_Kein Zielbahnhof in Sicht_
Nach dem Erfolg des Original-Titels im Jahre 2004 nutzte Erschaffer Alan R. Moon wirklich jede Möglichkeit, seinen Absatzgaranten „Zug um Zug“ in vielfältiger Art und Weise unters Volk zu bringen. Dies führte in der „Europa“-Fassung noch dazu, dass man sich über die Erweiterung der Spielkomponenten freuen konnte, hinterließ aber schon in der „Märklin“-Edition aufgrund der sich bietenden Stagnation einen faden Beigeschmack, da man sich des Eindruckes nicht erwehren konnte, der Schöpfer des Spieles des Jahres 2004 wolle sein Produkt bis zum letzten bisschen ausschlachten.
Dementsprechend skeptisch waren die nunmehr langjährigen Bahnreisenden, als die Kunde von einem Kartenspiel zum Thema die Runde machte. Wo sollte das nur noch hinführen? Doch überraschenderweise belehrt und Moon dieser Tage, dass gerade diese Idee dem Stillstand mit einem beachtlich gut umgesetzten Spielkonzept entgegenwirken kann.
_Spielidee_
Das Spielprinzip ist vergleichbar mit den großen Brettspiel-Brüdern. Die Spieler müssen durch das Sammeln von Waggons und Loks versuchen, die Anforderungen ihrer Streckenkarten zu erfüllen und somit die Verbindung zwischen verschiedenen amerikanischen Städten herzustellen. Jedem ist es dabei selber überlassen, wie hoch er pokert und welche Aufträge er annimmt, da er anschließend auch die jeweiligen Punkte für nicht erfüllte Missionen einbüßt. Wichtig ist weiterhin, dass man sich auf bestimmte Städte der sechs großen Metropolen spezialisiert, denn wer jeweils die meisten Aufträge mit deren Beteiligung erfüllt, bekommt am Ende des Spiels weitere Bonuspunkte. Derjenige, der schließlich das dickste Punktekontingent auffahren kann, gewinnt das Spiel.
_Spielmaterial_
• 1 Regelheft
• 80 Waggonkarten
• 16 Lokomotiven-Karten
• 46 Zielkarten
• 6 Karten ‚Großstädte‘
Bei der Gestaltung der verschiedenen Karten orientiert sich das Spiel ziemlich deutlich an den vorherigen Editionen, wobei besonders die Waggonkarten ein echtes grafisches Highlight geworden sind. Aber auch die Zielkarten wurden optisch noch einmal gehörig aufgepäppelt und verdienen gesonderte Beachtung. Einzig und allein die Farbgebung bei den Lokomotiven hätte ein wenig individueller sein können. Nicht selten geschieht es, dass man die Rückseite einer Karte wegen der starken Parallelen mit der Vorderseite einer Lokomotiven-Karte verwechselt, was in der praktischen Ausführung schon zu einer gewissen Unübersichtlichkeit führen kann. Ansonsten ist die Optik des Spiels absolut optimal.
_Spielvorbereitung_
Zu Beginn des Spiels erhält jeder Spieler eine Lokomotive sowie sieben Waggons. Weiterhin darf sich jeder aus einer Auswahl von sechs Zielkarten so viele heraussuchen, wie er behalten möchte, wobei er mindestens zur Abnahme einer Karte verpflichtet ist. Anschließend wird der aktive Spielbereich aufgebaut, und dies nach bekanntem „Zug um Zug“-Muster: Fünf Wagenkarten liegen offen, daneben befindet sich der verdeckte Nachziehstapel, aus dem später weitere Karten aufgedeckt werden. Besteht dieser Aufbau, beginnt das Spiel mit dem zuvor ausgewählten Startspieler.
_Spielaufbau_
Eine Spielrunde besteht aus genau zwei Phasen, von denen lediglich die zweite auch in jeder Runde gespielt werden muss. Hierzu muss zunächst der Mechanismus genauer erklärt werden: Das Spiel gliedert sich in mehrere Örtlichkeiten, die für das System relevant sind. Zunächst wäre da der Verschiebebahnhof. Dies ist der Platz, an dem man die Karten auslegt, die man für einen oder mehrere Aufträge nutzen möchte. Sobald diese Karten im Verschiebebahnhof ausgelegt sind, hat man sie allerdings noch nicht in Sicherheit gebracht, denn ein Angriff des Gegners kann bewirken, dass sie gestohlen werden und aus dem Spiel gelangen. Ziel sollte es also sein, in cleveren Schritten seine Karten in den Unterwegs-Stapel zu bekommen, jenem Stapel, in dem schließlich alle Waggons und Lokomotiven aufbewahrt werden, die man für die Erfüllung seiner Aufträge einsetzen möchte.
