Robert B. Parker – Mortal Stakes – Ein Spenser-Krimi

Spielmanipulation in Boston? Spenser räumt auf

Der Bostoner Baseballstar Marty Rabb spielt weit unter seinen Möglichkeiten. Wird er bestochen? Oder erpresst? Heimlich nimmt Spenser, Bostons bester Privatdetektiv, die Lebensumstände des Athleten unter die Lupe. Ohne Erfolg. Doch als er sich nach der Vergangenheit von Rabbs Frau erkundigt, wird er fündig …

Titel der Übersetzung: „Endspiel gegen den Tod“ (1977 bei Ullstein).

Der Autor

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) „Night Passage“
2) „Trouble in Paradise“
3) „Death in Paradise“
4) „Stone Cold“
5) „Sea Change“
6) „High Profile“
7) „Stranger in Paradise“
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

„Paper Doll“
„Stardust“
„Potshot“
„Walking Shadow“
„Widow’s Walk“
„Chasing the Bear“
„Hundred Dollar Baby“
„Taming a Sea-Horse“
„Bad Business“
„Back Story“
„Painted Ladies“
„Cold Service“
„The Professional“
„Playmates“
„Thin Air“
„Small Vices“
„Hugger Mugger“ , „The Godwulf Manuscript“ …
Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

Handlung

Spenser hat seine Karriere noch weitgehend vor sich, ist noch mit Brenda Loring liiert und kennt Susan Silverman lediglich als gute Bekanntschaft. Aber er hat schon jetzt, nach seinen Jugendjahren im Mittelwesten (vgl. „Chasing the Bear“), eine große Klappe, ein gesundes Selbstvertrauen und einen sehr fitten Körper, den er durch Joggen, Boxen und Gewichtheben in Form hält.

Diesmal bittet ihn der Trainer des berühmten Baseballteams der Boston Red Sox darum, den Gerüchten auf den Grund zu gehen, wonach der Spieler Marty Rabb regelmäßig das Spielergebnis manipuliert. Aber warum, wozu und für wen – das herauszufinden ist Spensers Aufgabe. Unter dem Vorwand, ein Buch über die Red Sox schreiben zu wollen, redet Spenser mit den Spielern, aber auch mit den Managern, dem PR-Typen John Little und vor allem mit dem TV-Berichterstatter Buck Maynard. Mit dem allmächtigen Buck dürfe man es sich keinesfalls verscherzen, bibbert Little, aber Spenser findet Bucks „Fahrer“ Lester, der wie ein Cowboy aufgemacht ist, noch viel interessanter: Lester hockt den ganzen Tag bloß, fühlt sich aber gleich blöd angemacht, wenn man über ihn witzelt.

Kaum hat Spenser seine Nase in die Sache gesteckt, bekommt er unliebsamen Besuch von einem Gangster namens Frank Doerr. Dessen Mann fürs Grobe richtet eine Pistole auf den Schnüffler. Spenser ist nicht beeindruckt. Als Doerr wissen will, was Spenser vorhabe, schickt er ihn kurzerhand wieder weg. Offenbar ist doch was dran an den Gerüchten. Etwas ist faul bei den Red Sox.

Die Rabbs

Spenser beschließt, ans Eingemachte zu gehen und verbringt einen zwanglosen Abend bei Marty Rabb und dessen Frau Linda. Später fällt ihm etwas merkwürdig auf: Linda hat ihn angelogen, als sie sagte, sie habe Marty erst beim Baseball kennengelernt. Sie hat noch viel mehr gelogen: Von der Staatspolizei des Bundesstaates erfährt Spenser, dass sie in Wahrheit Donna Burlington heißt und keineswegs aus Chicago kommt, sondern aus Redford, Illinois – sie wurde 1966, also vor acht Jahren, wegen Marihuanabesitzes verknackt, kam aber auf Bewährung frei. Als sie 18 war, verschwand sie.

New York City

In Redford, Illinois, ist wirklich der Hund begraben. Spenser kann verstehen, warum Donna hier weg wollte. Sie haute anno 66 mit einem jungen Heißsporn aus der Schule ab, ging nach New York City. Dort erteilt ihm das Wohlfahrtsamt Auskunft über Donnas erste Adresse in der Stadt. Die Vermieterin weiß noch, dass Donna auf den Strich ging und für den Zuhälter Violet arbeitete. Violet weiß noch, dass Donna für ihren Macker anschaffen gehen sollte, aber den vertrieb Violet gleich, sodass Donna sofort Violets „Pferdchen“ wurde. Bis sie aufstieg, indem sie in Patricia Utleys Nobelbordell als Callgirl arbeitete.

Patricia Utley ist ein Mensch, mit dem Spenser umgehen kann: Kultiviert, gebildet, selbstbewusst, mit einem starken Willen und festen Ansichten. Sie holte Donna quasi aus der Gosse und machte eine Lady mit Umgangsformen aus ihr. Spenser verwundert es keineswegs, dass Marty Rabb seine spätere Frau hier als Callgirl kennenlernte.

