Parker, Robert B. – Night and Day (Jesse Stone 8)

_Römische Sitten in Paradise: Der Night Hawk geht um_

Ein Spanner macht Paradise unsicher, und Chief Jesse Stone bekommt von ihm sogar nette Briefe. Sie sind allerdings insofern beunruhigend, als der Spanner besessen von seiner Tätigkeit ist und ahnt, dass er bald etwas Schlimmes tun wird. Dann kommt die Meldung vom ersten Hausfriedensbruch, der bald drei weitere folgen. Stone ordnet an, den Swinger-Klub von Paradise mal genauer unter die Lupe zu nehmen …

Eine deutsche Übersetzung liegt noch nicht vor.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) _“Night and Day“_
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die 39 Romane umfasst, erschienen:

[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
[„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
[„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
[„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
[„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
[„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
[„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
[„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
[„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
[„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
[„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
[„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
[„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
[„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
„Hugger Mugger“, „Small Vices“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Dieser Sommer fängt ganz harmlos an. Chief Jesse Stone wird in die Oberschule gerufen. Empörte Eltern der Schülerinnen verlangen von ihm aufgebracht, die Rektorin Betsy Ingersoll auf der Stelle zu verhaften. Diese ist allerdings nicht zu sprechen, hat sich eingesperrt. Was könnte nur passiert sein, fragt sich der Polizeichef. Blut ist jedenfalls keines zu sehen. Also ruft er die Eltern und ihre Töchter – es sind ja keine Jungs betroffen – in die Aula.

|Die Panty-Patrouille|

Erst hier stellt sich heraus, dass Betsy offenbar Sittenpolizei gespielt und alle 13-jährigen Mädchen in der Umkleide auf Höschen kontrolliert hat. Wer nur ein Bikini-Höschen anhatte oder gar – Gott bewahr! – einen String-Tanga, der wurde nach Hause geschickt. Da die Verletzung der Intimsphäre der Mädchen jedoch nach den Gesetzen des Bundesstaates Massachusetts kein strafbarer Tatbestand ist, kann Jesse niemanden verhaften und einbuchten. Ein Gespräch mit Betsy Ingersoll ist unergiebig, denn erstens ist der mächtige Anwalt des Staates ihr Mann und zweitens lässt er sie gar nicht zu Wort kommen. Sogar der Bezirksstaatsanwalt droht Jesse, die Finger von Betsy Ingersoll zu lassen. Er denkt gar nicht dran.

|Die Swinger|

Etwas weniger harmlos ist das, was ihm die 13-jährige Missy Clark erzählt, die auch in der Elternversammlung saß: Ihre Eltern gehörten einem Swinger-Klub in Paradise an und würden ihre Treffen auch mal im Hause der Clarks abhalten. Sie ekle sich vor der Orgie und ihren lüsternen Geräuschen immer, sagt Missy, und ihr achtjähriger Bruder mache völlig verstört ins Bett. Jesse verspricht Missy hoch und heilig, etwas für sie zu tun. Vielleicht holt er als Nächstes den Mond vom Himmel? Denn auch gegen das Swingen gibt es kein Gesetz.

|Der Night Hawk|

Das ist aber noch gar nichts gegen die Meldungen von aufgeregten Einwohnern, dass ein Spanner vor ihrem Schlafzimmerfenster aufgetaucht sei – mit einem Fernglas, ganz in Schwarz gekleidet, mit einer Kamera bewaffnet. Auch gegen Voyeurismus an sich gibt es keinen Paragraphen, weiß Jesse, aber wenigstens kann er eine kleine Patrouille aussenden – mit wenig Aussicht auf Erfolg.

In dem ersten Brief, den ihm der „Night Hawk“ (Nachtfalke) schickt, klingt der Bursche noch recht annehmbar und vernünftig. Er ist stolz auf seinen Taten und glaubt, dass ihn ein Dorfdepp wie Stone niemals fangen werde. Na, da sollte man aber nicht drauf wetten! Allerdings sind die nächsten Taten des Night Hawk weitaus rechtsrelevanter: Er begeht eindeutig Hausfriedensbruch, als er am hellichten Tag Häuser von Hausfrauen betritt und diese maskiert, mit vorgehaltener Waffe und gezückter Kamera zwingt, sich vor auszuziehen und fotografieren zu lassen.

Ein weiterer Brief des Spanners verrät Jesse, dass der Kerl auf der Suche nach dem „Geheimnis der Frauen“ sei. Wollen wir das nicht alle kennen, fragt sich Jesse – zumindest wir Männer. Seltsamerweise scheint die Obsession des Spanners durch keine noch so schöne Eroberung gestillt werden zu können. Brief: „Ich kann nicht aufhören, denn Mr. Obsession verlangt von mir, immer weiterzumachen und mehr Reiz herauszuholen.“ Die Serie reißt erst ab, als Gloria, die resolute Hausfrau, den Spanner kurzerhand erbost rauswirft. Wie wird der Peeping Tom auf diese Abfuhr reagieren, fragt sich Jesse besorgt. Wird er den Schritt zur Gewalt machen, um zu bekommen, was er braucht?

