens. Nach dem Untergang ihres Schiffes und dem Verlust ihrer Mannschaft glaubt Jolly, dass außer ihr keine anderen Wellenläufer mehr am Leben sind. Bis sie Munk begegnet. Auch er versinkt nicht im Wasser – und kann aus Muscheln einen uralten Zauber beschwören. Er ist ein Muschelmagier.

Ein rätselhafter Fremder, der Geisterhändler, der die Geister ertrunkener Seeleute als Sklaven verkauft, schickt die beiden auf eine fantastische Reise. Gejagt von Klabautern, Ungeheuern und allen Seeräubern der karibischen See, stellen sie sich einer tückischen Gefahr: dem Mahlstrom, einem meilenbreiten dunklen Strudel, der von einer teuflischen Intelligenz beseelt ist und die Barriere zwischen den Welten niederreißt.

|Handlung von Band 2, „Die Muschelmagier“|

Eine Nebelwand schützt die Seesternstadt Aelenium vor den Blicken der Welt. Die schwimmende Stadt ist Wächter des gefährlichen Mahlstroms, der in den Tiefen der Karibik lauert. Aber Aelenium hat versagt. Während hinter dem Horizont der Mahlstrom die See verschlingt, ruht die letzte Hoffnung auf den Wellenläufern. In ihren Händen liegt das Schicksal der Karibikbewohner und Aeleniums, die es vor dem Mahlstrom zu bewahren gilt.

Jolly und Munk werden in den Korallenpalästen der Stadt auf den Kampf gegen den Mahlstrom vorbereitet. Doch Jolly sehnt sich zurück nach ihrem Leben als Piratin. Als Klabauterheere vor Aelenium aufmarschieren, beginnt eine abenteuerliche Flucht. (zitiert nach Klappentexten und Verlagsangaben)

_Handlung von „Die Wasserweber“_

Nur noch zwei bis drei Tage bis zum Angriff auf die karibische Seesternstadt Aelenium. Der Verteidigungsplan ist bereits beschlossen. Während die beiden Muschelmagier Munk und Jolly den Mahlstrom in der Gegend namens Sorfenschrund schließen sollen, verteidigt sich die Stadt gegen die Angriffe der Klabauterarmeen. Doch auch der Kannibalenkönig Tyrone wird angreifen. Jolly hofft, dass die anderen Piratenkapitäne, die sich von ihm verraten sehen, seine Flotte angreifen und ihn von einem Angriff auf Aelenium abbringen. Die Chance ist jedoch nur gering. Klar ist jedenfalls, dass jede Verteidigungsmaßnahme nur dazu dienen kann, den beiden Quappen Zeit zu erkaufen, um das eigentliche Übel zu bekämpfen. (Man denke an Frodo und Sam auf dem Weg zum Schicksalsberg.)

Doch zu den Verteidigern gesellt sich ein unerhoffter Kämpfer: der Riesenwal Jasconius mit seinen beiden Insassen, Griffin und Ebenezer Arkwright. Der Wal, der die Bedrohung erkannt hat, soll sich noch als große Hilfe im Kampf erweisen. Und Griffin tut sich als Reiter eines Flugrochens hervor, der mit seinem jeweiligen Schützen die Klabauter aus der Luft bekämpft.

|In die Tiefe|

Begleitet von Soledad, Hauptmann D’Artoire und dem Geisterhändler, begeben sich Munk und Jolly hinaus in das Seegebiet, unter dem sich der Mahlstrom befindet. Jolly bittet den Oberbefehlshaber, ihre Grüße an Griffin auszurichten, den sie seit einer Weile nicht mehr gesehen hat (er war ja im Wal verschwunden). Sie weiß nun, für wen und was sie kämpft: für Griffin, ihre Zukunft – und für ihr Leben als magiebegabte Quappe. Im letzten Moment taucht Griffin auf, so dass sie ihm einen Abschiedskuss geben kann. Das freut Munk überhaupt nicht, denn er ist eifersüchtig.

Der Weg zum Mahlstrom ist lang und tückisch. Munk und Jolly müssen zuerst 30.000 Fuß tief tauchen und dann noch 20 bis 30 Meilen gehen oder schwimmen. Die Warnungen des Geisterhändlers, eines alten Gottes, begleiten sie. Denn vor Tausenden von Jahren soll es schon einmal einen Kampf gegen den Mahlstrom gegeben haben. Damals wurde der Mahlstrom im Schorfenschrund eingesperrt, doch offenbar hat er sich befreien können. Waren die Wachen müde geworden?

