Novik, Naomi – Drachenzorn (Die Feuerreiter Seiner Majestät 3)

Band 1: [„Drachenbrut“ 3781
Band 2: [„Drachenprinz“ 4065

Da muss man sich doch sehr wundern, wenn man als Leser „Drachenzorn“, den dritten Teil der Saga |Die Feuerreiter seiner Majestät| von Naomi Novik, in den Händen hält und feststellt, dass auf den letzten Seiten mit einer Leseprobe der vierte, soeben in Amerika erschienenen Teil beworben wird. Schnell zur Internetseite des deutschen Verlegers |cbj| geklickt, liest sich dort in einer Ankündigung auf den ersten Teil:

|“Mit der Trilogie »Die Feuerreiter Seiner Majestät« schafft Naomi Novik eine aufregende, neue Drachensaga: In einer historischen Parallelwelt zur Zeit der Napoleonischen Kriege kämpfen Captain Will Laurence und sein unzertrennlicher Drache Temeraire an allen Fronten gegen die französische Bedrohung …“|

So weit, so gut, nur dass es mit der Trilogie nun nicht mehr weit her ist, denn „Drachenzorn“ endet nicht mit einem erhofften, abschließenden Finale, sondern einem offenen Ende, das auf die besagte Fortsetzung zusteuert. Das wäre an sich nicht sonderlich tragisch, nur ist die Erwartungshaltung der Leser an die Romane ursprünglich eine andere gewesen, zumindest im Fall des Rezensenten. Denn nach einem überraschenden Auftakt, der mit seiner unkonventionellen Erzählweise zu gefallen wusste, und einem würdigen und spannenden, wenn auch erzähltechnisch etwas abfallenden zweiten Teil, hätte mit diesem Band der erhoffte Höhepunkt die Geschichte zu Ende bringen können. So allerdings stellt „Drachenzorn“ nur einen weiteren Band dar, auf den nun wer weiß noch wie viele Bände folgen. Und tatsächlich stellt sich nach der Lektüre leichte Ernüchterung ein, denn „Drachenzorn“ fällt, bei im Vergleich zu anderen derzeit veröffentlichten Fantasybüchern noch immer überdurchschnittlich hohem Niveau, leider weiter ab.

_Inhalt_

Die Handlung setzt genau dort ein, wo „Drachenprinz“ endete: am Hof des Kaisers in China. Alle Streitigkeiten zwischen Will Lawrence als Gesandtem Britanniens, seinem Himmelsdrachen Temeraire und dem chinesischen Kaiser sind beigelegt. Nach chinesischem Recht dürfen nämlich nur Mitglieder der kaiserlichen Familie einen Himmelsdrachen fliegen, so dass Will kurzerhand vom Kaiser adoptiert worden ist und nun gewissermaßen die Erlaubnis erteilt bekommen hat, Temeraire auch offiziell als Reiter vorzustehen. Einer Reise ins heimatliche England steht so nichts mehr im Weg, wäre da nicht eine Botschaft, die Will in China erreicht. Er soll schnellstmöglich in das Türkische Reich reisen und dort drei Dracheneier entgegennehmen. Schließlich ist der Kampf Britanniens gegen den übermächtig erscheinenden Napoleon in vollem Gange, und Drachen, vor allem gleich drei an der Zahl, könnten den Krieg entscheidend beeinflussen.

Will und Temeraire sind aufbruchsbereit, es gibt nur ein Problem, denn ihr Schiff, mit dem sie den langen Weg nach China genommen haben, hat einen schweren Brand hinter sich und muss noch einige Wochen im Hafen liegen, um wieder seetüchtig gemacht zu werden. Zu lange, denn die Zeit drängt und jeder verlorene Tag könnte Napoleon einen Schritt weiter zur Herrschaft über ganz Europa bringen. So entscheiden sich die zwei ungleichen Gefährten zusammen mit ihrer Drachenbesatzung dafür, eine Reise übers Festland anzutreten. Was auf der Karte deutlich kürzer erscheint, entpuppt sich jedoch als waghalsiges Abenteuer, denn alle Strecken kann auch ein Drache nicht fliegend überqueren. Schon der erste Abschnitt durch die Wüste, den die Gruppe zu Fuß zurücklegen muss, fordert Ausdauer und Durchhaltevermögen. Sandstürme, Wassermangel, ausreißende Kamel und Wüstenräuber zehren an den Kräften. So sind Laurence und seine Crew auf einen kundigen Führer angewiesen. Doch Tharkay, der auf dieses Angebot eingeht, erscheint im Laufe der Reise alles andere als vertrauenswürdig. Kann er der Gruppe wirklich helfen, sicher bis in den Bosporos zu gelangen?

Tharkays fragewürdige Loyalität ist nicht das einzige Problem. In den Bergen, nachdem die Mannschaft von einer Schneelawine überrascht wird und Unterschlupf in einer von wilden Drachen bewohnten Höhle findet, muss Temeraire erfahren, dass Lien nach Europa aufgebrochen ist – eben jener schneeweiße Himmelsdrache, der in „Drachenprinz“ dem Verräter Yongxing gehörte und mit ihm zusammen den chinesischen Kaiser stürzen wollte. Die Absicht des nun gefährtenlosen Tieres dürfte nichts Gutes bedeuten, schließlich ist sie nicht gut auf Temeraire und Will Laurence zu sprechen.

