In einer Zeit, in der Kommunikationstrainer ein verarmtes, farbloses Neusprech aus vorgestanzten Phrasen verbreiten und so mancher „Parvenü“ die Inhaltslosigkeit seiner Rede durch ein aufgemotztes Imponier-Denglisch zu kaschieren versucht, kommt ein Buch wie das „Lexikon der bedrohten Wörter II“ von Bodo Mrozek gerade recht. 2005 erschien der erste Band, in dem der Verfasser Worte vorstellte und erklärte, die im Sprachgebrauch immer seltener vorkommen. Auf seiner Internetseite http://www.bedrohte-woerter.de gingen seither so viele Hinweise auf Wörter ein, die in Gefahr sind, aus der Alltagssprache zu verschwinden, dass mehr als genug Material für den nun vorliegenden zweiten Teil vorhanden war.
Dem Leser begegnen auch im zweiten Band Wörter, die sich tatsächlich schon aus der Sprache der Lebenden verabschiedet haben („Breger“, „Vagant“), immer seltener benutzt werden („garstig“, „Schmöker“) oder nur noch in Sprichworten und Redensarten ein letztes Refugium gefunden haben („Kerbholz“, „Bockshorn“). Mrozek geht in den Artikeln nicht streng wissenschaftlich vor. Die Erläuterungen in seinem Lexikon sind informativ, aber meist humorvoll formuliert. Er verwendet eine gediegene, etwas altertümliche Sprache, spielt mit Klischees, und die vielen sachlich nicht immer notwendigen Querverweise helfen, Erkenntnisse aus der Lektüre zu verfestigen. Ein Unterton melancholischer Ironie ist dabei nicht zu überhören. Denn viele Begriffe verschwinden nicht aus unserem Alltag, weil alte Wörter durch neue ersetzt werden, sondern weil die Dinge selbst aussterben. Wenn man im vorliegenden Lexikon Wörter wie „Sonntagsstaat“, „Conférencier“ oder „Kopfputz“ findet, wird einem bewusst, dass eine ganze Welt bürgerlicher Kultur im Untergang begriffen ist.
Bei einigen Wörtern wie „Anorak“ oder „Dusel“ darf man bezweifeln, dass sie vom Aussterben bedroht sind, aber dennoch ist es interessant, etwas über Herkunft und Geschichte solcher Begriffe zu lesen. Denn wer hat gewusst, dass „Anorak“ eines der wenigen Wörter ist, die aus der Eskimosprache ins Deutsche gelangt sind? Wenn der Autor jedoch den „Rentner“ als bedroht einordnet, dürfte ihn wohl eher „der Stachel gelöckt“ haben, ein paar Kommentare zum Zeitgeschehen loszuwerden.
Es werden aber nicht nur offenkundig altertümliche Wörter vorgestellt, sondern auch manch eine Vokabel aus der Modesprache der letzten Jahrzehnte, denen ein früher Tod droht. Jüngere Leser dürften kaum noch wissen, dass man Western ironisch „Pferdeopern“ nannte oder dass es nicht ganz geschmackssichere Autonarren gab, die „Mantaletten“ an den Füßen trugen.
Eine kleine „Beckmesserei“ kann aber nicht unterbleiben: Wenn man sich mit der deutschen Sprache befasst, sollte man sich auch ein klein wenig in der deutschen Literatur auskennen. Schillers „Wallensteins Tod“ ist kein Gedicht, sondern ein richtiges, ausgewachsenes Theaterstück.
Bodo Mrozeks „Lexikon der bedrohten Wörter II“ ist eine kleine Kulturgeschichte des Alltags und mag eine Anregung sein, sich wieder des Reichtums und der Farbigkeit der deutschen Sprache bewusst zu werden und das eine oder andere ausdrucksstarke Wort der Bedrohung zu entreißen.
http://www.bedrohte-woerter.de
http://www.rowohlt.de