Der Orden der edlen Krieger I: [„Sucher“ 3817
Sucher, Morgenstern und der Wildling haben den ersten Teil ihrer Ausbildung zum Edlen Krieger beendet. Eigentlich sollten sie stolz sein. Doch sowohl Morgenstern als auch der Wildling haben mit Problemen zu kämpfen. Der Einzige, der in seinem Element zu sein scheint, ist Sucher. Als er eine besonders schwere Prüfung besteht, werden ihm Kräfte verliehen, die selbst die geballte Macht aller Nomana zusammengenommen weit übersteigen.
Während der Wildling von den Zinnen des Nom springt, um der Strafe für eine Regelverletzung zu entgehen, und der Rat darum ringt, was er mit Sucher und seiner unermesslichen Macht anfangen soll, schickt einer der Noma Sucher insgeheim auf eine gefährliche Reise: Sucher soll die Savanter finden, den geheimnisvollen Feind, der das Verlorene Kind bedroht. Zusammen mit Morgenstern, die den Wildling wiederfinden will, verlässt Sucher den Nom …
Unterdessen muss sich Sören Similin, der frühere Sekretär des Königs von Radiosa, der nach dem Umsturz die Macht über die Stadt an sich gerissen hat, mit einem riesigen Heer berittener Krieger herumschlagen, deren selbstherrlicher und rücksichtsloser Feldherr Amrot Jahan fest entschlossen ist, die ganze Welt zu unterwerfen. Mit List und Tücke kann Similin Jahan zu einem Heerzug gegen die Nomana überreden und hofft dabei, dass bei einer Schlacht zwischen Jahans Truppen und den Nomana beide vernichtet werden und er als lachender Dritter übrig bleibt. Doch er hat seine Rechnung ohne den verrückten, kleinen Wissenschaftler Evor Ortus und sein geladenes Wasser gemacht …
_Die gelungene Charakterzeichnung_, die William Nicholson im ersten Band des Zyklus aufgebaut hat, hat auch in der Fortsetzung nichts von ihrer Kraft verloren.
Die Entwicklung der drei Protagonisten, selbst Morgensterns plötzlich erwachende Liebe zum Wildling, sind auf eine Weise beschrieben, dass sie zu keiner Zeit unglaubwürdig oder gekünstelt wirken, und keiner der drei trägt durch die Entwicklung seines Charakters Brüche davon. Zudem wirken die Gedanken und Gefühle der drei sehr lebendig und nachvollziehbar und bieten eine Menge Identifikationspotential.
Aber nicht nur die Darstellung der drei jugendlichen Helden, auch die Ausarbeitung ihrer Gegner hat mir gut gefallen:
Sören Similin ist noch immer der eitle und hochmütige Mann, der sich für etwas Besseres hält. Und tatsächlich ist er ja auch durchaus gewitzt, was sich in seinem Empfang für den Jahan deutlich zeigt. Und wie jeder hochmütige und mächtige Mann beginnt er, sich gegen die Stimme in seinem Kopf, der er bisher gedient hat, aufzulehnen, seine eigenen Pläne zu schmieden, denen er aber offenbar nicht ganz traut, denn als die Situation sich zuspitzt, wird er zunehmend nervöser, ängstlicher, hibbeliger. Und empfänglich für die Rache derer, die er in seinem Hochmut abfällig behandelt hat.
Der Jahan ist schlicht und einfach ein grober Klotz, stur, stolz und ein wenig bauernschlau. Was er denn mit der Welt anfangen sollte, wenn er sie vollständig erobert hat, daran hat er offenbar noch keinen einzigen Gedanken verschwendet. Im Grunde geht es ihm nur darum, dass alle ihm gehorchen und ihm ihre Ehrerbietung erweisen müssen. Wer es wagt, ihm Widerstand zu leisten, wird einfach in den Boden gestampft.
So treffend die Darstellung der einzelnen Figuren bis hin zum kleinen, aber gerissenen Professor und seiner genial boshaften Rache auch ist, der eigentliche Feind ist immer noch ein vager Schemen. Im Laufe der Geschichte wird angedeutet, dass es sich um ehemalige Nomana handelt. Aber selbst als Sucher einigen von ihnen gegenübersteht, werden sie lediglich als sehr alte Männer und Frauen beschrieben, die tatsächlich über Fähigkeiten der Nomana verfügen. Noch hat keiner von ihnen eine Vergangenheit, nur ein einziger Name fällt, und warum die Suche der Savanter nach ewiger Jugend so gefährlich für das Verlorene Kind sein sollte, ist ebenfalls noch nicht klar.
Das zeigt deutlich, dass das Auftauchen von Jahans Kriegerhorden, sein intrigantes Gerangel mit Similin und die Schlacht gegen die Nomana lediglich den Rahmen für die eigentliche Geschichte bilden. Das ist keineswegs abwertend gemeint. Die mehr oder weniger tumben Versuche von Jahans Söhnen, das Waldmädchen Echo für sich zu gewinnen, brachten eine Spur Humor in die Handlung, und es war sehr interessant, Jahans Reaktionen auf den fortwährenden Trotz des Waldmädchens Echo zu beobachten sowie die ständigen Versuche Jahans und Similins, den jeweils anderen zu benutzen und dann übers Ohr zu hauen.
_Mit anderen Worten_: Während der Autor vordergründig eine unterhaltsame und gegen Ende auch spannende Geschichte über Intrigen und Krieg erzählt, läuft der eigentliche rote Faden fast unbewegt nebenher. Tatsächlich zeigt der Handlungsstrang um Sucher weit weniger äußere Bewegung als der um Jahan und Similin, dafür weit mehr innere Unsicherheit. Suchers Gedanken spiegeln all die Geheimnisse und Fragen wider, welche der Autor bisher unbeantwortet gelassen hat und welche die Neugier des Lesers und damit auch die Grundspannung des Buches in den nächsten Band transportieren. Wer also wissen will, wer dieser freundliche alte Mann mit den guten Ratschlägen und dem Namen Jango wirklich ist, oder was genau es mit den Renegaten in der Landwolke auf sich hat, der wird wohl den dritten Band lesen müssen. Das dürfte aber nach dem, was die ersten beiden Bände geboten haben, kaum Überwindung kosten. Bisher war die Trilogie zwar keine allzu anspruchsvolle, aber durchaus eine angenehme Lektüre.
_William Nicholson_ ist Brite und arbeitete nach seinem Anglistikstudium zunächst für die BBC. Inzwischen ist er Schriftsteller, Drehbuchautor und Regisseur. Aus seiner Feder stammen „Die Gesellschaft der Anderen“ sowie im Jugendbuchbereich die |Aramanth|-Trilogie. Er schrieb die Drehbücher für „Nell“ und „Der Marsch“ sowie für „Gladiator“, mit dem er für den Oscar nominiert wurde. Der dritte Teil der Trilogie |Der Orden der edlen Krieger| soll unter dem Titel „Noman“ im Oktober dieses Jahres auf Deutsch erscheinen.
[Verlagsspezial über William Nicholson 3817
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