Luca Novelli – Einstein und die Zeitmaschinen (Szenische Lesung)

Weisheit durch Scheitern: Einsteins Ideen erklärt

Der berühmte Wissenschaftler Albert Einstein erzählt selbst kurzweilig und packend von seinem Leben und seinen Forschungen, seiner Liebe zur Physik, seiner Geige und seiner Einstellung zu Atomwaffen und Krieg. In der Schule war er mittelmäßig, beruflich verdiente er jahrelang wenig Geld als Mitarbeiter des Patentamtes. Doch plötzlich kursieren seine Ideen in der ganzen Welt! Wissenschaftliche Texte geben eine Einführung in die Theorien des Physikers, die alle Vorstellungen von Raum und Zeit infrage stellten. Zum Beispiel die Relativitätstheorie. (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt diese szenische Lesung ab 10 Jahren.

Der Autor

Luca Novelli, Autor und Illustrator, arbeitet als wissenschaftlicher Berater für die RAI, das staatliche italienische Fernsehen, und leitete zehn Jahre lang eine Zeitschrift für Grafik und Design.

Für die Reihe „Lebendige Biographien“ erhielt er 2004 den italienischen Andersen-Preis als bester populärwissenschaftlicher Autor. Diese Biografien der genialsten Denker und Erfinder aller Zeiten sind im Arena Verlag erschienen – und bei Audiolino als Hörbücher. (Verlagsinfo)

Die Sprecher

Siegfried W. Kernen (Erzähler), 1940 in Bandelin geboren, ist ein deutsch-schweizerischer Schauspieler. Er wuchs am Zürichsee auf und begann seine Schauspielkarriere erst in den siebziger Jahren, nachdem er bereits jahrelang als Journalist und Lehrer gearbeitet hatte. Im Fernsehen war er in vielen Krimiserien vertreten, insbesondere in der Rolle des Zollfahnders Hobel in der ARD-Krimiserie Schwarz-Rot-Gold. (Verlagsinfo)

Peter Kaempfe (Erklär-Texte) lebt als Schauspieler, Regisseur und Autor in Bremen. Nach dem Schauspielstudium gründete er mit zwei Kollegen die Bremer „Shakespeare Company“ sowie das „Theater aus Bremen“, mit dem er bis heute international weit über 2000 Vorstellungen gab.

Daneben tritt er in Funk und Fernsehen auf, unter Anderem im „Tatort“ und in der Kinderradiosendung „Bücherwurm grüßt Leseratte“ des Norddeutschen Rundfunks. Dank seiner ausdrucksstarken Stimme wurde er zu einem der erfolgreichsten Kommentatoren für Fernsehdokumentationen aller deutschen Sendeanstalten. Heute ist er in etlichen Hörspielen und Hörbüchern zu hören und tourt mit Live-Lesungen und einem Soloprogramm durch die Lande. (Verlagsinfo)

In weiteren Rollen: Dietmar Mues, Jona Mues, Jürgen Uter, Sandra Keck, Claudia Jahn, Ulrich von Bock, Jeannine Platz u. a.

Michael Bentzin spielt die Solo-Gitarre.

Regie führte Rainer Gussek.

Inhalte

Albert Einstein war derjenige Typ, der die Atombomben ermöglichte, die Hiroshima und Nagasaki zerstörten. Kann so ein Kerl ein guter Mensch gewesen sein, fragen wir uns. Und obendrein wurde er auch noch mit dem Nobelpreis belohnt – wohl kaum dafür, dass er in der Schule und am Polytechnikum ein Versager war. Wie konnte es nur soweit kommen, wundern wir uns. Das Hörbuch soll die Antworten auf diese Fragen liefern.

Der Trick dabei besteht in der engen Verknüpfung von Biografie und Wissen. Der Aufhänger für die Biografie sind ja Zeitmaschinen, wie sie schon 1895 H. G. Wells in seinem gleichnamigen Roman vorstellte. Interessanterweise sind auch mechanische Uhren Zeit-Maschinen. Doch erst mit supergenauen Atomuhren sei es gelungen, Einsteins Theorien zu beweisen. Man sieht also, dass dieses Wissen erklärt werden muss, damit Einsteins Biografie richtig interessant wird. (Die Biografie setze ich als bekannt voraus; sie lässt sich u. a. in der Wikipedia nachlesen.)