Jesse setzt seine Mitarbeiter Molly Crane und Suit Simpson auf die Swinger von Paradise an. Vielleicht gibt es einen Teilnehmer an deren Treffen, der einfach zusehen möchte? Das Ergebnis dieser Untersuchung ist eindeutiger als gedacht: Es gibt nur einen Namen als Verdächtigen. Jesse teilt seine kleine Truppe von gerade mal zwölf Leuten für eine Überwachung, die teils offen, teils verdeckt erfolgen soll. Wieso denn offen, fragen sich Molly und Suit. Tja, das bleibt Jesses Geheimnis.

Da kommt die Meldung, dass der Spanner eingebrochen sei und eine Frau gefesselt habe. Die Anzeige kommt ausgerechnet von Betsy Ingersoll. Beim Namen der Höschen-Kontrolleurin wird Jesse misstrauisch …

_Mein Eindruck_

Obsessionen sind bekanntlich verboten, solange sie nicht in Gewalt und die Verletzung von Persönlichkeitsrechten (Promi-Bilder abdrucken, ohne zu blechen – pfui!) ausarten. Deshalb sind Frauentausch, Voyeurismus und Höschenkontrollen auch keineswegs mit Paragraphen bewehrt, sondern lediglich „nicht gern gesehen“. Ist das wirklich so? Parkers Roman lediglich eine andere Beurteilung nahe. Vielleicht sind diese Dinge nämlich Symptome für das, was mit der westlichen Gesellschaft nicht stimmt.

|Obsessionen|

Und in der Tat stößt Jesse, wiewohl nicht der oberste Moralwächter, schon bald auf besorgniserregende Missstände in den Familien und Beziehungen der Betroffenen. Missy Clark und ihr bettnässender Bruder sind nur die Spitze des Eisberges. Die Ehe ihrer swingenden Eltern ist eine Farce und wird demnächst auseinanderbrechen. Mr. Clark hat das Swingen nur als Vorwand benutzt, um seiner Sex-Obsession nachzugeben.

Wenig anders verhält es sich mit den Eheleuten Ingersoll: Er, der erfolgreiche Star-Anwalt, ist besessen von seiner Tätigkeit als Schürzenjäger. Seine Frau, die überbesorgte Rektorin, weiß um seine permanente Untreue, nimmt sie aber hin – bis Jesse Stone mit impertinenten Fragen auftaucht. Der Polizist hat, zur immensen Empörung des Anwalts, den Nerv, an der Anzeige seiner Frau gegen den Night Hawk zu zweifeln. Dabei hat er sich nicht mal das interessante Foto angesehen, dass der Spanner angeblich von seiner nackten Frau gemacht hat …

„Die Wahrheit wird euch freimachen“, war schon seit jeher der Wahlspruch Jesses – den er aber nie geäußert, sondern stets nur gelebt hat. Er selbst erkennt an sich und seiner Exfrau Jenn jede Menge Obsessionen. Er ist besessen von ihr, ihrer Nähe und dem unvergleichlichen Sex – aber keineswegs von ihrer permanenten Untreue. Sie ist besessen davon, sie den Weg nach oben zu schlafen. Auch jetzt ist sie wieder einem Produzenten – wie schon vor zwölf Jahren in L.A. – gefolgt, um eine Stufenleiter nach oben zu klettern. Als der Typ sie fallenlässt, weil seine Pläne scheitern, jammert sie, dass sie zu Jesse zurück will.

Nach mehreren Gesprächen mit seinem Therapeuten Dix (in den TV-Filmen wunderbar lakonisch vom William „Familiengrab“ Sadler dargestellt) merkt Jesse, dass er Jenn lediglich als Absicherung, als Sicherheitsnetz, als Backup dient – um von dieser Basis den nächsten Anlauf zu nehmen, um untreu sein zu können. Doch diesmal ist sie zu weit gegangen, findet Jesse. Er hat nämlich in der Bostoner Privatdetektivin Sunny Randall (ebenfalls ein Geschöpf Parkers), eine kluge und hilfreiche Partnerin im Privaten wie im Beruflichen, gefunden.

|Der Night Hawk|

Und dann wäre da ja noch der Night Hawk. Was treibt ihn an? Er ist ein interessanter Fall von Mr. Jekyll und Mr. Hyde: Im Alltag ein Normalo, nachts der Night Hawk. Dass er höchst gebildet ist, verrät schon der brieflich formulierte Ausdruck „cri de coeur“. Welcher Spanne würde schon französisch ausdrücken, was ihn im Herzen plagt? Nur ein Akademiker. Und sobald Jesse den Namen des Verdächtigen hat, ist der Weg zur Uni nicht weit, wo die werte Gattin an einer Doktorarbeit schreibt. Wie sich herausstellt, ist sie gefühlskalt und egozentrisch. Sie denkt nur an ihren in Gefahr geratenen guten Ruf – und dass ihr jetzt durch diese „Störung“ die Zeit fürs Diss-Schreiben gestohlen wird. Wie es ihrem werten Gatten dabei geht, eines Sexverbrechens verdächtig zu werden, interessiert sie nicht die Bohne.