In der ersten Phase ist es nun möglich, Karten aus dem vorläufigen Hort des Verschiebebahnhofs in den Unterwegs-Stapel zu schieben, sofern sich eben auch Karten im Verschiebebahnhof befinden. Ist dies der Fall, muss der Spieler einen Waggon jeder dort befindlichen Karte weiterschieben. Sind sie nun im Unterwegs-Stapel, bleiben sie für den Rest des Spiels dort verdeckt liegen. Dies bedeutet gleichzeitig, dass man sich von Anfang an merken muss, welche Karten man bereits ausgespielt hat und welche Aufträge man hiermit abdecken kann. Dies wird im weiteren Verlauf allerdings zu einer nicht zu unterschätzenden Schwierigkeit.
In der zweiten Phase hat man nun die Auswahlmöglichkeit aus insgesamt drei Aktionen, von denen man aber nur genau eine durchführen darf. So ist es möglich, zwei neue Wagenkarten zu ziehen (entweder aus der offenen Auslage oder verdeckt vom Nachziehstapel) oder optional eine Lokomotive als Joker zu nehmen. Weiterhin darf man vier neue Zielkarten ziehen und ebenso wie in der Vorbereitung auswählen, ob und wie viele man hiervon behalten möchte. Die letzte Aktion betrifft schließlich den Verschiebebahnhof, in den man nun neuen Wagenkarten legen darf. Aber auch hier gibt es strikte Vorschriften: Entweder legt man zwei oder mehr Karten einer Farbe (plus eventuell Lokomotiven) dort hinein, oder aber wählt man genau drei Karten unterschiedlichster Farbe für den Verschiebebahnhof aus. Allerdings dürfen die Karten auch nur dann ausgespielt werden, wenn kein anderer Spieler die jeweilige Farbe bereits ausliegen hat. Ist dies der Fall, kann man den Spieler dennoch ärgern, nämlich indem man mehr Karten dieser Farbe auslegt. Der betroffene Spieler muss seinen Verschiebebahnhof dann leerräumen und verliert seine Waggons an das Spiel.
_Spielziel_
Abhängig von der Spielerzahl endet das Spiel, wenn der Wagenkarten-Stapel einmal oder zweimal (im Spiel zu viert) aufgebraucht wurde. Sobald dies geschehen ist, wird die laufende Runde noch zu Ende gespielt und anschließend gewertet. Alle erfüllten Aufträge bringen die darauf abgedruckte Punktzahl, wohingegen nicht geleistete Arbeiten mit der gleichen Punktzahl als Minus bestraft werden. Anschließend werden die Bonuspunkte für die Großstädte verteilt. Wer nun die meisten Punkte übrig behält, hat das Spiel gewonnen.
_Persönlicher Eindruck_
Ich muss zugestehen, dass ich von „Zug um Zug – Das Kartenspiel“ sehr positiv überrascht bin, da es sich einerseits sehr wohlwollend von den bisherigen Titeln distanziert und somit den bekannten Mechanismus gekonnt weiterentwickelt, andererseits aber auch nie der Gedanke aufkommt, hier handele es sich tatsächlich um die weitere Ausschlachtung eines Erfolgsprodukts. Der Transfer der Aufträge auf die Zielkarten ist sehr schön gelungen, und da man nun nicht mehr verpflichtet ist, seine Waggons für bestimmte Strecken abzulegen, kann man immer wieder taktieren und seine Strategie umwerfen, indem man seine Waggons anders als geplant für einen neuen Auftrag einsetzt. Auch die Idee mit dem Verschiebebahnhof ist sehr gelungen und fügt dem Spiel eine weitere strategische Komponente hinzu. Man kann nicht mehr einfach nur ablegen und punkten, da man gleichzeitig um seine wertvoll zusammengestellten Waggons fürchten muss. Lediglich an der Spielübersicht hapert es ein wenig, da es wirklich schwierig ist, sich bei zehn und mehr Aufträgen noch zu merken, welche Farbkonstellationen man im Laufe des Spiels gesammelt hat. Zwar würde der umgekehrte Schritt dem gesamten Mechanismus das Risiko nehmen, aber es erfordert wirklich höchste Konzentration, um hier am Ball zu bleiben, anschließend noch weitere Zielkarten anzunehmen und auch das übrige Spielgeschehen nicht aus dem Auge zu verlieren.
Ansonsten hat das Kartenspiel zum einstigen Spiel des Jahres die Reifeprüfung wirklich souverän gemeistert. „Zug um Zug – Das Kartenspiel“ ist eine echte Alternative zum Brettspiel-Klassiker und wider alle Befürchtungen eines der besten Kartenspiele seit längerer Zeit. Gut gemacht, Mr. Moon!
http://www.daysofwonder.com/tickettoride/de/cardgame/
[„Zug um Zug – Europa“ 3086
[„Zug um Zug – USA 1910 Erweiterung“ 3087
[„Zug um Zug – Märklin“ 3128