Pak, Greg / Tocchini, Greg – 1602 – Die neue Welt (100 % Marvel 23)

_Story_

Captain Americas Zeitsprung ins 17. Jahrhundert veränderte die gesamte Realität nachhaltig. Sein Handeln in der vergangenen Zeit erzeugte eine Parallelwelt, in der die Dinosaurier noch nicht ausgestorben sind. Inmitten der Kolonie Roanoke entdeckt der junge Peter Parquah seine heimlichen Superkräfte, die er ebenso wie die mysteriöse Mutantin Virginia O’Dare zunächst für sich behält.

Zur gleichen Zeit wird der Geheimagent von König James von England, David Banner, ausgesandt, um den Verräter Nick Fury zu töten. Doch auch Banner verfügt über geheime Kräfte, die aus ihm den riesigen Hulk machen, ein Wesen, das zu dieser Zeit noch als Hexenbrut verschrien ist und von allen Seiten gejagt wird. Keiner jedoch weiß, woher diese Energien, die sowohl Parquah als auch Banner in etwas ‚Anderes‘ verwandelt haben, wirklich stammen …

_Meine Meinung_

Mit „1602 – Die neue Welt“ knüpft Greg Pak genau dort an, wo die von Neil Gaiman ins Leben gerufene, achtteilige Maxiserie „1602“ vor einiger Zeit endete. Allerdings greift Pak nicht mehr exakt die vorangegangenen Geschehnisse auf, sondern steigt sofort in der neuen Welt ein, in der noch Chaos und allerorts Verwirrung vorherrschen. Und dies überträgt sich auch auf den Leser, der zunächst einmal gar nicht weiß, wie und woran er sich orientieren soll, um die verschiedenen Ereignisse in der fünfteiligen Folgereihe von Beginn an begreifen zu können, denn im Grunde genommen wird der Plot um die Zeitreise von Captain America schon als bekannt vorausgesetzt. Zudem bemüht sich der Autor zu Beginn auch kaum, das selber initiierte Durcheinander langsam aber sicher mal aufzulösen, sondern breitet es durch einige Gedanken- und Zeitsprünge sowie eine übertrieben lange Wiederholung eines Traumes – der in Worten und Bildern über mehrere Seiten eins-zu-eins wiedergeben wird – noch weiter. Dementsprechend wenig Zeit bleibt ihm auf der Ziellinie, um all die Geschehnisse angemessen aufzuklären, so dass selbst nach dem Ende noch einige Fragen offen bleiben.

Man muss sich außerdem arg konzentrieren, um dem Plot überhaupt folgen zu können. Die Motivationen der einzelnen Hauptfiguren werden bis zum Schluss nicht deutlich, und auch die jeweiligen Handlungsschritte seitens Banner und Parquah sind nicht wirklich transparent dargestellt. So entstehen über den gesamten Sammelband „1602 – Die neue Welt“, der übrigens in der Reihe „100 % Marvel“ erscheint, viel zu viele Schauplätze, die dann auch noch von Erinnerungen an Vorangegangenes überschattet werden und schließlich den roten Faden aus der Hand geben.

Dabei ist das Ganze inhaltlich superinteressant! Zwar ist das Umkrempeln des |Marvel|-Universums in der heutigen Zeit kein gänzlich unbekannter Akt, allerdings wird er hier vor einem komplett neuen Hintergrund erprobt. Statt beklemmender Zukunftsvisionen wird hier eine Vergangenheitsperspektive entworfen, die sich mit keiner der bislang kreierten Parallelwelten aus der Welt der |Marvel|-Comichelden beißt und wegen des urtümlichen Flairs so gänzlich anders ist als das, was man aus der amerikanischen Top-Schmiede gewohnt ist.

Zeichnerisch wird dies von Paks Namensvetter Greg Tocchini ebenfalls super in Szene gesetzt, wobei besonders die neu illustrierten Helden gut gefallen. Lord Iron alias Iron Man zum Beispiel wurde hier als imposante Riesenfigur eingeführt, die der schwarzen Inkarnation des Hulk durchaus die Stirn bieten kann. Spider-Man, hier ‚Die Spinne‘ genannt, hingegen kann in seinem schlichten Outfit nicht so ganz punkten, kommt aber auch in der Geschichte nicht so ganz zum Zuge und wird trotz tragender Rolle eher in die Position eines Komparsen gedrängt. Dies wiederum kann man dem Team nun je nach individueller Sichtweise als Stärke oder Schwäche auslegen. Zum einen nämlich schlüpft hier niemand so richtig in die Rolle des Hauptdarstellers, so dass viele Personen sich in den Vordergrund spielen können; zum anderen fehlen „1602 – Die neue Welt“ damit aber auch echte Persönlichkeiten, die mit den Helden von ‚heute‘ und deren Status verglichen werden können. Selbst dem Hulk gelingt dies nicht.

Dies sagt letztendlich auch einiges über die Unschlüssigkeit des Autors aus. „1602 – Die neue Welt“ wirkt ein wenig ziellos und verfängt sich zwischenzeitlich auch in zu vielen Nebensächlichkeiten, welche die eigentliche Erzählung kurzzeitig unterbrechen. Erst zum Schluss hin kommt die Geschichte langsam in Fahrt, erfährt dann aber auch schon wieder ein abruptes, nicht ganz zufrieden stellendes Ende, das man mit etwas Liebe zum Detail und einer gradlinigeren Vorgehensweise weitaus gefälliger hätte gestalten können. Alles in allem kann dieser Sammelband damit auch nicht ganz den hohen Standard der meisten Hefte aus der Serie „100 % Marvel“ halten. Wer aber schon die Vorgänger-Geschichte gelesen hat, sollte sich dennoch mal mit der hier nun abgeschlossenen Serie beschäftigen. Ein gewisses Niveau wird ja schließlich bei |Marvel| immer geboten.

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