John Moore – Hauen und Stechen

_Die erotischen Nöte des allzu edlen Prinzen_

Dornröschen, der edle Prinz, Wilhelm Tell, Aschenputtel und böse Drachen – sie alle geben sich ein humorvolles und überraschungsreiches Stelldichein in dieser netten, kurzweilig erzählten Fantasyparodie.

_Handlung_

Prinz Charming von Illyria hat eigentlich den geilsten Job, den man sich nur vorstellen kann: Er darf Jungfrauen aus der Not retten – sei es vor einem bösen Zauberer, einem ebensolchen Riesen oder einem Untier (Drachen sind diesbezüglich einschlägig vorbestraft). Auch Dank für die Rettung hagelt es regelmäßig: ein Küsschen hier, eine keusche Umarmung dort. Das Beste daran: Die ganze Plackerei mit dem Gepäck übernimmt sein Gehilfe Wendell. Doch im Gegensatz zu Charming steht der elfjährige Wendell überhaupt nicht auf hübsche Frauen und pralle Titten. Er will nur eines: gutes Essen! Was auch recht befriedigend sein kann.

Obwohl nun Prinz Charming genügend Anlass hätte, zufrieden den Ruf eines John Wayne in allen 20 Königreichen zu genießen, ist er nicht zufrieden. Etwas Wichtiges fehlt ihm. Natürlich liegt es an den Frauen. Sie sind einfach zu keusch, unschuldig, rein und jungfräulich. Daher ist er es zu seinem Leidwesen auch (das mit „unschuldig“ sollte man nicht zu genau nehmen). Aber er beugt sich dem Willen seines Vaters und des Geheimdienstministers: Was würden die Untertanen sagen, wenn Prinz Charming seine Rettungsdienste egoistisch ausnützen würde? Kein anderes Königreich würde ihn mehr zu Hilfe rufen – und, zack, schon bald wär’s mit Illyrias Glorie vorbei.

Der Prinz seufzt und macht sich zum nächsten Auftrag auf. Dieser jedoch hat es in sich und stürzt Illyria in die größte Krise seiner Existenz. Schuld daran ist Dornröschen. Diese unschuldige und wie üblich beinahe auch keusche Jungfrau rettet Charming unter größten Mühen aus ihrem Schloss, weil sich dort der Gral befinden soll, den eine böse Zauberin als Gegenleistung für die Freiheit ihrer Stieftochter Anne verlangt.

Die ganze Sache entwickelt sich nun extrem peinlich: Dornröschen, pardon: Prinzessin Aurora ist nämlich schwanger. Und das seit 20 Jahren. So lang lag sie unter dem Bann eben jener bösen Zauberin. Und von wem ist Aurora schwanger? Da war einst ein junger Prinz, ihr Verlobter, der jedoch in der Schicksalsnacht, als sie verzaubert wurde, gerade seine Bachelor-Party feierte. Als Aurora also am Hofe von Illyria auftaucht, erstarrt der König beim Anblick seiner früheren Verlobten.

Die Folgen für Charming sind fatal: Plötzlich ist er nicht mehr der Thronfolger, sondern nur noch ein hundsgewöhnlicher Nullachtfuffzehnprinz. Einzige Aushilfe verspricht der Gral. Eine Heldentat ohnegleichen muss her. Und koste es sein Leben …

_Mein Eindruck_

Dass man diesen Roman nicht allzu ernst nehmen sollte, macht schon das Titelbild klar: Es stammt von Josh Kirby und weist daher den gleichen Stil auf, den er für die Titelbilder der Scheibenwelt-Romane eines gewissen Terry Pratchett verwendete. Natürlich darf auf der Rückseite ein Verweis auf Pratchett nicht fehlen. Aber kann John Moore diesem Meister das Wasser reichen?

Moore schafft dies durchaus, allerdings ohne die zahlreichen Fussnoten des Briten und ohne großes Personal. Die Handlung ist dabei keineswegs vorhersehbar. Vielmehr überrascht Moore mit immer neuen reizenden – und völlig willkommenen! – Attacken auf Charmings Unschuld und Keuschheit. Die Frauenzimmer, die er aufbietet, sind zwar recht klischeehaft gezeichnet, erweisen sich aber als ernst zu nehmende Fallstricke auf Charmings verschlungenem Weg zum privaten Glück.

Viel witziger sind jedoch die Nebenfiguren. Da ist zum einen der fortschrittliche Magier Mandelbaum, der ziemlich kühne und verblüffende Einfälle hat. Auch wenn sie nicht immer auf Gegenliebe stoßen. Dann wäre da McAllister, der es wirklich auf Prinz Charming guten Ruf abgesehen hat. Schließlich wäre da noch Wendell zu erwähnen, der so jung, bodenständig und naiv ist, wie sein zartes Alter zulässt, aber doch weiß, worauf es ankommt: gutes Essen! Eine Krise des Staates ist schon daran zu erkennen, wenn ihm etwas den Appetit verschlägt.

_Unterm Strich_

John Moore ist ein parodistischer Fantasyroman gelungen, der ohne weiteres Drumherum seine klischeehaften Vorbilder der achtziger Jahre durch den Kakao zieht. Er belässt es zum Glück nicht dabei, sondern unterhält den Leser mit unerwarteten Wendungen, die mitunter sogar richtig verzwickt sein können – so etwa bei der Sache mit Auroras verzögerter Schwangerschaft und ihren unerwarteten Folgen für das illyrische Staatsgefüge. Die Frauen haben allesamt Erfolg, so oder so. Und die Männer müssen zusehen, wo sie bleiben. Fast wie im richtigen Leben.

|Originaltitel: Slay and rescue, 1993
256 Seiten
Aus dem US-Englischen übersetzt von Michael Siefener|