Robert B. Parker – Potshot – Ein Spenser-Krimi (Spenser 28)

Die Glorreichen Sieben: Shootout in New Mexico

Eine Geschäftsfrau aus Potshot, New Mexico, heuert den Privatdetektiv Spenser in Boston an, um herauszufinden, wer ihren Mann ermordet hat. Sie behauptet, es sei eine Bande Krimineller gewesen, die ihre Stadt ausbeuteten. Doch als Spenser den Bandenführer zur Rede stellt, verneint dieser, etwas mit dem Mord zu tun zu haben. Alles an diesem Auftrag kommt Spenser allmählich oberfaul vor. Dennoch holt er seine Freunde zusammen, um es mit der Bande aufnehmen zu können. Ein Shootout ist unvermeidlich. Aber um welchen Preis?

Dieser Roman wurde meines Wissens nach noch nicht übersetzt. Der Ausdruck „potshot“ bedeutet so viel wie „Zufallstreffer“, egal ob aus Ungeschicklichkeit, Glück oder Zufall.

Der Autor

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.


„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“
2) [„Trouble in Paradise“
3) [„Death in Paradise“
4) [„Stone Cold“
5) [„Sea Change“
6) [„High Profile“
7) [„Stranger in Paradise“
8) „Night and Day“
9) „Split Image“


Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die ursprünglich 39 Romane umfasste und seitdem weitergeführt worden ist, erschienen:

[„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818 , „Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

Handlung

Mary Lou Buckman, eine Geschäftsfrau aus Potshot, New Mexico, tritt mit einem Auftrag in Spensers Büro. Ein Polizist aus Los Angeles, Samuelson, habe sie an ihn verwiesen, und so sei Spenser ihre letzte Hoffnung, um herauszufinden, wer ihren Mann Steve erschossen habe. Diese Bande von Kriminellen, die bei einer alten Mine lagere, müsse es getan haben. Ein Kinderspiel also. Ihre unschuldigen blauen Augen und ihr nettes Lächeln bringen Spenser beinahe um den Verstand, aber er ist ja schon in festen Händen. Er nimmt den Auftrag an.

Nach einem innigen Abschied von Susan Silverman und ihrer Hündin Pearl fliegt Spenser nach L.A. und Tucson und fährt dann weiter in die Wüste. In Potshot hat sich Mary Lou ein Unternehmen für das Reittouren von Touristen aufgebaut. In diesem Städtchen scheint es eine Menge Yuppies zu geben, die Geld ausgeben können und etliche Geschäfte. Diese Geschäfte werden laut Mary Lou und Dorfpolizist Dean Walker von der Bande des „Preachers“ erpresst, die wegen ihres Wohnsitzes allgemein nur als „Dell“ bezeichnet wird. Alle Freunde von Mary Lou sagen unisono aus, dass die Dell-Bande Steve Buckman auf dem Gewissen habe. Das Merkwürdige daran: Niemand kann den Schützen benennen und es gab auch keine Verhaftung.

Um auch die andere Seite anzuhören, fährt Spenser zur Dell-Bande. Diese 30 bis 40 Leute kampieren in Hütten vor einem alten Minenschacht – in einer schier unangreifbaren Stellung, wie Spenser anerkennend bemerkt: zwischen einem Steilhang und einem Abgrund, zugänglich nur über eine enge Schlucht. Selbstredend ist Spenser nicht unbewaffnet. Ein Hüne begrüßt ihn unfreundlich, aber der Privatdetektiv verlangt nach dem Preacher. Dieser stellt sich als so liebens- und vertrauenswürdig wie eine Klapperschlange heraus. Nach einer Aussprache versichert ihm der Preacher, dass keiner seiner Leute etwas mit Steve Buckmans Tod zu tun gehabt habe. Also lügt jemand. Und das gefällt Spenser gar nicht.

Nicht genug damit, bitten ihn das Stadtoberhaupt und führende Bürger darum, die Dell-Bande zu verjagen. Sie seien es leid, vom Preacher jeden Donnerstag um „Schutzgeld“ erleichtert zu werden. Dafür bieten sie Spenser ein erkleckliches Sümmchen. Dem ist klar, dass er es nicht allein gegen 40 Banditen aufnehmen kann und beginnt, seine zuverlässigsten Freunde zu rekrutieren. Allen voran natürlich Hawk und Vinnie Morris, die er schon in Port City („Walking Shadow“) erfolgreich eingesetzt hat. Schon bald hat er vier Killer beisammen. Das reicht nicht.