Was aber Donna zum Verhängnis wurde, war nicht die Prostitution, sondern der eine Pornofilm „Suburban Fancy“, in dem sie mitwirkte. Nun befindet sich, wie Utley auf Spensers Bitte herausfinden lässt, eine Kopie dieses Streifens in den Händen Buck Maynards Handlanger Lester Floyd. Damit erpresst er Marty, aber keineswegs direkt: Maynards schuldet dem bekannten Bostoner Kredithai Frank Doerr Geld – und es ist Doerr, der veranlasst, dass Marty ein Spiel „hinbiegt“ und somit den Reibach macht. Vorerst.

Spenser bekniet Utley praktisch, die restlichen Kopien zu vernichten und ihm, Spenser, das Original auszuhändigen. Alles ist, wie es sein soll: Der Detektiv vernichtet das Original in der Badewanne seines Hotelzimmers. Dann fährt er zurück nach Boston.

Boston

Dort wartet jetzt eine Menge Arbeit auf ihn. Statt zu Erskine zu gehen und seinen Auftrag als erfüllt zu melden, tut Spenser etwas ganz anderes. Nachdem er herausgefunden hat, dass Doerr hinter der ganzen Sache steckt und nicht Maynard, konfrontiert er Donna und Marty mit der Wahrheit. Er bekommt von ihr Carte blanche, um die Dinge wieder einzurenken, denn sonst müssten sich die beiden bis in alle Ewigkeit erpressen lassen. Und das würde Marty als Spieler zerstören. Und wer weiß, wann Donnas Vergangenheit auffliegen würde?

Die erste Station seines Eingreifens ist folglich der Urheber des Übels, Doerr himself. Doch der hat einen Revolverhelden an seiner Seite, den Spenser erst einmal ausschalten muss. Sehr passend findet Spenser den Ort des ersten Showdowns: Ein Bestattungsinstitut. Fragt sich nur, ob es nicht seine eigene Beerdigung wird …

Mein Eindruck

„Mortal Stakes“ – der Titel verweist auf ein Gedicht von Robert Frost, das als Motto zitiert wird – schließt die ersten knapp 40 Romane umfassenden Bände der „Spenser“-Reihe ab. Den Auftakt bilden „The Godwulf Manuscript“ und „God Save the Child“, in dem der Privatdetektiv seine künftige Freundin und Seelengefährtin, die Psychologin Susan Silverman, kennenlernt. In „Mortal Stakes“ ist sie lediglich eine von zwei Freundinnen, die er hat, neben Brenda Loring. Im Folgeband „Promised Land“, den ich bereits gelesen habe, ist sie zur Hauptfrau, zur Königin seines Herzens, aufgestiegen und bekommt von ihm sogar einen Heiratsantrag.

„Mortal Stakes“ unterscheidet sich von dem preisgekrönten Nachfolger „Promised Land“ (Edgar Award 1977) in so vielerlei Hinsicht, dass ich glauben könnte, zwischen ihrer jeweiligen Fertigstellung lägen Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Dieser Eindruck beruht nicht nur auf dem Text, sondern vor allem auf der Darstellung der Figuren und dem Aufbau der Handlung. Doch eins nach dem anderen.

Der Erzählstil

Wie schon am Handlungsabriss abzulesen, passiert in der ersten Hälfte des Romans praktisch nichts. Der Autor ergeht sich in langen Beschreibungen von Boston, Redford und New York-Interieurs, um die Lebensumstände Donna Burlingtons zu charakterisieren. Das ist zwar nett gemeint und ersetzt den erhobenen Zeigefinger, den sich Parker stets verkneift, aber es lässt den Fortgang der Handlung stocken.

Die Ermittlung plätschert also vor sich hin, doch Spenser hat bereits einen ersten Erfolg zu verzeichnen: Die Vernichtung des anklagenden Pornos, bei dem Donna Burlington mitwirkte. Bleibt nur noch die Filmkopie bei Lester Floyd (der Film wurde von Patricia Utley nur im Abo an ausgewählte und registrierte Kunden verkauft).

Schon daran lässt sich ablesen, dass Spenser seine Aufgabe nicht nur darin sieht, den Grund für Marty Rabbs Erpressung zu finden, sondern diesen auch vollkommen aus der Welt zu schaffen. Wie sich herausstellt, muss er dabei zwei Schurken und deren Gorillas aus dem Weg räumen. Dies erfolgt in der zweiten Hälfte des Roman, sodass sich der Krimifreund über zwei handfeste Showdowns freuen darf, in denen es heftig zur Sache geht.