Der Augsburger Fabrikantensohn hätte es sich wohl nicht träumen lassen, dass er mal der berühmteste Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts werden würde, bloß weil er es wagte, ein paar grundlegende Fragen zu stellen: Wie sieht unser Universum wirklich aus? Was sieht ein Raumfahrer, der auf einem Sonnenstrahl reitet? Was ist überhaupt Zeit? Sie ist abhängig vom Raum und vom Betrachter. Na schön, aber diese weise Erkenntnis bewahrte ihn nicht davor, am Züricher Polytechnikum in der Aufnahmeprüfung durchzufallen.

Man wundert sich daher zunehmend, wie es Einstein gelingen konnte, derartig viel Anerkennung zu finden. Er arbeitete als kleiner Experte 3. Klasse im Patentamt von Bern, als er seine wichtigsten Abhandlungen veröffentlichte – immerhin bei keinem Geringeren als Max Planck. Der photoelektrische Effekt ist für uns heute wichtiger denn je: Er erlaubt es uns, aus Licht direkt elektrischen Strom zu erzeugen. Die Relativitätstheorie bewegte noch keinen, wohl aber die Abhandlung, in der Einstein den Zusammenhang zwischen Masse und Energie erklärte: E = m x c2 – diese berühmteste Formel aller Zeiten ermöglichte die Atombombe.

Zwischen der ersten Abhandlung 1905 und Einsteins Emigration 1938 in die USA vergingen nicht weniger als 33 Jahre, eine Ära, in der er einen kometenhaften Aufstieg erlebte, allerdings auch den Erfolg der Nazis, vor denen er schließlich flüchtete – zusammen mit den Physikern Enrico Fermi und Leo Szilard. Und erst in den USA wird Einstein für die Atomphysik wirklich wichtig.

Während Fermi in Chicago den ersten Atomreaktor baute und Szilard sich dem „Projekt Manhattan“ anschloss, um die A-Bombe zu bauen, hielt sich Einstein heraus. Er schrieb an Präsident Roosevelt einen brief, den er später bereute, denn man legte ihm seine Aufforderung, die A-Bombe zu entwickeln, bevor die Nazis es tun, als Kriegstreiberei aus. Dabei hatte er schon während des 1. Weltkriegs die Grausamkeiten abgelehnt, die beide Seiten begingen. Er besorgte weiterhin Gelder für die Forschung, vermutlich in bester Absicht.

Merkwürdigerweise findet die Hiroshima-Bombenexplosion in der Biografie keinen Niederschlag (weder radioaktiven noch sonstigen). Vielmehr folgt ein Erklärtext über die Reise zurück in der Zeit, um Ereignisse zu korrigieren. Die Assoziation liegt nahe, doch ob sie jedem Hörer einfällt, wage ich zu bezweifeln. Um ein Haar wäre Einstein der erste Präsident von Israel geworden, doch er lehnte ab. Stattdessen warnte er zuletzt vor dem atomaren Holocaust und forderte den Verzicht auf nukleare Waffen.

Dies war sein letzter Brief, bevor er am 18. April 1955 starb. Seine Große Einheitliche Feldtheorie bekam er deshalb auch nicht fertig. Durchgefallen!

Die Sprecher

Mein Eindruck ist naturgemäß eng mit der akustischen Präsentation der Inhalte verbunden. Man hat es mit einer szenischen Lesung zu tun, die wie ein Hörspiel daherkäme, wenn es eine dramatische Handlung besäße. So aber bekommen wir eine Vielzahl von Stimmen präsentiert. Da ist zum einen ein Erzähler, der die Einleitung spricht. Dann gibt es einen Sprecher der Erklärtexte, die einem Glossar entsprechen (Kaempfe).

Und schließlich spricht noch Einstein himself in der Ich-Perspektive. Das ist für mich der wichtigste Beitrag gewesen, denn hier erfahren wir endlich, wie es bei Einsteins zuging und was sich der alte Wissenschaftler bei seinen „atomaren“ Aktivitäten so gedacht hat. Siegfried W. Kernens Vortrag, der Auszüge aus den Briefen und Tagebüchern vereint, bildet die eigentliche Biografie, wird aber von anderen Stimmen ergänzt.