Zunächst ist sie aber vergessen, denn endlich im Ottomanischen Reich angelangt, wollen die Türken die drei Dracheneier, für die Laurence extra hierhergereist ist, nicht herausrücken. Er muss einen tollkühnen, aber gefährlichen Plan einschlagen und sie des Nachts aus einem Harem klauen. Zwar kann er sich dieser zwar bemächtigen, doch er befindet sich nun auf der Flucht. Zusammen mit Temeraire versucht er so schnell wie möglich nach England zu fliegen. Aber der Krieg hat das Land überzogen, und an einen direkten Weg nach Britannien ist nicht zu denken. Die Reise endet zunächst im benachbarten Österreich. Mit den Türken im Nacken und neuen Verbündeten muss sich das Duo Napoleon in den Weg stellen, und – wie befürchtet – einer Armee, die von Lien persönlich angeführt wird.

_Bewertung_

Naomi Novik verknüpft auch im dritten Teil ihrer Saga gekonnt die historischen Fakten mit dem Genre der Fantasy, das allerdings ausschließlich auf die Drachen beschränkt bleibt. Es existiert keine Magie, selbst die in der Fantastik üblichen als Reinform der Magie dargestellten Drachen sind in der alternativen napoleonischen Epoche Noviks nur als Kampfmaschinen eingesetzte Tiere, allerdings ganz besondere, da sie durch die ihre Intelligenz, die Fähigkeit zu kommunizieren und ihre Kraft den Menschen beinahe ebenbürtig sind. Die Menschen sind ihnen nur durch ihre pure Anzahl überlegen und somit in der Lage, sie für ihre Kriegszwecke, wie es sowohl Britannien als auch Frankreich tun, zu nutzen.

Dass es auch anders geht und Drachen viel stärker am kultivierten Leben teilhaben können, haben Will Laurence und sein Drache Temeraire in China gesehen. Der Wunsch, etwas an den Verhältnissen in England zu ändern, wo es den Drachen nicht schlecht geht, sie aber nicht bedenkenlos durch die Straßen großer Städte laufen können, sondern in Militärbasen festgehalten werden, treibt Temeraire auf dem Rückweg nach Europa an. Die Diskussionen über neue Rechte für Seinesgleichen, die Temeraire mit Laurence, aber auch anderen Drachen führt, stehen im Zentrum von „Drachenzorn“. Daneben präsentiert Novik die Kultur der Türken und geht zudem im Detail auf die kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa ein. Beide Aspekte, sowohl die geistreichen Dialoge wie auch die authentische Darstellung des alten Europa, die trotz der fiktiven Fantastik-Elemente glaubwürdiger rüberkommt als so manches staubtrockene Sachbuch, sind eindeutig die Pluspunkte des Romans. Sie ziehen sich wie ein roter Faden von Beginn an durch die Sage, auch wenn der Schwerpunkt von der Beziehung zwischen Mensch und Drache aus dem ersten Teil einer eher actionlastigeren Handlung gewichen ist.

Naomi Novik fällt es allerdings schwer, trotz der wesentlich ereignisreicheren Schilderungen im Vergleich zu „Drachenbrut“ die Spannungsbögen konstant zu halten. Einige Episoden, speziell im Mittelteil, wirken aufgesetzt und keineswegs so flüssig, wie es uns die Autorin Glauben machen will. Sie bricht mit ihrem früheren Stil und stellt die Geschichte in immer größere Kontexte, anstatt sich auf die Charakterdarstellung zu konzentrieren, die sie, wenn sie wieder zu diesen zurückkehrt, ausgezeichnet beherrscht. Stattdessen nimmt die Handlung immer öfter epischere Ausmaße an (die ereignisreiche Reise, die Flucht aus der Türkei etc.), und dies nicht nur, weil Napoleon wichtige Schlachten gewinnt und die Gefahr für England umso größer wird. Mit Lien etwa baut sie einen Drachen-Gegenspieler auf, der die Einzigartigkeit Temeraires zunichte macht und über fast dieselben Fähigkeiten verfügt. Liens Motivation, als chinesischer Himmelsdrache nach Europa zu fliegen, nur weil Laurence für den Tod ihres früheren Reiters zuständig gewesen ist, hinterlässt einen etwas schalen Nachgeschmack. Genau deshalb hätte Naomi Novik gut daran getan, ihre Reihe abzuschließen und sich nicht in immer neue Verkettungen zu verlieren, die zum Teil zu konstruiert wirken.

Aller Kritik zum Trotz ist aber auch „Drachenzorn“ ein gelungener Roman geworden und gut zu lesen. Novik kennt sich mit der Epoche, in der sie ihren Roman angesiedelt hat, bestens aus und weiß die Vorlage zu nutzen. Der dritte Band fällt zwar etwas ab, doch es bleibt die Hoffnung, dass Novik sich in den nun unvermeidlichen Fortsetzungen auf ihre Stärken besinnt.

Offizielle Homepage der Autorin:
http://www.temeraire.org/

Deutsche Fanseite:
http://www.temeraire.de/

Website des Verlags:
http://www.cbj-verlag.de

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