Weil jemand gelogen hat, muss er aber zugleich den Fakten auf den Grund gehen. In L.A. hört er sich nach den Buckmans, Dean Walker und einem Produzenten namens Mark Ratliff um. Es stellt sich heraus, dass Mary Lou mit Walker und Raliff sowie einigen anderen Nachbar schlief – eine echte Schlampe. Und ihr Mann Steve muss ein aggressiver Typ gewesen sein, denn er wurde als Football-Trainer gefeuert. Aber warum folgten ihr Walker und Ratlieff in die tiefste Wüste, was erhofften sie sich dort?

Als Spenser und Susan in Beverly Hills vor ihrem Hotel ausruhen, werden sie von zwei Ganoven angemacht: Er solle sich von Mary Lou Buckman fernhalten. Im Handumdrehen schlägt Spenser die beiden Typen in die Flucht, aber er geht der Sache auf den Grund. Der eine heißt Jerome Jefferson, und er arbeitet für einen Gangsterboss namens Morris Tannenbaum, der die Gegend östlich von L.A. kontrolliert. Das erfährt Spenser von seinem alten Freund Vincent del Rio (aus „Stardust“), ebenfalls einem Gangsterboss. Hier rekrutiert der Detektiv die Mitarbeit zweier Revolvermänner. Jetzt hat er sein Team zusammen: mit sich selbst sieben Mann.

Er richtet sich nach einer langen Überlandfahrt, bei der das nötige Waffenarsenal transportiert, in einem gemieteten Haus in Potshot ein. Langsam formt sich ein erfolgversprechender Aktionsplan heraus, um es mit der Dell-Bande aufzunehmen. Der Cop Deam Walker verspricht, sich herauszuhalten, und Mary Lou Buckman weigert sich, zu Spenser Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Aber was ihm das Landratsamt und der County Sheriff an Fakten liefern, rückt die ganze Sache in ein neues Licht.

Spenser mag es überhaupt nicht, wenn man ihn (und seine Freunde) aufs Kreuz legen will. Er wird mit Mary Lou und ihren „Freunden“ ein ernstes Wörtchen reden müssen. Sobald er mit dem Preacher fertiggeworden ist …

Mein Eindruck

Dieses Abenteuer ist eine Mischung aus moderner Verbrechensbelämpfung und einem Szenario aus einem traditionellen Western. Nur dass Potshot, das sich wie Dodge City herausgeputzt hat, mittlerweile von reichen Stadtflüchtlingen bewohnt wird. Damit ist offenbar auch eine neue Art von Verbrechen aufs Land gekommen: ein großangelegter Betrug. Mehr darf ich aber nicht verraten.

Drei Spannungsbögen

Das Interessanteste an diesem „Spenser“-Krimi ist wohl, dass es mindestens drei Spannungsbögen, die alle drei aufgelöst müssen, wie sich das gehört. Erstens lautet die Frage, wer Steve Buckman umgelegt hat. Die Antwort darauf folgt ganz zum Schluss, sodass dies der längste Spannungsbogen ist. Zweitens muss die Dell-Bande besiegt und vertrieben werden. Sind das wirklich die Mörder von Steve Buckman? Fies genug sehen sie ja aus, die Schergen des Preachers.

Aber dann gibt es noch einen Gangster in L.A., der eine unerwartete Verbindung zu Mary Lou Buckman und zur Dell-Bande aufweist. Morris Tannenbaum, ein Möchtegern-Macho, verrät Spenser ungewollt – oder sorglos – seine Verbindung zum Preacher. Und Jerome Jefferson hat ja schon seine Verbindung zu den Buckmans offenbaren lassen. Wenn aber der Preacher und Mary Lou Buckman auf gegnerischen Seiten stehen, wieso unterhält dann der Gangster Beziehungen zu beiden? Irgendetwas ist hier oberfaul, und beim Weiterbohren stößt Spenser auf weitere Fakten, die die Situation in Potshot in ein zwiespältiges Licht rücken.

