Neumann, Hans-Peter / Klotz, Udo / Riffel, Hannes (Hrsg.) – SHAYOL Jahrbuch zur Science Fiction 2004

Nach einem Jahr der Parallexistenz dreier Jahrbücher zur SF kann man deutlich die Trennungslinien zwischen den dreien ausmachen. Wo |Heyne| den Rundumschlag in Sachen SF praktiziert, wobei es jedes Mal einen thematischen Schwerpunkt gibt, und das |ALIEN CONTACT|-Jahrbuch die „Heft“-Inhalte des letzten Jahres mit Schwerpunkt auf Unterhaltung beinhaltet, also deutlichem Primärtextanteil, scheint sich das |Shayol|-SF-Jahrbuch auf die Gesamt- und Überblicksdarstellung der deutsch-sprachigen und ausgewählter Aspekte der internationalen SF zu spezialisieren; ergänzt durch die sehr ausführliche und gediegene Bibliografie.

Die Bibliografie empfand ich im letzten Jahr als nicht so bedeutend, aber diesmal muss ich gestehen, machte sie mir großen Spaß. Es ist ja tatsächlich so, dass man auch als versierter, interessierter und suchender SF-&-Phantastik-Fan kaum noch den Überblick bewahren kann. Die SF wird zunehmend in deutsch-sprachigen Ländern zum Tummelplatz der Klein-, SmallPress- und semiprofessionellen Verlage, ganz zu Schweigen vom Internet und |books on demand|. Hier findet man also eine auf Vollständigkeit getrimmte Übersicht. Das geht so weit, dass Erzählungsbände auf vereinzelte SF- oder artverwandte Storys hin untersucht werden.

Im Einzelnen bedeutet dies: Die beiden (Haupt-)Herausgeber empfanden das vergangene Jahr als Jahr der SF-Erzählung. Wobei sie auch auf die relativ zahlreichen fannischen Buchproduktionen eingingen. Diese gingen oft aus Schreibolympiaden etc. hervor. Da wurde kein Blatt vor den Mund genommen und auch darauf hingewiesen, dass viele Schreibversuche als solche erkennbar sind.

Zwei Artikel widmen sich den Neuerscheinungen in den USA 2004; einmal von einem US-amerikanischen Autor, zum anderen von Hannes Riffel. Beide sind sicher recht subjektiv und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit; aber sie geben interessante Einblicke und Kauf- und Leseanregungen – für die Zukunft (so man des Englischen nicht mächtig genug ist). Da kommt einiges auf uns zu!

Das kann man von den anderen Ländern, die hier vorgestellt werden, sicher nicht behaupten. Dabei hätten sie es verdient! Gerade, was so in Polen und Russland vor sich geht, erscheint mitunter sehr interessant. Leider wird da sicher nicht viel ‚rüberwachsen. Vielleicht ja die Bücher zu dem in unseren Kinos laufenden russischen Mysterythriller. Die Bücher zu „Night Watch“ von Sergej Lukjanenkow müssen in Russland ziemlich abgeräumt haben. Ob man da hoffen kann, dass außer dem Auftakt auch die Folgebände ins Deutsche übersetzt werden? Aber wer weiß, ob dies tatsächlich eine Bereicherung darstellen würde, schließlich werden die Filme bei uns auch deshalb gezeigt, weil sie sich an die Machart ihrer Brüder im Geiste aus Hollywood annähern. Bei den Büchern vermute ich dasselbe. Aber besser als nichts. Dabei zeigt der Artikel, dass es im vergangen Jahr tatsächlich einige sehr vielversprechende Veröffentlichungen gab.

Ebenso in Polen; in Griechenland und Bulgarien aus meiner Sicht eher nicht. Die Artikel lesen sich schon ziemlich esoterisch; was es so alles gibt … Auch die Niederlande erschienen mir nicht so sehr interessant. Aber das mag Geschmackssache sein, wichtig ist es auf alle Fälle, mal zu sehen, was da so geschieht.

Bei der Häufung der Länderdarstellungen schleicht sich Routine, wenn nicht gar etwas Langeweile ein. Mehr ist tatsächlich nicht nötig, aber bitte, liebe |Shayol|-Leute, behaltet dies bei!

Die „Länderartikel“ sind allerdings auch mehr als nur Rückschauen auf 2004; sie holen meist weiter aus und zeigen die Entwicklung der SF in dem jeweiligen Land, insbesondere in jenen, von denen man ansonsten ohnehin nie viel mitbekommt.

Insgesamt zeichnen sich die Essays durch einen hohen Grad an Individualität aus; es sind oft sehr persönliche Sichtweisen, auch auf die SF-Serien in der BRD: Perry Rhodan, Bad Earth, oder der von Franz Rottensteiner, die ich wie im letzten Jahr mit großen Vergnügen las! Sein altes Motto: „Wider die verderbliche Schundliteratur!“ kommt hier immer wieder zum Ausdruck.

Gerd Frey hat wie im |Heyne|-SF-Jahrbuch wieder die wichtigsten SF-Spiele vorgestellt. Da mich das Gebiet nicht so sehr interessiert, weiß ich nicht, worin sich die beiden Artikel nun unterscheiden.

Dazu: Filmrückblick, zahlreiche Buchrezensionen, Nachrufe. Alle diese Rubriken findet man natürlich auch im |Heyne|-SF-Jahr. Ob man sich da noch etwas ausdenken könnte, um sich vom Großen Bruder zu unterscheiden? Aber vielleicht ist das auch nicht nötig, man muss sich dann eben nur entscheiden, wem man den Vorzug gibt. Eine solche Entscheidung möchte ich nicht fällen.

© _Thomas Hofmann_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de/ veröffentlicht.|

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