Die Figuren

Was lernen wir daraus? Spenser muss der Familie Rabb vor Augen führen, dass sie kein glückliches Leben haben wird, solange die Erpresser über ihr Leben verfügen dürfen. Dass Spenser den Kredithai und Wucherer Doerr ausschaltet, sollte eigentlich Anlass zur Hoffnung geben. Er muss den Rabbs nichts davon erzählen, denn Doerr erpresst nicht Rabb, sondern Bucky Maynard, den Spielkommentator.

Doch es gibt noch einen weiteren Haken: Was, wenn Maynard Donnas anrüchige Vergangenheit als Hure ausposaunt? Kann der Baseballverein der Red Sox mit diesem Schandfleck leben, wenn er etwa in Minnesota auftritt? Wohl kaum. Deshalb, so Spenser, müsse Donna öffentlich Farbe bekennen. Es ist der Lady hoch anzurechnen, dass sie dies auch tut, indem sie einer Zeitungsreporterin ein entsprechendes Interview gibt.

Eigentlich hätte Maynard nach dem Ausschalten Doerrs keinen Grund mehr, Marty zu erpressen, doch das Charakterschwein tut genau das Gegenteil: Er weiß ja, dass Marty Spiele manipuliert hat und glaubt, ihn damit weiterhin zum Betrug nötigen zu können. Jetzt platzt Spenser aber die Hutschnur. Der Detektiv, der täglich joggt und im Fitness-Center Gewichte stemmt und boxt, ist mit seinen muskelbepackten Fäusten ein ebenbürtiger Gegner für den Kampfsportler Lester Floyd.

Die Moral von der Geschicht‘?

Nachdem Spenser Lester fast zu Brei geschlagen hat, muss er sich von Susan Silverman fragen lassen, was für eine Art Mensch er eigentlich ist – einer von den Guten oder einer von den Bösen? Ihr Freund weigert sich, sich für eine Seite zu entscheiden, sondern hält es mit US-Präsident Thomas Jefferson, einem der Gründerväter der USA: „Ich bin, was ich tue.“ Nicht mehr und nicht weniger. Soll jeder sein eigenes moralisches Urteil darüber fällen. Doch eines steht fest: Die Familie Rabb kann jetzt wieder befreit und mit Hoffnung statt Beklemmung ihre Zukunft planen. Wem dieses Ergebnis nicht reicht, der soll zur Polizei gehen.

Unterm Strich

Dieser dritte „Spenser“-Krimi ist stilistisch noch einem alten Erzählstil verpflichtet, den der Autor bereits im Folgeband „Promised Land“ völlig überwunden hat. Der Spannungskurve steigt ganz sachte und allmählich an, indem sich Spenser, nach einem ersten Kennenlernen, auf eine Reise durch die USA begibt, um der Vergangenheit Linda Rabbs alias Donna Burlingtons nachzuspüren.

Was er findet, ist zwar ganz nett, aber für den Parker-Kenner (wie mich) keineswegs etwas Neues: In mehreren Romanen, die ich ganz nicht aufzuzählen brauche, wird die anrüchige Vergangenheit von mehr oder weniger gesuchten Damen aufgedeckt. Dementsprechend haute mich die erste Romanhälfte nicht gerade vom Hocker. Die ausführlichen Orts- und Personenbeschreibungen erinnerten mich an englische Romane des 19. Jahrhunderts. Es gibt sogar ein idyllisches Picknick im Grünen – o Graus!

Auch das Motiv, dass Sportmatches manipuliert werden, taucht in „Playmates“ wieder auf, etwa zehn Jahre später. Was „Mortal Stakes“ radikal von den späteren Romanen unterscheidet, ist die Lösung, die Spenser wählt, um die beiden Schurken Doerr und Maynard sowie deren Gorrillas auszuschalten: Blanke Gewalt, denn Worte allein genügen offensichtlich nicht.

Diese Methode rückt den Vertreter der Gerechtigkeit ins moralische Zwielicht. Ist seine eigene Gewalt gerechtfertigt, solange das Ergebnis stimmt? Ist sie nicht, scheint der Autor entschieden zu haben: Der Showdown mit dem Verbrechen verläuft im preisgekrönten Nachfolger „Promised Land“ (Edgar Award 1977) völlig anders.

Die zweite Romanhälfte wartet also mit zwei Showdowns, scharfen Wortgefechten und etlichen Enthüllungen auf. Ich fühlte mich mit der schwachen ersten Romanhälfte versöhnt. Doch was im Vergleich zu den Parker-Krimis der Mittel- (1977 bis 1996) und Spätphase (1997 bis 2011) fehlt, ist die starke Erkenntniskraft, die Susan Silvermans Psychologie beiträgt. Susan spielt in den „Sunny Randall“-Krimis ebenfalls eine wichtige Rolle, und auch Jesse Stone geht regelmäßig zum „shrink“, um sich über einiges klarzuwerden. Schon in „Promised Land“ kommt diese Rolle Susans zum Vorschein – mit unerwarteten Folgen.

Taschenbuch: 176 Seiten
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0140043990
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