Geräusche

Ob eine kratzende Geige schon Musik ist, darf bezweifelt werden. Des Weiteren können Babygeschrei und Katzenschnurren nicht unbedingt als Sprechbeitrag gewertet werden. Deshalb seien beide unter „Geräusche“ abgehandelt. Des Weiteren hören wir diverse Zurufe, eine knallende Tür, einen Kanonenschuss (= Urknall) und raschelnde Papierseiten, die umgeblättert werden. Das „Szenische“ an dieser Lesung hat also durchaus seine Berechtigung.

Die Musik

Eine prominente Zutat ist die Musik, die man nicht ohne Weiteres erwarten würde. Der Konzertgitarrist Michael Bentzin spielt Lauten- und Gitarrenstücke aus dem 18. und 19. Jahrhundert: von J. S. Bach, Fernando Sor, Giuseppe Brescianello, Vincenzio Galilei u.a. Die meisten Stücke, die als Pausenfüller oder im Hintergrund gespielt werden, sind ruhig und heiter, manche auch getragen und gravitätisch, wenige flott und dynamisch. Die Gitarre spielt das Intro und das Outro, ist also durchaus wichtig. Eine warme, heitere und abgeklärte Stimmung durchzieht die ganze Lesung.

Ganz am Schluss ist noch der Audiolino-Jingle zu hören. Er klingt wie eine Kadenz auf einem Glockenspiel.

Das Booklet

… enthält ein Glossar der wichtigsten Begriffe, von A wie Atim bis Z wie Zeitmaschine. Man erfährt aber auch etwas über kompliziertere Begriffe wie etwa die brownsche Molekularbewegung oder den photoelektrischen Effekt (für dessen Beschreibung Einstein den Nobelpreis erhielt, nicht etwa für die Relativitätstheorie).

Unterm Strich

Jetzt weiß ich einiges mehr über den berühmten Wissenschaftler. Nun steht er nicht mehr auf dem Sockel, sondern ist einer von uns. Besonders in seiner Kindheit und Jugend wird seine angebliche Unzulänglichkeit sichtbar, während es sich doch vor allem um die Herausbildung eines selbständigen Geistes handelte.

Die Zeit nach den epochalen vier Aufsätzen von 1905 wird leider mehr summarisch abgehandelt, bis es wieder um den Umgang mit der Atomkraft geht. Dieser Lebensabschnitt ist für uns eminent wichtig, denn immer noch müssen wir mit den Folgen der Nutzung der Nuklearenergie – in AKWs wie auch in Bomben – zurechtkommen.

Wie hat sich Einstein seinerzeit dazu gestellt, ist deshalb eine wichtige Frage, die auch halbwegs glaubhaft beantwortet wird. Aber wir erfahren nicht, wie er auf Hiroshima reagiert hat. Manchmal erweist sich die Darstellung als etwas zu sprunghaft, und so kommt der Verdacht auf, hier könnten die vier Minuten Differenz gekürzt worden sein, die zwischen der Längenangabe auf der CD-Hülle und der auf Amazon.de bestehen. Merke: Auch ein Tonstudio kann eine Zeitmaschine sein.

Die Frage, ob es eine Zeitmaschine im Sinne von Wells‘ Entwurf geben kann, wird nicht beantwortet. Das wundert keinen. Zeitkorrekturen werden als „unlogisch“ abgetan. Aber wenigstens erfahren wir etwas über das Universum, Schwarze Löcher und den ganzen Rest. Das ist ja auch schon was. So ganz zufrieden bin ich mit dieser oberflächlichen Darstellung nicht. Als Kind sollte man unbedingt den Rat der Erwachsenen suchen (falls sie mal Zeit haben).

Das Hörbuch

In dieser szenischen Lesung finden vor allem der Ich-Erzähler Einstein und der Leser der Erklärtexte Berücksichtigung; sie kombinieren Lebensporträt mit Wissensvermittlung – die Hauptaufgabe dieser Hörbuchreihe. Daneben spielen viele Geräusche und eine professionell gespielte Konzertgitarre eine unterstützende Rolle. Auf diese Weise bleibt die Wissensvermittlung nicht steril, sondern wirkt unterhaltsam. Auf jeden Fall sollte man das Hörbuch mehrmals anhören, um alle Informationen aufnehmen zu können.

1 Audio-CD
Spieldauer: ca. 62 Minuten,
Originaltitel: Einstein e le macchine del tempo (2004)
Aus dem Italienischen von Anne Braun
ISBN-13: 978-3867370660
www.audiolino.de