Beim Schwimmen stoßen die beiden Quappen auf eine versunkene Seesternstadt – der Vorgänger Aeleniums. Immer wieder müssen sie sich vor Klabautern verstecken: käseweißen und klapperdürren Krallenmännern, die auch unter Wasser riechen und sehen können. Mit ihren breiten Füßen können sie sich auf dem Meeresgrund gut fortbewegen. Jolly und Munk wurden auch vor Suchströmen gewarnt, die als Flutwellen das Meer durchziehen und jeden Wehrlosen in die Tiefe ziehen können.

|Aina|

Nahe der versunkenen Stadt stoßen die beiden Quappen auf ein nacktes Mädchen von etwa 15 Jahren. Sie nennt sich Aina und betört den verblüfften Munk mit ihrer Schönheit und ihrer einschmeichelnden Stimme. Jolly ist gleich von Anfang an misstrauisch. Aina muss eine der früheren Quappen sein, aber dann wäre sie ja Tausende von Jahren alt – und sähe bestimmt nicht wie 15 aus. Außerdem ist sie nichtstofflich wie ein Geist: Als Munk Aina berührt, dringt seine Hand durch sie hindurch. Als Aina ihm eine ihrer großen Muscheln zeigt, ist er in der Lage, mit dieser Magie einen Angriff von Klabautern zurückzuschlagen.

All dies kommt Jolly sehr seltsam vor. Aber die schmeichlerische Stimme Ainas lullt sie ein und Munk ist von Ainas Hilfsbereitschaft überzeugt, und so lassen Munk und Jolly sich von dem Mädchen zum Klabauterberg führen, der sich am Rande des Schorfenschrunds erhebt. Angeblich soll hier die Mutter der Klabauter, Kangusta, leben, doch Aina sagt, sie habe sich selbst eingeschlossen. Das ist jedoch gelogen, wie Jolly zu spät herausfindet. Und Munk ist weit weg und kann ihre Hilferufe nicht hören …

_Mein Eindruck_

Der Abschluss der Wellenläufer-Trilogie erinnert mich stark an das Finale von Tolkiens „Herr der Ringe“ (und vielleicht war die Ähnlichkeit auch dem Autor bewusst, so dass er ein bewährtes Rezept verwendete). Während die Entscheidungsschlacht um Aelenium in mehreren Phasen tobt, versuchen zwei junge Menschen – bei Tolkien sind es Frodo und Sam – den Verursacher all diesen Übels auszuschalten: den Mahlstrom. Dabei müssen Jolly und Munk mehrere Grenzen überschreiten und neue Wesen kennenlernen, die ihnen mehr über den Widersacher verraten. Munk lernt von Aina und täuscht sie, doch Jolly verschlägt es zu der Mutter der Klabauter, Kangusta, sowie zu den Wasserweberinnen. In diesen Begegnungen geraten die beiden jungen Quappen an die Grenze zum Numinosen, den anderen Gottwesen: den „Meistern“ des Mare Tenebrosum.

|Götterdämmerung|

Wie auch immer: Ende gut, alles gut. Oder doch nicht? Viele Helden mussten ihr Leben lassen, andere jedoch – wundersamerweise – nicht. Mit vereinten Kräften wird man auch Tyrones Herr, und schließlich kann man ans Reparieren und Genesen gehen. Doch einer ist für immer gegangen: Urvater, der Schöpfer dieser Welt. Er hat sein negativ gepoltes Gegenstück, den Mahlstrom, nicht überlebt. Das heißt: nur körperlich. Denn seine Geschichte, also seine Idee, lebt weiter fort, ermöglicht durch die Magie des Geisterhändlers, des einäugigen Gottes (eine Gandalf-Figur). Die Ära der alten Götter ist vorüber, die Herrschaft der Menschen endgültig angebrochen. Doch einen neuen König gibt es dennoch nicht: Die alten Streitigkeiten bleiben bestehen. Aber alle schmieden Pläne.

|Metamorphose |

Ein Handlungselement hat mich an einen alten Fantasytrick erinnert: Wenn eine alte Figur ausgedient hat, wird sie entweder ausgewechselt – oder sie verwandelt sich. So verwandelt sich der alte Zauberer in A. R. R. R. Roberts Hobbit-Parodie [„Der kleine Hobbnix“ 477 kurz vor der entscheidenden Begegnung mit dem Drachen (alias Smaug) in ein Wesen, das wesentlich nützlicher ist als der vergessliche Tatterich, der er zuvor war (ich verrate nicht, in was). Aber er entscheidet natürlich die Begegnung mit dem Gegner. Dieses Element könnte man wohl als „Ass im Ärmel“ bezeichnen.