Feine Leute

Wie schon in dem feinen Krimi „Widow’s Walk“ („Die blonde Witwe“) beschäftigt sich der Autor auch in diesem „Spenser“-Abenteuer mit den modernen Machenschaften um Land, Geld und Betrug. Der Bürgermeister, der Bankier, die Geologin (Mrs Buckman) und selbstredend der Immobilienmakler sind darin verstrickt. Sie sieht heute die Elite des Landes aus, wahrlich feine Leute. Und von Abzocke wollen sie natürlich nichts wissen.

Action und Humor

Der eher actionorientierte Krimileser fiebert natürlich dem lange vorbereiteten Shootout mit der Dell-Bande entgegen. Die glorreichen Sieben in ihrer Hütte bereiten die Schlacht denn auch lange vor, was für Spannung sorgt. Der Autor kennt sich mit ihren Waffengerätschaften bestens aus. Die Schlacht ist fachgerecht geschildert, so dass ich mich an Gettsburg erinnert fühlte (an den Kampf um den „Little Round Top“, um genau zu sein).

Genauso unterhaltsam sind aber auch die Kabbeleien zwischen den sieben Typen, genau wie schon in der Vorlage zu allen Filmen über die glorreichen Sieben, die Akira Kurosawa mit „Yojimbo“ vorlegte. Lang ists her. In diesen Szenen nimmt sich der Autor genussvoll Zeit für ein paar feine Charakterstudien und zahlreiche witzige Einzeiler. Allerdings ist der Humor von der sogenannten „deadpan“-Art. Das bedeutet, dass die Sprecher keine Miene verziehen und ein Pokergesicht machen, wenn sie jemanden mit Ironie aufziehen.

Diese Art des Humors ist Parker offenbar genauso lieb wie das amouröse Geplänkel, das er zwischen Spenser und Susan inszeniert. Ach ja: Endlich erfahren wir dabei auch Spensers Vornamen, der uns ansonsten beharrlich verschwiegen wird: Bobo …

Schwächen

Der Ort Potshot ist erfunden, und ebenso das County (Landkreis) Chiricahua, in dem er sich befinden soll. (Wenigstens verweisen dieser Name auf den gleichnamigen Apachen-Stamm.) Solche Fiktionen sind selten bei Parker und darum enttäuschend, denn sie verringern den Anstrich von Authentizität, den er seinen Geschichten zu geben vermochte.

Der Schluss ist insofern unbefriedigend, als wir zwar einigermaßen erfahren, wer Steve Buckman erschoss, aber der oder die Täter davonkommen. Eine Bestrafung wäre mir lieber gewesen, aber darüber hat offenbar nicht Spenser zu befinden.

Unterm Strich

Obwohl dieser „Spenser“-Krimi mit 335 Taschenbuchseiten zu den längsten des Autors gehört, wird er doch selten langweilig oder gar ermüdend. Die drei Spannungsbögen sorgen allein bereits für genügend Unterhaltung und Aufmerksamkeit beim Leser. Der finale Shootout von Spensers „Glorreichen Sieben“ in der Schlacht gegen die Dell-Bande dürfte jeden Actionfreund zufriedenstellen, deren Vorbereitung aber ebenfalls.

Und zwischendurch stößt unser Held in Los Angeles auf eine ganze Reihe „Desperate Housewives“, die nur zu gern bereit wären, diesen gut aussehenden Burschen in ihrem Schlafzimmer zu vernaschen. Nur gut, dass er bereits bei der umwerfend klugen (sie hat in Harvard studiert), gut aussehenden (sie sieht wie eine Filmdiva aus) und obendrein erotischen Susan bereits in festen Händen ist (wenn auch ohne Ehering).

Action, Spannung, Täuschung und Sinnlichkeit gehen somit in diesem Spenser-Krimi eine optimale Verbindung ein. Nur der Umstand, dass die Mitte etwas lang geraten ist und der Plot zahlreiche bekannte Elemente enthält, hält mich davon ab, dem Buch die volle Punktzahl zu verleihen. Ich kann mir nicht erklären, warum das Buch noch nicht längst übersetzt wurde.

Taschenbuch: 352 Seiten
ISBN-13: 978-0425182888

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[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066