Der Autor deutet stets an, dass Obsessionen lediglich unterbewusste Reaktionen auf den Mangel an Respekt, Zuwendung und Wärme sind. Von Sex besessen zu sein, ist genau die Folge davon. Und als Erstes bekommen es die wehrlosen Kinder zu spüren. Kinder wie Missy und ihr Bruder. Aber auch die Frauen, die, um ihre Ehe zu retten, fast alles mitmachen, das Swingen inklusive. Das bedeutet aber nicht, dass es im Swinger Klub nicht auch Überzeugungstäterin gäbe. „Sind unsere Ehen nicht freier und beständiger?“ fragen sie Jesse, der weit davon ist, sie zu verurteilen.

|Showdown|

Die bange Frage, die der Night Hawk selbst in einem seiner Briefe aufwirft, ist die, ob ihn Mr. Obsession (Mr. O) überwältigen und er zum Mittel der Gewalt greifen wird. Durch den Ermittlungsdruck, den Jesse aufgebaut hat, zwingt er den Night Hawk zu einem letzten Schritt, um Jesse zu demütigen: Der Spanner muss eine Frau heimsuchen, die Jesse „am nächsten“ steht. Wer könnte dies wohl sein? Als das klar ist, trifft Jesse mit dem Köder Vorbereitungen, um dem Night Hawk eine tod-sichere Falle zu stellen …

_Unterm Strich_

Diesen Roman zu lesen, war ein pures Vergnügen. Das Garn, das Parker auf seine unnachahmliche Art spinnt, setzt dabei überhaupt nicht auf Action oder knallharte Ermittlungsmethoden, sondern entpuppt sich zum Erstaunen des Lesers zunehmend als Social Engineering. Das bedeutet, dass es genauso wichtig ist, die Psychologie zu nutzen wie die üblichen Ermittlungsmethoden.

Jesse Stone, durch seinen Therapeuten Dix gewitzt, setzt subtile Mittel ein, um hier ein wenig Druck auszuüben und dort ein paar Andeutungen fallenzulassen. Aber er braucht natürlich da, wo handfeste Beweise fehlen – das ist die Regel – vor allem Aussagen und Geständnisse.

|Der Peeping Tom|

Das klappt auch ganz hervorragend, um die meisten Rätsel zu lösen, doch es gibt natürlich kaum ein Mittel, um den Night Hawk, der ja seiner speziellen Besessenheit nicht entkommt, zur Aufgabe zu bewegen. Dabei muss man sich als Leser schon fragen, worin denn der spezielle Reiz von Hausfriedensbruch und Voyeurismus bestehen soll. Auch Jesse fragt sich zusammen mit der feinfühligen Molly Crane, ob der Kick nicht vielmehr im Machtgefühl besteht, das der Night Hawk sich durch das Bedrohen und Abknipsen des Opfers verschafft – der Fotoschuss als symbolische Tötung? Warum nicht gar? Diese Handlungsweise ist vielleicht nur eine Art, es seiner gefühlskalten, egozentrischen Frau heimzuzahlen – eine Übertragung des Wunsches nach Vergeltung.

|Die Lehre|

Der Night Hawk ist ein Spiegel, in dem sich Jesse selbst erblickt. Er spricht mit seinem Therapeuten darüber und mit Sunny Randall, die selbst eine ausgezeichnete Therapeutin konsultiert: Susan Silverman, die Gefährtin der Hauptfigur aus fast allen „Spenser“-Krimis Parkers. (Zusehends verschränken sich die fiktionalen Universen Parkers.) Diese Spiegelsicht Jesses ermöglicht ihm die Selbsterkenntnis, dass er von seiner Ex nur ausgenutzt worden ist. Diese Erkenntnis haben bislang seine Schuldgefühle ihr gegenüber verhindert. Jetzt befreit er sich davon. Ganz im Gegensatz zum Night Hawk: Den kann nur der Tod befreien.

|Bonus|

Für den fleißigen „Parker“-Leser (wie mich) hält dieser Band einige Schmankerln bereit, so etwa den wiederkehrenden Hinweis Stones, dass seine Mitarbeiterin, die brav verheiratete Mutter Molly Crane, es einmal mit einem gewissen Apachen getrieben habe. Der Hinweis gilt Crow, dem bemerkenswerten Apachen in „Trouble in Paradise“ und „Stranger in Paradise“ (das „Night & Day“ vorausgegangen ist). Sogar Spike, der bärenartige Freund Sunny Randalls, spielt eine Rolle in Jesses Plänen: Spike eröffnet ein neues Restaurant in Paradise – und eignet sich bestens zur Einschüchterung renitenter Ehemänner.

|Taschenbuch: 307 Seiten
ISBN-13: 978-0425232996|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836

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