Der hexhermetische Holzwurm, der als Orakel und Dichter gleichermaßen genervt hat, macht eine Verpuppung durch, die den Leser gespannt darauf warten lässt, was aus dem Kokon schlüpfen mag. Als die geflügelte Schlange mit viel Licht und Wunder erscheint, ist auch dies eine Begegnung mit dem Numinosen. Merkwürdig, dass keiner der Anwesenden sonderlich Angst verspürt. Und da sich die grantige Mentalität des Ex-Holzwurms nicht geändert hat, gibt es dazu auch wenig Anlass. Die Feinde haben sich dafür umso mehr zu fürchten.

|Terminator-Wyvern|

Auch der Gestaltwandler ist ein Gegner, dem sich jemand entgegenstellen muss, und diesmal ist die Reihe an Griffin, Jollys Freund. Der Gestaltwandler oder „Wyvern“ (was in den meisten Bestiarien einen Flugdrachen bezeichnet, aber das trifft hier nicht zu) ist ein Schwarmwesen, das – wie ein feindlicher Terminator à la TX – die Gestalt jedes Wesens annehmen kann, das es berührt hat. Es ist folglich äußerst schwierig, so eine proteische Gestalt zu töten. Griffin schafft es wunderbarerweise trotzdem.

|Vorgeschichten|

Doch wer hat das Wyvern geschickt: der Mahlstrom, die Meister, das Mare Tenebrosum oder sonst jemand? Die Erklärung ist recht kompliziert, denn sie fordert ständiges Umdenken. Ebenso kompliziert ist die Erklärung, wie der Mahlstrom überhaupt entstand – und warum er nach mehreren tausend Jahren Ruhe erneut auftauchte. Mich haben diese Erklärungen kaum zufrieden gestellt. Das ist das Problem mit den nachträglich gelieferten Vorgeschichten: Sie lassen sich nur selten auf erzählerisch befriedigende Weise in die gegenwärtige Erzählung integrieren. Tolkien beispielsweise brauchte dafür einen umfangreichen Anhang, um die Vorgeschichten für „Der Herr der Ringe“ zu beleuchten. Hätte er [„Das Silmarillion“ 408 zuerst veröffentlichen dürfen, wäre das unnötig gewesen.

Das Ende des Widersachers, sei es nun Sauron oder der Mahlstrom, hat entsprechend spektakulär auszusehen und das Ende einer Ära zu bezeichnen. Sowohl Tolkien als auch Peter Jackson und Kai Meyer lösen diese leichte Aufgabe zur größten Zufriedenheit des jeweiligen Publikums, ohne jetzt mehr verraten zu wollen.

_Unterm Strich_

Wie oben schon erwähnt, greift der Autor in diesem Teil auf bewährte Muster der Fantasyliteratur zurück. Da ich diese Muster zur Genüge kenne, habe ich mich ziemlich gelangweilt, denn ich wusste ja schon, was kommen würde. Die diversen Showdowns, die für ein Finale obligatorisch sind, konnten mich ebenfalls nicht besonders begeistern, denn es war ja klar, dass die Guten gewinnen würden.

Keiner von Jollys Gefährten gerät wirklich in Lebensgefahr, und wenn auch Jolly zeitweilig für tot gehalten wird, so ist doch für jeden Kenner klar, dass der Autor die Hauptfigur nicht einfach sang- und klanglos in der Versenkung verschwinden lassen kann. Aber wenigstens tauchen keine Adler auf – obwohl der Flugrochen Griffins damit eine starke Ähnlichkeit aufweist. Alles in allem wird in diesem Teil mehr gehandelt als gequasselt, doch der hohe „bodycount“ unter den feindlichen Angreifern auf Aelenium dürfte keinen Leser schmerzen.

http://www.loewe-verlag.de/